Rund 70 Lernende im Alter von 15 bis 25 Jahren aus der gesamten Deutschschweiz und dem Wallis bildet die als Stiftung organisierte Institution «Steinhölzli Bildungswege» aus. Die von der IV unterstützten jungen Erwachsenen werden im «Park 18» an der Hildegardstrasse in Liebefeld in den hauseigenen und der Öffentlichkeit zugänglichen Dienstleistungsbetrieben Gastronomie (Restaurant Park18), Gärtnerei/Blumenladen, Wäscherei und Betriebsunterhalt/Hauswartung in unterschiedlichen Fähigkeitsstufen ausgebildet (vgl. Kasten Bildungsangebot). Die Ausbildungsdauer beträgt je nach Berufsausbildung zwischen 2 und 4 Jahren. Bei der praktischen Lehre PrA nach INSOS (Nationaler Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderung) ist die Ausbildung individualisiert und kann je nach Lernfähigkeit der Jugendlichen niveaumässig angepasst werden. Die Lernenden absolvieren pro Lehrjahr ein dreimonatiges Praktikum in einem Betrieb des 1. Arbeitsmarktes. Die allgemeinbildenden Fächer und der Sport werden an der GIBB der Stadt Bern unterrichtet. «Mit 180 Lernenden bei den Praktikern ist es doch eine stattliche Anzahl junger Menschen, die eine Bildungschance erhalten, die in der Gesellschaft eine Bedeutung hat. Das ist eine sehr positive Entwicklung», betont Thomas Müller, seit 2013 Direktor der Stiftung «Steinhölzli Bildungswege». Der 58-jährige, ausgebildete Lehrer und Heilpädagoge engagiert sich seit vielen Jahren für die Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen.
Supported Education
Unter diesem Begriff verstehen die Fachleute die begleitete Ausbildung für Menschen mit erschwertem Zugang zu Bildung und Arbeit direkt im
1. Arbeitsmarkt. Dabei unterstützt und begleitet ein Jobcoach der Fachstelle Berufliche Integration der «Steinhölzli Bildungswege» die Lernenden sowie den Ausbildungsbetrieb und steht beratend zur Seite. Aktuell bietet «Steinhölzli Bildungswege» Ausbildungsplätze mit folgenden «Supported Education Partnern» an: Nationales Pferdezentrum in Bern (2 Stellen als Pferdewartin EBA), City Malerei AG, Biel (Praktiker PrA Malerei), Genossenschaft Migros Aare, Schönbühl; Betrieb Lyss (Automobilassistent EBA) und Senevita Residenz Multengut, Gümligen (Unterhaltspraktikerin EBA und Hauswirtschaftspraktikerin EBA).
Umgang mit Hürden
«Leichtathleten trainieren ihre Hürdenläufe hundertfach, bis sie den Lauf fehlerfrei in ihrer Bestzeit absolvieren, um im sportlichen Wettkampf zu reussieren. Der Hürdenläufer hat seine Hindernisse bewusst gewählt, die Lernenden mit kognitiver, psychischer oder körperlicher Beeinträchtigung nicht. Für sie sind es individuelle und ungleich hohe Hürden, die sie auf ihrem Weg zum Berufsabschluss zu überwinden haben», vergleicht Müller sinnbildlich. «Viele von ihnen wurden bislang fremdbestimmt. Mit dem Entscheid zur Berufsausbildung haben sie erstmals selbstbestimmt entschieden und damit die erste Hürde angelaufen». Zusammen mit den Fachleuten und Betreuungspersonen werden Wege und Möglichkeiten gesucht, damit die jungen Menschen die Hindernisse meistern oder lernen, damit umzugehen. «Wir können sie ihnen nicht aus dem Weg räumen.» Die Hürden sind bei jeder Person anders, selbst wenn sie dieselbe Beeinträchtigung hat wie eine andere Person. Das erfordert individuelle Betreuungs- und Lernansätze. «Wir schauen zunächst, welche Voraussetzungen eine Person mit sich bringt, darauf basierend zeigt sich, was machbar und sinnvoll ist. Deshalb arbeiten wir menschenorientiert und nicht diagnoseorientiert», erklärt Müller. Jedes während der Ausbildung gemeisterte Hindernis sei ein grosser Erfolg. Diese Erfolge müssten den jungen Menschen bewusst gemacht werden, nicht erst beim erfolgreichen Abschluss der Ausbildung. Der Prozess «Umgang mit Hürden» sei auch für die Fachkräfte und Betreuungspersonen jedesmal eine Herausforderung, so Müller.
Trotz ihren Beeinträchtigungen müssen die jungen Erwachsenen je nach gewählter Ausbildung die Flachwäsche genau zusammenfalten, einen schönen Blumenstrauss bis zur vereinbarten Abholzeit des Kunden binden und, wenn die Kundschaft mittags ins Restaurant kommt, das Essen pünktlich und fein fertiggekocht haben. Denn dies ist der Qualitätsanspruch der Kunden sowie der Ausbildnerinnen und Ausbildner und der steht im Wettbewerb mit den umliegenden Läden, Betrieben und Restaurants. Dies muss den Lernenden bewusst werden.
Zum Areal «Park 18» der «Steinhölzli Bildungswege» gesellten sich in letzter Zeit weitere Firmen und Institutionen. Mit «You Count» ein Internat für 8 junge Mädchen, die auf eine besondere Struktur angewiesen sind und durch Sozialpädagogen betreut werden. Dabei wird viel mit Pferden gearbeitet. Die KiTa im Park der «jojo Kindertagesstätten», «Pro Senectute Region Bern» mit Sozialberatung, Freiwilligenarbeit und Kursen sowie 2 heilpädagogische Sonderklassen unter der Leitung der Koordinationsstelle für besondere Förderung Köniz KSK. «Diese Angebote schaffen eine erfreuliche Durchmischung von Unternehmen, was rege Kundenkontakte zur Folge hat. Das ist für unsere Lernenden ein grosser Vorteil. Sie sind nicht isoliert von der Arbeitswelt, sondern mitten drin», betont Arbeits- und Organisationspsychologin Myrta Dahinden. Sie ist Ressortleiterin Berufsbildung und stellvertretende Direktorin der «Steinhölzli Bildungswege».
Kleine Wohneinheiten
Lernende, die von weiter entfernten Orten kommen, wohnen während der Woche in einem der Wohnhäuser im «Park 18», in Blinzern und Köniz. In den insgesamt 11 Wohnungen stehen 37 Plätze zur Verfügung. Die betreuten Wohngemeinschaften bieten den jungen Frauen und Männern ein ideales Lern- und Übungsfeld zur Erweiterung ihrer Fach- und Sozialkompetenz. «Die jungen Menschen von heute wollen so ‹normal› wie möglich sein. Bei der Entwicklung der Wohnkonzepte war uns wichtig, vom ‹Heimcharakter› wegzukommen, ohne Heime abwerten zu wollen. Diese Wohnform bietet grösstmöglichen Öffentlichkeitscharakter für die Bewohnerinnen und Bewohner. Durch die kleinen Wohngruppen sind sie auch weniger Reizüberflutungen ausgesetzt. Sie haben einen Arbeitsweg und können sagen: ‹Ich lerne Koch im Restaurant Park 18›, das gibt eine ganz andere Identifikation mit dem Betrieb und sie können Berufsstolz entwickeln», erklärt Dahinden.
«Ganz wichtig sind unsere Kundinnen und Kunden aus dem Liebefeld und der Gemeinde Köniz. Sie sind der eigentliche Erfolgsmotor für unsere Lernenden, indem sie unsere Diensleistungsangebote in Anspruch nehmen, Feedbacks geben und ihre Wertschätzung gegenüber den Jugendlichen ausdrücken. Dies motiviert sie, jeden Tag ihr Bestes zu geben», betont die stellvertretende Direktorin.
«Kein Abschluss ohne Anschlusslösung, lautet unser Grundsatz. Jedes Jahr schliessen 30 bis 35 Jugendliche ihre Ausbildung erfolgreich ab. Davon finden 50 Prozent eine feste Stelle, 20 bis 25 Prozent eine befristete Stelle oder einen Arbeitsversuch im
1. Arbeitsmarkt. Ein kleiner Teil findet im geschützten Bereich eine Beschäftigung. Nur vereinzelt findet sich keine Anschlusslösung», erklärt Müller.