«Kei Ahnig vo Botanik»

«Kei Ahnig vo Botanik»

Es gibt Fächer, die liebt man in der Schule, andere würde man am liebsten abwählen. Wiederum andere aber, die gibt es gar nicht. Noch nicht. Gärtnern zum Beispiel.

«Im Terminkalender ist nichts so wichtig, wie eine Stunde Musse im Garten einzuplanen», sagte einst Johannes Rau, ehemaliger Bundespräsident von Deutschland. Ein Stücklein Land zu kultivieren, ihm Zuwendung schenken und dafür zu sorgen, dass es wächst und gedeiht, die Bienen summen, die Schmetterlinge flattern, das berührt die Seele. Solch eine Zuwendung erhält seit letztem Jahr der Schlossgarten in Köniz. 

Der Verein

Und was wächst nun vor allen Dingen auf den rund 1000m²? In erster Linie Vielfalt. Denn der historische Garten im Besitz der Gemeinde soll gemeinschaftlich gepflegt werden. Dazu entstand der «Verein Schlossgarten Köniz» mit dem Zweck: «Ein sinnvolles Freizeit- und Beschäftigungsangebot mit Lerneffekt für alle Beteiligten zu schaffen.» Vielfalt ist also sowohl pflanzlich, als auch sozial zu verstehen. Ein offener Garten mit verschiedenen Projekten und unterschiedlichen Menschen. Das Gemüse wird beim «Farm-to-Table»-Projekt im benachbarten Restaurant zum Schloss von Michel Gygax aufgetischt, die «Jungle Dogs» kultivieren eine ganze Menge Chilis zu einer nachhaltigen und regionalen Sauce, die Klimagruppe Köniz setzt Permakultur-Elemente um, Flüchtlinge und Eingewanderte erhalten die Möglichkeit, ihre Gartenkünste aus entfernten Ländern einzubringen. Die Liste ist weder fertig noch abschliessend.

Die OGG

Das alles will koordiniert sein. Michel Gygax, Franz Hofer, Maria Keller, Philippe Riem, Selma Schlaginhaufen sind als Vorstand so etwas wie die oberste Humusschicht und dafür zuständig, dass der Schlossgarten gedeiht. Die Oekonomische Gemeinnützige Gesellschaft Bern (OGG) die Kirchgemeinde Köniz und die KG Gatrokultur GmbH sind die Partner, die quasi als natürlicher Dünger für ein gutes Wachstum zur Verfügung stehen. Den Strohhut etwas nach oben geschoben steht Huggenberger im Garten und koordiniert die Projekte. Er sorgt dafür, dass alles eine Einheit bildet. Nach den ersten Monaten zieht er ein erstes Fazit: «Hier entsteht ein Lernfeld für Anbau und ein Übungsfeld für Beziehungen.» 

Die Bildung

Feinfühlig wie eine Libelle, emsig wie eine Biene und verwurzelt wie eine Sonnenblume. Huggenberger beachtet die Biografie des Bodens, nachdem jahrzehntelang ein Ehepaar diesen Garten bewirtschaftet hatte; er findet die richtigen Orte für die einzelnen Projekte und steht mit Rat und Tat zur Seite. «So ein Garten braucht Kontinuität und Menschen, die täglich mitwirken», meint er. «Doch soweit sind wir noch nicht», ergänzt Schlaginhaufen. Helfende Hände und Vereinsmitglieder sind erwünscht. Die Ernte ist der Lohn, dieses erhebende Gefühl, das sich einstellt, wenn man die Entwicklung sieht, sozusagen die Dividende. Das ist der Moment, in dem die Bildung ins Spiel kommt. Der Verein will zum einen Schulungen durchführen, zum anderen kümmert sich Jezler um das Bildungsangebot. Was ein Garten für die Bildung bietet, ist eben weitaus mehr als Botanik oder Biologie. Sozialkompetenz im Salatbeet, räumliches Vorstellungsvermögen an der Bohnenstange, vernetztes Denken im Mischkulturenbereich. Gärtnern ist kein Schulfach, weil es in keine Kategorie passt und schon gar nicht in eine Schublade. Gärtnern ist eine Lebensschule.

«Kei Ahnig vo Botanik»? Weshalb Gärtnern nicht schon längst fester Bestandteil der Bildung ist, darf man getrost einmal hinterfragen. Zumindest in Köniz aber können Jung und Alt dank dem Verein Schlossgarten dies nachholen oder in den Worten von Martin Huggenberger dieses «Lernfeld für Anbau und Übungsfeld für Beziehungen» betreten. Lektionen, in denen schnell einmal Zeit, Raum und Steuererklärung in Vergessenheit geraten. Aufmerksamkeit und Zuwendung sind Werte, die man nicht an der Tafel lernt, im Garten hingegen viel eher. 

INFO:

www.schlossgarten-koeniz.ch

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