Dass die heute Verantwortlichen den neuen Flughafen BER überhaupt nicht im Griff haben, derweil sich die eigentlichen Täter aus der Politik längstens davongeschlichen haben, ist bekannt. Ich wette mit Ihnen, weil ich den Flughafen Willy Brandt (der sich im Grab umdreht) besucht habe: Wir beide – Sie, ich! – würden gewisse fundamentale Fehler nicht begehen, obwohl keine Baufachleute. Zum Beispiel Rolltreppen zu kurz bestellen (und trotzdem einbauen!) oder die Perrons für den unterirdischen Bahnhof nicht genügend lang vorsehen, sodass Passagiere in einigen Wagen des ICE gar nicht aussteigen können. Dieser gigantische Pfusch mit seiner inzwischen x-fachen Kostenüberschreitung führt dazu, dass der Flughafen Tegel seine Kapazitätsgrenzen (seit Jahren sollte dort ein Technologiepark stehen) längst überschritten hat – mit allen Konsequenzen für die Flugreisenden, obwohl das Personal sich eine Heidenmühe gibt, täglich mit den Unzulänglichkeiten zurechtzukommen. Aber irgendwie ist Tegel ein Symbol dafür, dass in der Stadt vieles schiefläuft. Das sieht auch Professor Stephan Russ-Mohl aus Berlin so, mit seinem Report in der NZZ vom
21. September 2019, «Bizarres aus Absurdistan», unter dem Motto «Von Anything goes zum Nichts geht mehr». Unbedingt (nach)lesenswert!
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Ich war kürzlich wieder in Berlin, zu Recherchen für einen nächsten Kriminalroman, bei dem es unter anderem um Drogenschmuggel und die Nutzung des stillgelegten Flugplatzes Tempelhof gehen wird. Lassen Sie sich 2021 in «Belpmoos» überraschen. In die Gegenwart: Ankunft in Berlin, wo die direkte TXL-Busverbindung an den Alexanderplatz nicht mehr existiert, jetzt geht es zum Hauptbahnhof, wo alle aus- resp. umzusteigen haben. Hat vielleicht damit zu tun, dass seit Jahren «Unter den Linden» für eine U-Bahn-Linie zwischen Bundestag und Alex gebohrt wird. Eine Verbindung, die von einem ehemaligen Bundeskanzler angestossen wurde und deren Notwendigkeit bei vielen Berlinern einzig ein Kopfschütteln auslöst. Geld scheint auch in diesem Fall keine Rolle zu spielen. Zurück nach Tegel: Ich warte 20 Minuten auf den TXL-Bus in die Stadt, wo, wenn einmal da, nur ungefähr ein Viertel der Wartenden überhaupt zusteigen kann. Eis huere Gschtungg. Weil aber die eigentlichen digitalen Fahrplananzeigen vor Ort ohnehin defekt sind, ist der Blick auf die Uhr für Weiterverbindungen eh überflüssig. Welcome to Berlin.
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Einmal in der Stadt angelangt, fallen die vielen Obdachlosen und Bettler auf – und die unzählig planlos herumstehenden E-Trottis, deren Batterien leer sind. Dafür ist jede Viertelstunde das Martinshorn zu hören, von Polizei oder Feuerwehr, ein Umstand, der mir vorher nie aufgefallen ist.
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Weil Frühaufsteher, frage ich vor dem Roten Rathaus gegen 7.30 Uhr einen offensichtlich übernächtigten Polizisten, der mit Sicherheit in den letzten 20 Jahren keinen Zahnarzt gesehen hat, wie lange die Baustelle vor dem Rathaus noch andauern wird. «Keine Ahnung, fragen Sie den Bauleiter!» – «Auf der Baustelle ist aber noch niemand, wissen Sie es nicht?» – «Keine Ahnung, gehen Sie jetzt bitte weiter.» Die Ineffizienz der Behörden ist vielleicht auch damit zu erklären, dass das rotgrün regierte Berlin pro 1000 Einwohner die deutsche Rekordzahl von 50 Verwaltungsmitarbeitern zählt. Die Stadt Bern im Vergleich: 22 pro 1000 Einwohner. Stephan Russ-Mohl: «Inspiriert scheint der Berliner Politikbetrieb von Karl Lagerfeld. Er soll einmal gesagt haben, dass man das Geld aus dem Fenster werfen soll, damit es unten durch die Türe wieder hereinkommt. Was in der Modebranche funktioniert haben mag, klappt indes nur selten beim Umgang mit öffentlichen Geldern.» Scheinbar oberste Priorität des offiziellen Berlins: Die preussischen Generäle, nach denen Strassen benannt sind, sollen afrikanischen Freiheitskämpfern weichen.
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2 Orte sind für meine Recherchen von Belang: Der Görlitzerpark, den ich zweimal tagsüber aufsuche – sicher nicht bei Nacht… – und das Tempelhofer Feld, der ehemalige Flugplatz, wo Ende der 40er-Jahre die US-«Rosinenbomber» gelandet sind, um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln mit einer Luftbrücke sicherzustellen, weil die Sowjets Berlin von der Aussenwelt abgeschnitten hatten. Zuerst husch in den Görlitzerpark, von dem bekannt ist, dass er die gleiche Funktion wie der seinerzeitige Platzspitz in Zürich einnimmt. Dieser Vergleich ist jedoch nicht statthaft, weil in Berlin der Drogenhandel durch Schwarzafrikaner inmitten von Kinderspielplätzen und einer angrenzenden Grundschule stattfindet. Ich bin nun wirklich kein ängstlicher Typ, aber ein Foto der Dealer habe ich mir verklemmt. Als wohltuender Gegensatz dazu das Tempelhofer Feld, eine einzige, riesige Freizeitanlage für die Bevölkerung mitten in der Stadt, die sich dagegen gewehrt hat, dass es überbaut wird. Und ich frage mich: Weil Grenchen und Payerne mit ihren Flugplätzen relativ nahe liegen: Wäre das nicht auch für Bern-Belpmoos denkbar? Wie gesagt, Details dazu erst im Herbst 2021, in «Belpmoos».