Fabienne Bettschen, Sie legen sicher Wert auf schöne und gepflegte Füsse?
(Lacht) Selbstverständlich, Sie nicht? Für mich als Podologin steht jedoch der gesundheitliche Zustand der Füsse und des Patienten insgesamt im Vordergrund. Pflege ja, die ist und wird in zunehmendem Alter immer wichtiger.
Weshalb sollten Füsse gepflegt werden?
Füsse werden regelmässig gebraucht. Trotzdem legen viele Leute mehr Wert auf ihre Hände und ihr Gesicht, die Füsse werden dagegen oft stiefmütterlich behandelt. Durch das Laufen und aufgrund unseres Schuhwerks werden die Füsse täglich sehr beansprucht. Hornhaut entsteht und bei starker Belastung bilden sich Hühneraugen. Die altersbedingte Absenkung des Fusses führt häufig zu Druckstellen zwischen den Zehen oder zu eingewachsenen Nägeln. Der Fuss wird zunehmend unbeweglicher. Denken Sie an den Hallux valgus, diese Veränderung des Grosszehengrundgelenkes kann sehr schmerzhaft werden, vor allem wenn keine regelmässige Pflege erfolgt. Oft bilden sich Hühneraugen zwischen der Grosszehe und der zweiten Zehe, diese Veränderung der Grosszehe führt oftmals auch zu einem eingewachsenen Grosszehennagel, weil der Schuhdruck stärker auf den Nagel einwirkt.
Kann Hornhaut wirklich zu einem Problem werden?
Ja, in vielerlei Hinsicht. Je nach Druckbelastung der Fusssohle entsteht mehr oder weniger Hornhaut. In der «Badi» beobachtet man viel die rissigen und gelblich verhornten Fersen. Diese Risse bluten oft und werden zu einem schmerzhaften Problem. Die Podologin kann schnell Linderung verschaffen, indem sie die Hornhaut abträgt und die Ferse wieder elastisch und geschmeidig wird. Ein weiterer Schmerzpunkt sind die Zehengrundgelenke bei der Fussballe. Durch zu starken Druck auf die Grundgelenke und die zunehmende Unbeweglichkeit des Fusses entstehen dort schmerzhafte Hühneraugen. Bei Patienten mit einer Risikoerkrankung wie zum Beispiel Diabetes mellitus oder PAVK kann dies zu einem schwerwiegenden Problem werden.
Sie sind Podologin HFP mit eigener Praxis in Thun. Was machen Sie genau?
(Lacht) Wie viel Zeit haben Sie… Das ist ja das Geniale an diesem Beruf, er ist so vielseitig. Bleiben wir vorerst beim Medizinischen. Neben der normalen Fusspflege (Nagelpflege und Hornhaut) bieten wir auch andere Therapien an, wie Nagelspangen bei chronisch eingewachsenen Zehennägeln, Silikonorthesen zur Druckentlastung bei chronischen Druckschmerzen oder Hühneraugen, Nagelkomplettierung (Nagelprothetik) bei Traumanägeln, Behandlung von stark verdickten Altersnägeln, Nagelpilzbehandlungen, Rhagadenbehandlungen und Wundbehandlungen in Zusammenarbeit mit den Spitälern, Ärzten und Orthopädieschuhmachern (OSM). Im Spital Thun arbeite ich in der Fusswundsprechstunde mit und lerne viel über die Behandlung und den Umgang mit Risikopatienten. Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist die Praxishygiene. Sie braucht viel Zeit, da alle Instrumente gereinigt und sterilisiert, die Behandlungsräume nach jedem Kunden desinfiziert werden müssen.
Zum Schluss kommen die ganzen administrativen Sachen, die im Praxisalltag anfallen. Überweisungsschreiben der Ärzte be-
arbeiten und beantworten, E-Mail-
Anfragen erledigen, Telefonate entgegennehmen und Termine vereinbaren.
Das ist mehr als nur einfache Fusspflege?
Ja, es besteht ein Unterschied zwischen der kosmetischen und der medizinischen Fusspflege. Die Titel Podologe/in EFZ oder Podologe/in HF sind geschützt und garantieren einen geprüften Ausbildungsstandard. Für Risikopatienten wie Diabetiker, Patienten mit Durchblutungsstörungen oder Blutverdünnungsmittel ist es wichtig, sich in die Hände eines/r Podologen/in HF zu begeben.
Können Sie Beispiele nennen?
Bei einem Diabetiker mit einer Angiopathie und Neuropathie ist die Durchblutung, Wundheilung und die Gefühlswahrnehmung an Fuss und Bein gestört. Hier darf nichts verletzt werden und man muss mit sterilen In-
strumenten arbeiten. Eine Infektion kann eine folgenschwere Operation nach sich ziehen. Bei Risikopatienten kann eine Verletzung mit Infektion zu einer Amputation der betroffenen Stelle (Zehen, Fuss, Bein) führen, dies wollen wir unter allen Umständen verhindern. Auch bei Krebspatienten, die sich noch in einer Chemotherapie befinden, ist die Immunabwehr vermindert. Hier gilt es ebenso, mit grösster Vorsicht zu behandeln.
Das braucht sicher auch starke Nerven, oder?
Ja und nein. Trotz meiner langjährigen Berufserfahrung und Routine stosse ich immer wieder auf Herausforderungen. Das ist auch gut so, solche Situa-
tionen fordern mich, ich lerne dadurch viel. Meistens habe ich diese Fälle im Spital. Dort unterstützt mich ein Team von drei Ärzten, vier bis fünf Wundexpertinnen und sicher zwei Orthopädieschuhmachern.
Sie beschäftigen vier Mitarbeiterinnen als Podologin EFZ. Was sind deren Aufgaben?
Sie behandeln diverse podolo-
gische Fussprobleme, organisieren die Praxis mit, nehmen Telefonate entgegen, führen die Agenda für alle Kolleginnen mit, sind verantwortlich für die Praxishygiene und unterstützen mich bei der Ausbildung der Lernenden. Dazu gehört auch das Einüben gewisser Behandlungstechniken (Anamnese, Spangentechnik, Orthesen, Nagelprothetik, Verbandtechnik, Massage am Fuss und Unterschenkel). Eine grosse Verantwortung, die viel selbstständiges Handeln voraussetzt.
Ist es ein klassischer Frauenberuf?
War er mal, aber jetzt nicht mehr. Weiterbildungen ermöglichen nach Abschluss der dreijährigen HF sehr viele Möglichkeiten.
Ist es einfach, ausgebildete Podologen zu finden?
Leider nein.
Wo liegt das Problem?
Es ist ein neu überarbeiteter und zum Teil noch unbekannter Beruf. Deshalb gibt es noch nicht viele Ausbildungsbetriebe in der Schweiz. Unser Berufsverband ist sehr aktiv und nimmt an vielen Berufsmessen teil. Auch die Spitäler und Arztpraxen sind interessiert und integrieren uns immer mehr in ihren Berufsalltag. Wir sind also auf dem Vormarsch.
Bilden Sie auch Nachwuchs aus?
Ja, meine Praxis in Thun ist ein Ausbildungsbetrieb. Momentan bilden wir fünf Lernende aus. Da ist ständige Kontrolle wichtig. Meine Mitarbeiterinnen und ich unterstützen die Lernenden im praktischen alltäglichen sowie im schulischen Bereich.
Ist der Beruf bei Jugendlichen gefragt?
Ja. Wer sich für medizinische Berufe interessiert, schaut sich sicher auch denjenigen der Podologin oder des Podologen an. Bei mir melden sich viele Jugendliche zum «Schnupperpraktikum».
Was empfehlen Sie jenen, die sich für den Beruf interessieren?
Ein Schnupperpraktikum bei einem grösseren podologischen oder podologisch-orthopädischen Betrieb zu machen.
Bieten Sie Schülerinnen und Schülern auch die Möglichkeit, in Ihrer Praxis zu schnuppern?
Ja, das will ich sogar. Dann lerne ich die jungen Leute gleich persönlich kennen. So kann ich ihnen auch kleinere Aufgaben geben und sehe so, ob sie sich für diesen Beruf eignen und wie sie sich ins Team integrieren.
Was müssen künftige Auszubildende für den Beruf «mitbringen»?
Einen guten Real- oder Sekundarabschluss, ein offenes und liebevolles Wesen, Freude an den Menschen, Interesse an der Medizin, Freude am Lernen, gute Fingerfertigkeit. Meine Erfahrung zeigt, dass wenn Jugendliche handwerklich geschickt sind, sie in ihrer Arbeit als Podologen auch richtig aufgehen.
Was erwartet Lernende während der Ausbildung?
Eine interessante und vielseitige medizinisch-therapeutische Ausbildung mit tollen menschlichen Begegnungen. Dieser Beruf erfordert viel handwerkliches Geschick, selbstständiges Arbeiten und Kreativität. Die Empathie ist sehr wichtig. Wir arbeiten mit vielen älteren und auch kranken Menschen zusammen. Es ist eine vielseitige und spannende Ausbildung.
Dann hat der Beruf der Podologin EFZ oder Podologin HF also Zukunft?
Absolut!