Keine fünf Minuten später, als der Gewinner des World Cheese Award im Life Stream aus England bekannt gegeben wurde, nahm Urs Leuenberger den ersten Gratulations-Anruf überrascht entgegen. «Zuerst wusste ich gar nicht, was mir der Mitarbeiter der Käsehandlung Gourmino, der vor Ort am Wettbewerb dabei war, mitteilen wollte», sagt der 58-Jährige. Noch immer etwas erstaunt erinnert er sich und schmunzelt: «Ich war bei der Arbeit in meiner Käserei und hatte den Termin der Siegerehrung via Lifestream ganz vergessen.
Auf dem Weg zum Sieg
Bis ein Käse in die oberen Ränge kommt, wird dieser von einer international besetzten Jury, bestehend aus rund 250 Mitgliedern, auf Herz und Nieren geprüft. Von den 4443 eingereichten Käsen, schafften es gerade 17 Stück ins Finale. Im Kopf-an-Kopf-rennen mit einem italienischen Gorgonzola konnte der Schweizer Gruyère schlussendlich überzeugen und den Weltmeistertitel für sich beanspruchen. Es ist nicht das erste Mal, dass Leuenbergers Käse die Jury überzeugen konnte. Bei der World Cheese Champion ship 2017 in Amerika etwa hat er den 4. Platz belegt.
Neue Laufkundschaft
Dass ein Käser aus Vorderfultigen den Weltmeistertitel gewinnt, hat bei Gourmets schweizweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Sogar Käseliebhaberinnen aus Zürich hätten extra den Weg auf sich genommen, um zu erfahren, wie denn so ein Champion-Käse schmeckt, berichtet der Familienvater augenzwinkernd. Die Käserei verfügt über keinen offiziellen Laden und verkauft den Käse quasi zwischen Tür und Angel. Der Vertrieb wird hauptsächlich durch die Käsehandlung Gourmino ausgeführt. Diese war es auch, die den Gruyère aus Vorderfultigen in den Wettbewerb nach England geschickt hat. Leuenberger verfügt über eine 35-jährige Berufserfahrung. Aufgewachsen in einer Käserei in Unterlangenegg, zwischen Thun und Oberemmental, war Käser sein Berufswunsch erster Wahl. Lange führte er seine eigene Emmentaler Käserei, musste diese dann jedoch wegen einer Zusammenführung zweier Betriebe aufgeben. Danach arbeitete der begeisterte Hobbybergläufer während 12 Jahren als Abteilungsleiter bei einem industriellen Milchverarbeiter. Doch sein Herz schlug schon immer für kleine und einfache Bergkäsereien mit traditionellem Handwerk und so fand er 2015 den Weg nach Vorderfultigen.
Grande Finale
Leuenberger ist ein Meister seines Fachs und mit Leib und Seele Käser. Sein Erfolg spricht für sich. Dennoch hat jede Medaille bekanntlich eine Kehrseite. Letzten Sommer fasste der Konolfinger einen Entschluss und hat die Betriebsführung per Ende Dezember 2022 abgegeben. Der Entscheid stand schon länger im Raum, fiel ihm jedoch nicht einfach. «Die Präsenzzeiten und kurzen Erholungszeiten belasten mich. Ich werde nicht jünger und langsam hänkt’s a», sagt er etwas nachdenklich. Auch Zeit für die Familie und für Hobbies bleibe kaum übrig. Wie viele Käsereien klagen, ist es schwierig Fachpersonal zu finden. So erging es auch Leuenberger. Als dann noch ein frisch eingestellter Mitarbeiter wegen einem Bandscheibenvorfall ausgefallen ist und die ganze Arbeit während mehreren Monaten an dem Betriebsleiter hängen blieb, stand der Entschluss fest. Nun steht Leuenberger dem neuen Betriebsleiter, Pius Hitz, mit seiner langjährigen Erfahrung beratend zur Seite und arbeitet zu einem reduzierten Pensum bis mindestens im Frühling in der Käserei mit. Wie es danach weitergeht, weiss er noch nicht. «Ich halte Augen und Ohren offen», sagt er zuversichtlich. Denn so sicher es ist, dass jede Medaille eine Kehrseite hat, so sicher ist auch die Tatsache: «Wenn sich eine Tür schliesst, dann öffnet sich eine andere.»