Tanja Bauer kommt direkt von einem Besuch an der Berufsausbildungsmesse BAM. Dort ist Köniz mit einem Stand vertreten, um Jugendliche auf die Ausbildungsmöglichkeiten in der Gemeinde aufmerksam zu machen. Fachkräftemangel ist in Köniz Cheffinnensache. Tanja Bauers Agenda ist voll, die politische Agenda mit den Legislaturzielen ambitioniert, die verwaltungstechnischen Herausforderungen gewichtig. Dann wären da noch viele Engpässe, Wünsche, Sorgen und Erwartungen der Bevölkerung.
Geduld gefragt
Eine davon betrifft den Schulraum. Die Beliebtheit von Köniz bei Familien hat Folgen. Die Schulgebäude kommen – kaum ist ein Neubau realisiert – bereits wieder an ihre Kapazitätsgrenzen. Lehrpersonen sind gefragt, Lücken müssen durch Mehrbelastung gefüllt werden. Klar, dass Bauer an der Eröffnung der Schule in Spiegel prompt vom Lehr- und Tagesschulpersonal auf dieses Problem angesprochen wird. «Ja, die Situation ist angespannt. Viele Gebäude sind in die Jahre gekommen, hier haben wir noch einige Altlasten. Gleichzeitig müssen wir den Schulraum aufgrund von viel mehr Schulkindern erweitern, wie etwa im Morillon. Erschwerend kommt dazu, dass Schulhaus-Ausbau oder Neubau in der Regel eine lange Vorlaufzeit benötigt», stellt die Präsidentin fest. Diesen Punkt haben auch die Gemeinderäte Hans Peter Kohler (FDP), zuständig für das Bildungswesen, und Thomas Brönnimann (GLP), zuständig für den Immobilienpark, an ihrer Eröffnungsansprache im Spiegel erwähnt. Die Betroffenen bittet Bauer um Geduld. Der Blick auf die Agenda verrät aber, welch hohe Priorität der Schulraum in Köniz geniesst. «Bildung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind wichtige Aufgaben für unsere Zukunft», unterstreicht sie und zielt dabei auf den weiteren Ausbau der Tagesschulen ab. Gleichzeitig dürfte damit auch das Parlament zu spüren bekommen, dass Schulhäuser nicht nur teuer, sondern auch nötig sind. Bauer betont, wie wichtig es sei, im politischen Prozess diese Projekte nicht unnötig zu bremsen.
Flexibilität gefragt
Soll man dafür das Bevölkerungswachstum in Köniz bremsen? Bauer schmunzelt und schüttelt den Kopf, nicht aus politischen Gründen, sondern aus praktischen: «Hier müssen wir uns übergeordneten Interessen fügen. Wir wachsen in den Zentren, um das Kulturland zu schützen und die Energiewende zu schaffen, so sehen es Bund und Kanton vor. Für Köniz bedeutet dies einen Ausbau im unteren Ortsteil und der Schutz von Landschaft und Ortsbild in der oberen Gemeinde.» Etwas freier kann sich Köniz in der Ausgestaltung des Wachstums bewegen und hier unterscheidet die Präsidentin: «Wir wollen qualitativ wachsen, diese übergeordneten Ziele als Chance begreifen. Wir waren, sind und werden immer eine dynamische Gemeinde sein und das ist positiv zu verstehen. Seit einem Jahrhundert sagt Köniz selbstbestimmt, wo gebaut wird und wo es grün bleibt.» Das Zusammenspiel aller Gruppen macht Köniz einzigartig und gleichfalls attraktiv. Doch das erfordert immer mal wieder Flexibilität von der Bevölkerung. «Als ich einer 100-jährigen Frau zum Geburtstag gratuliert habe, hat sie mir stolz erzählt, welche Veränderungen sie in Köniz miterlebt hat. Ich freue mich, wie offen Könizerinnen und Könizer im Umgang mit Veränderungen umgehen. Sie engagieren sich und es entstehen oft pionierhafte Ansätze. Viele sind stolz darauf, wenn man etwas zuerst in Köniz umsetzt. Köniz ist für mich ein Zukunftsmodell.»
Personal gefragt
Doch Tanja Bauer kann weder alleine, noch einzig zusammen mit Gemeinderat und Parlament agieren. Ohne motiviertes Personal sind die zahlreichen anstehenden Aufgaben in Bereichen wie Bildung, Klimaschutz und Verkehr nicht zu bewältigen. Hier navigiert die Präsidentin zwischen den knappen finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde und dem Fachkräftemangel. Ein Spagat? «Wir wollen Menschen, die bei uns arbeiten, eine Perspektive bieten. Fast ein Drittel der Angestellten arbeitet in den Schulen. Gute Infrastruktur und gute Arbeitsbedingungen sind probate Mittel gegen den Fachkräftemangel», ist sich Bauer sicher. Der Gemeinderat hat eine Personalstrategie erstellt und revidiert nun zusammen mit dem Parlament das Personalreglement. Eine Mitarbeiterbefragung verrät, dass sich die Verwaltungsangestellten mehr Zusammenarbeit unter den einzelnen Abteilungen wünschen und insbesondere bei der Entlöhnung Nachholbedarf bestehe. Wenn das Personalreglement verbessert wird, verschlechtert das nicht gleichzeitig die Chancen der KMUs, um überhaupt noch an Personal zu gelangen? «Das ist nicht das Ziel. Im Gegenteil. Wir wollen unseren Beitrag leisten. Wir sind eine grosse Arbeitgeberin und bilden entsprechend in verschiedenen Berufen Lernende aus. Zudem wollen wir mit Entwicklungsmöglichkeiten in der Verwaltung sowie mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch das Fachkräftepotential insgesamt verbessern», so Bauer. Das Personalreglement wird demnach im Parlament sowohl in puncto Finanzierbarkeit, wie auch Notwendigkeit bestehen müssen. Eine Aufgabe, deren Herausforderung das Hochhaus zu Wabern turmhoch überragt.
Tanja Bauer geht vorwärts. Sie bleibt gut gelaut und nimmt sich geduldig Zeit für die Beantwortung der Fragen. «Ich erachte es als Privileg, mich für die Bevölkerung von Köniz einsetzen zu dürfen», meint sie schon fast staatsfrauisch. Mit einem grossen Ziel vor Augen: es ist der Weg hin zu einer Gemeinde, in der alle gerne und gut leben. «Das Wort Gemeinde kommt ja vom Begriff Gemeinschaft», ergänzt sie. In dem Sinne: hin zur idealen Gemein-
(de)schaft.