Impfgrundlagen kommen aus Mittelhäusern

Impfgrundlagen kommen aus Mittelhäusern

Das Eidgenössische Institut für Virologie und Immunologie IVI ist auf die Erforschung und Bekämpfung von Tierseuchen spezialisiert, forscht jedoch als einziges Hochsicherheitslabor der Schweiz seit Anfang Februar am lebenden Virus Sars-CoV-2, das die Atemwegskrankheit Covid-19 auslöst. Institutsleiter Christian Griot im Interview.

Christian Griot, wie kam es dazu, dass Ihr Institut seit Anfang Februar am lebenden Virus Sars-CoV-2 forscht?
Volker Thiel, Abteilungsleiter Virologie an der Universität Bern, steht als Corona-Spezialist seit Jahren in wissenschaftlichem und freundschaftlichem Kontakt mit zahlreichen virologischen Instituten und Wissenschaftlern aus aller Welt – beispielsweise mit Christian Drosten, dem Direktor des Instituts für Virologie am Berliner Institut Charité. Nachdem im Januar in Deutschland die ersten neuartigen Coronaviren aufgetaucht und der «Charité» in Berlin zu Diagnostik- und Forschungszwecken übergeben worden waren, kam von Berlin am 4. Februar die Anfrage, ob wir uns an der Erforschung beteiligen wollten. So konnten wir weltweit als eines der ersten Institute bereits Anfang Februar beginnen, am lebenden Originalvirus zu forschen.

Wie und wann wurde dieser Virus ins IVI transportiert?
Nachdem wir zugesagt hatten, organisierte Drosten den Transport des Virus per Flugzeug von Berlin nach Zürich-Kloten. Von dort wurde das dreifach gesicherte und auf minus 18 Grad gekühlte Paket am 6. Februar in einem Gefahrenkurier-Auto mit orangem Gefahrenschild an unser Institut transportiert und hier durch die Sicherheitsschleuse ins Laboratorium mit der Biosicherheitsstufe 3 gebracht.

Was müssen wir uns unter dem Begriff Biosicherheitsstufe 3 vorstellen?
Alle Laboratorien, die mit Mikro­organismen umgehen, sind in 4 Biosicherheitsstufen eingeteilt. Insgesamt haben nur 10 Personen Zutritt zum Labor, worin sich nur 2 Personen gleichzeitig aufhalten dürfen. Diese sind von Kopf bis Fuss durch einen Ganzkörper-Sicherheitsanzug mit Helm geschützt. Das auf dem Rücken getragene Frischluftzufuhr-System pumpt die Atemluft durch einen Schlauch in den Helm. Alle Mitarbeitenden müssen vor dem Zutritt ins Labor sämtliche Kleider ausziehen, nackt durch die Schleuse gehen, um schliesslich in ihre Arbeitskleider zu steigen.

Wie wird am lebenden Virus geforscht?
Wir betreiben Grundlagen-Forschung, deren Ergebnisse wir anderen Instituten weltweit zur Verfügung stellen. Zunächst geht es darum, das Virus zu «verstehen». Wie ist es aufgebaut? Wie vermehrt es sich? Wie lässt sich diese Vermehrung verhindern oder wenigstens vermindern? Der Arbeitsgruppe von Volker Thiel, der übrigens 2012 Mitentdecker des Mers-Virus war, ist es gelungen, einen synthetischen Virus-Klon herzustellen, was uns zusätzliche Möglichkeiten in der Erforschung der Covid-19-Krankheit eröffnet. Die Erkenntnisse aus Volker Thiels Forschung an den Sars- und Mers-Viren, die auch zur Coronafamilie gehören, kommen uns heute natürlich zugute.

Wie weit ist die Forschung betreffend Herstellung eines Impfstoffes?
Unser Institut gibt die Erkenntnisse seiner Grundlagenforschung an inländische und internationale Institute und Impfstoffhersteller weiter, mit denen wir seit Jahren in Kontakt stehen. Wir arbeiten eng mit ungefähr 10 Institutionen aus Deutschland (z.B. Institut Charité), Frankreich, England und weiteren EU-Forschungsin­stituten zusammen. Mit der eigentlichen Herstellung eines Impfstoffes haben wir nichts mehr zu tun. Die Frage, wann ein geeigneter Impfstoff an Menschen abgegeben werden kann, lässt sich zur Stunde nicht beantworten. Ich gehe davon aus, dass dies nicht vor Herbst 2021 der Fall sein wird. Es kommt dazu, dass nach dem Verkauf des einzigen Schweizer Impfstoffherstellers «Berna Biotech» in Thörishaus hierzulande kein Human-Impfstoff mehr hergestellt wird. Da sind wir heute von den grossen ausländischen Impfstoff-Herstellern abhängig.

Falls bis Herbst 2021 kein Impfstoff bereitsteht, welches sind nun kurzfristig die wichtigsten Massnahmen?
Neben den Erkenntnissen, die wir aus unserer Forschung für die Herstellung eines Impfstoffes liefern können, steht die Arbeit an den antiviralen Substanzen im Vordergrund. Dabei handelt es sich in erster Linie um Medikamente in Tablettenform, welche die Viren-Vermehrung bremsen – vergleichbar mit dem Medikament Tamiflu gegen die Influenza-Grippe-Viren.

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