Aber, wie das Leben so spielt, gab es nicht nur glückliche Zeiten. Mit ihrer robusten und genügsamen Art strotzte Martha Burren Schicksalsschlägen und bewies Ausdauer. «Es isch iz haut eifach so» habe sie oft gesagt, erzählt ihre Tochter Hanni Isenschmid und ergänzt: «Sie war schon immer bescheiden und machte das Beste aus jeder Lebenssituation». Als Älteste von drei Kindern wuchs die Bauerstochter im Burst bei Oberried auf. Die fleissige Schülerin war ambitioniert, lernte im Welschen Französisch und besuchte darauf die Haushaltsschule Schwand in Münsingen. Besonders das Handarbeiten habe ihr gefallen. Doch ihr Wunsch, Damenschneiderin zu werden, blieb ihr verwehrt. Während den Kriegsjahren in den 40ern war zu Hause auf dem Hof jede Arbeitskraft gefragt.
Arbeitsreiche Jahre
Geprägt von den schweren Arbeiten auf dem elterlichen Betrieb, wollte die Könizerin auf keinen Fall Bäuerin werden. Doch es kam anders: 1946 lernte sie den «flotten» Bauernsohn Fritz Burren kennen. Wie damals üblich, wurde bald geheiratet und die junge Frau zog zu ihrem Mann auf dessen Hof. Die Familie betrieb auf dem grossen Anwesen viele Jahre Ackerbau und Viehwirtschaft. Der Alltag war bestimmt von harter Arbeit. Doch beklagt habe sich die Mutter von drei Töchtern nie, erinnert sich Isenschmied. Den Ausgleich zur anspruchsvollen Arbeit auf dem Hof fand die fleissige Familienfrau in den Wintermonaten bei der Handarbeit.
Während sich Martha Burren über eine robuste Gesundheit erfreute, bekam ihr Mann zunehmend gesundheitliche Probleme. 1974 musste die Familie den Betrieb aufgeben sowie das Vieh- und die Fahrhabe versteigern. Zwei Jahre später verstarb der Bauer an einer Lebererkrankung. Der Verlust machte Martha Burren zu schaffen, hatte sie doch erst drei Wochen vorher den Tod ihres jüngeren Bruders hinnehmen müssen. Die Töchter waren ausgezogen und nach dem Tod des Schwiegervaters war sie plötzlich ganz allein auf dem Hof.
Erneuter Verlust
Als ihre mittlere Tochter Margrit Binggeli 1977 mit ihrer Familie das Anwesen übernahm, kam neuer Schwung in ihr Leben. Sie bezog die kleine Einliegerwohnung und genoss den Familienanschluss. Sie verbrachte gerne Zeit mit den Enkelkindern und kochte oft für die ganze Familie und später auch für das Team sowie die Gäste ihres erwachsenen Enkels Thomas Binggeli. Dieser gründete auf dem Gelände den bekannten «Thömus Veloshop». 2010 erschütterte der schmerzliche Verlust von Margrit, die an Krebs starb, das Leben der damals 88-Jährigen. Die trauernde Mutter kümmerte sich fortan um den Haushalt. Ihre Tochter Hanni erinnert sich: «Wenn man ihr sagte, sie müsse in ihrem Alter doch nicht so viel arbeiten, antwortete sie: ‹Ja wär macht’s de süsch?›».
Bis zu ihrem 94. Lebensjahr wohnte die tüchtige Rentnerin in ihrer eigenen Wohnung, hielt sich fit mit Wandern und besuchte mit viel Freude das Altersturnen. Nach mehreren Stürzen und einem Oberschenkelbruch war es jedoch an der Zeit für den Wechsel ins Altersheim. Im «Witschihuus» in Niederscherli fühlte sie sich rasch zuhause und sie erholte sich gut, so dass ihr auch eine schwere Lungenentzündung in ihrem 97. Lebensjahr nicht viel anhaben konnte.
Frei von Zwang
Normalerweise sitzt Martha Burren in ihrem Sessel und strickt. «Es ist ihre Therapie, es gibt ihr das Gefühl, noch eine Aufgabe zu haben», so die Tochter. Doch heute liegt Martha Burren auf ihrem Bett und ruht sich aus. Ihre Augen sind geschlossen. Nur kurz öffnet sie diese, als ihre Tochter sie anspricht, um sie kurz darauf mit den Worten «i bi müed» wieder zu schliessen. «Mein Mueti ist in ihrem Leben an dem Punkt angelangt, wo sie nichts mehr muss», sagt Hanni Isenschmid, wirft einen liebevollen Blick zu ihr und erklärt: «Ein Leben lang hat sie sich, wie es in der damaligen Zeit von einer Frau erwartet wurde, nach gesellschaftlichen Normen und Erwartungen gerichtet. Nun ist sie in einem Alter, in dem sie auch mal ‹nein› sagen darf oder den Teller nicht mehr ausessen muss.»