«Die Partnerschaft mit Tápiógyörgye ist für unsere Gemeinde eine echte Bereicherung. Das Kennenlernen einer andern Kultur ermöglicht es, etwas über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und uns für Fremdes zu öffnen. Zudem rückt der Einblick in den Lebensalltag eines Dorfes, das sich mit einer viel einfacheren Infrastruktur begnügen muss, die eigene, komfortablere Situation in ein anderes Licht», umschreibt Beat Bucheli die Vorteile der langjährigen Beziehung mit dem ungarischen Ort. Bucheli ist Initiator und der Mann der ersten Stunde dieser Partnerschaft. Als die Gemeinde Tápiógyörgye 1994 das Gesuch stellte, mit Wünnewil-Flamatt eine Partnerschaft einzugehen, war er Gemeinderat und verantwortlich für das Kulturressort. Die ersten Kontakte kamen durch Vermittlung des Schweizerischen Gemeindeverbandes und der ungarischen Botschaft zustande.
Zu Beginn der 90er-Jahre war das Klima in der Schweiz für solche Projekte günstig. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus standen die ost- und mitteleuropäischen Staaten vor einem Neuanfang. Um die politischen und wirtschaftlichen Reformen zu unterstützen, gingen viele Schweizer Gemeinden mit Ortschaften in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn Partnerschaften ein. Der Volksaufstand in Ungarn (1956) und der «Prager Frühling» (1968) waren bei vielen noch in lebhafter Erinnerung. Entsprechend gross waren bei uns die Sympathie und Solidarität für diese Völker, die es gewagt hatten, sich gegen die von Russland gesteuerten kommunistischen Gewaltregimes aufzulehnen.
Unterstützung von Demokratie und Alltag
Tápiógyörgye, Partnergemeinde von Wünnewil-Flamatt, liegt in der ungarischen Tiefebene, rund 80 Kilometer südöstlich von Budapest. Sie umfasst eine Fläche von 13,2 km2 und zählt 3700 Einwohner.
Das Patronat in Wünnewil-Flamatt obliegt der Gemeinde. Die Projekte und Pflege der Beziehungen wurden dem eigens dafür gegründeten Verein «Mit Tápió-
györgye» übertragen. Er zählt 100 Mitglieder und wird von einem achtköpfigen Vorstand geleitet, der ehrenamtlich arbeitet. Vereinspräsidentin ist Marianne Kormann. Finanziert werden die Aktivitäten aus Beiträgen der Gemeinde, der Vereinsmitglieder, Erträgen aus dem jährlichen Dorfmarkt und Spenden.
«Unser Wunsch war es, die Gemeinde Tápiógyörgye auf ihrem Weg in die Demokratie zu begleiten, ihr ein Beispiel zu sein, aber auch den Lebensalltag ihrer Bevölkerung zu verbessern», umschreibt Beat Bucheli die ursprüngliche Zielsetzung des Vereins. Als wichtigste Beiträge seitens Wünnewil-Flamatt nennt er: die Finanzierung der Renovation der Kirchenorgel, die Unterstützung des Deutschunterrichts in der Dorfschule, finanzielle Beiträge an die Erneuerung des Dorfbrunnens, des öffentlichen Brotbackofens, die Sanierung des Schwimmbades und der Sportanlage sowie die Möblierung des Pflegeheims. Daneben hätten seit Beginn der Partnerschaft viele Lastenzüge mit Hilfsgütern Wünnewil-Flamatt Richtung Ungarn verlassen. Dazu gehörten Kleider, Velos, Mobiliar für die Schule, das Gemeindebüro und das Pflegeheim und auch Schulmaterial. Als sehr wichtig und bereichernd bezeichnet Beat Bucheli die zwischenmenschlichen Kontakte, aus denen sich trotz Sprachbarrieren wahre Freundschaften entwickelt haben. So besuchen sich in regelmässigen Abständen gegenseitig Gemeindebehörden, die Feuerwehren, Vereine, Schulklassen und Privatpersonen. Eine ungarische Delegation reist alljährlich zum Wünnewiler Dorfmarkt, und am Kantonalmusikfest «Musicanto 2015» konkurrierte die Jugendblaskapelle von Tápiógyörgye.
Kulturaustausch als neuer Schwerpunkt
Es liegt auf der Hand, dass sich Tápiógyörgye gegenüber Wünnewil-Flamatt materiell kaum ebenbürtig revanchieren kann. Dafür werden in allen Wünnewiler Reiseberichten die äusserst grosszügige Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Ungarn und der bereichernde Gedankenaustausch hervorgehoben. Kulinarisch fühlen sich die Schweizer Besucher jeweils ins Schlaraffenland versetzt. Wie Bucheli ausführt, haben sich im Laufe der Jahre in Ungarn die wirtschaftlichen Bedingungen verbessert. Dies gilt für die meisten osteuropäischen Länder. Aus diesem Grunde sind viele der zu Beginn der 90er-Jahre begründeten Partnerschaften versandet. Nicht so jene zwischen Wünnewil-Flamatt und Tápiógyörgye. Sie gehört laut Bucheli schweizweit zu den intensivsten. Ihr Fokus richte sich heute allerdings vorwiegend auf den Kulturaustausch. In diesem Rahmen würden sich weiterhin Behörden, Vereine und Schulklassen gegenseitig besuchen und den regen Ideen- und Gedankenaustausch pflegen. Tápiógyörgye bleibe mit seinen Spezialitäten auch Ehrengast am jährlichen Dorfmarkt.