Naheliegend steht die Frage im Raum, ob es Daniel Blum schwer-
fällt, nach 37 Jahren die weisse Käser Schürze niederzulegen. Er nimmt einen Schluck Kaffee, überlegt kurz und antwortet knapp, aber mit einem Lächeln: «Überhaupt nicht.» Er nimmt einen weiteren Schluck und stellt die Tasse, verziert mit dem Logo der «Kastelruther Spatzen», wieder auf den Tisch. An der Wand strahlen die Volksmusiker aus einem Jahreskalender um die Wette. «Das sind alles Erinnerungen an unsere Ferien in Südtirol», schmunzelt der 64-Jährige. Wobei der Ausdruck «Ferien» bei drei freien Tagen pro Jahr schon fast etwas übertrieben ist. «Es war immer schwierig, eine Aushilfe zu finden», erinnert sich Blum. Darunter gelitten hätten sie in jungen Jahren nicht. Erst als die Kinder älter wurden, kam der Wunsch nach etwas mehr Freiheit auf. «Doch schlussendlich lebten wir von der Käserei und wir waren zufrieden mit dem, was möglich war», sagt Blum bescheiden und seine Frau nickt zustimmend.
Mitten im Leben
Aufgewachsen auf einem Bauernhof im Emmental fanden Daniel Blum und seine Frau, welche ursprünglich vom Seeland kommt, fanden 1985 den Weg durch ein Inserat zur Käserei Gambach, um die Nachfolge der Käserfamilie Wüthrich anzutreten. Die beiden wurden gut aufgenommen und fühlten sich rasch heimisch. Die Gründung einer Familie und arbeitsreiche Jahre folgten. Kleine Auszeiten nahm sich die Familie ab und zu am Wochenende zwischen den Anlieferungszeiten und fand Abwechslung beim Velofahren oder Langlaufen. «Auch wenn wir zu Hause angebunden waren, genossen wir unsere schöne Umgebung und schätzten es, als Familie zusammen zu sein», sagt Julia Blum. Die Familienfrau war jede freie Minute in der Käserei engagiert. Sei es im Verkaufsladen oder wo sonst gerade helfende Hände gebraucht wurden. Das Familienglück wurde überschattet, als die Mutter erstmals 2010 und später erneut im Jahr 2017 an Krebs erkrankte. Trotz der grossen Belastung trotzte die Kämpfernatur der Krankheit. Kaum operiert, stand Blum am nächsten Tag schon wieder im Verkaufsladen. «I bi haut chli es verruckts Huehn», lacht die Power-
frau herzhaft.
Am Markt bleiben – bis zuletzt
In der Käserei werden neben dem traditionellen Emmentaler Käse weitere Spezialitäten hergestellt. Damit man in der heutigen Zeit vom Käsen leben könne, brauche es innovative Ideen. So gelang es Daniel Blum etwa, mit dem «Blauschimmelkäse» ein Nischenprodukt zu kreieren, welches sogar bis nach London und Wien exportiert wird. Doch Kleinbetriebe haben es nicht einfach. Überall zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Mit der Industrialisierung fällt es schwer, langfristig zu überleben. Auch bei den Bauernfamilien nimmt die Entwicklung ihren Lauf. So ist die Anzahl der Betriebe, welche der Käserei Gambach Milch anliefern, von anfänglich 32 auf mittlerweile 7 geschrumpft. «Aufgrund dieser Tatsachen drängte sich eine Schliessung bei unserer Pensionierung auf», erklärt Blum. Die verbliebenen Bauern werden auf die Käsereien Hirschmatt und Mamishaus verteilt.
Aktiver Ruhestand
Es scheint, der richtige Zeitpunkt ist gekommen: «Wir sind nun doch etwas müde und freuen uns, gemeinsam unseren Lebensabend zu verbringen.» Doch nur Zeitung lesen und herumsitzen werden die beiden sicherlich nicht. Im Gegenteil: «In den letzten Jahren war es uns oft nicht möglich, Ausflüge zu Freunden zu unternehmen. Immer wieder haben wir auf ‹später› vertröstet. Nun müssen wir uralt werden, bis wir all die Versprechungen eingelöst haben», grinst Daniel Blum humorvoll. Auch das Südtirol will noch erkundet werden, verrät seine Frau voller Vorfreude. Und wie heisst es so schön in einer Liedzeile der Kastelruther Spatzen:
«Doch wenn sich eine Türe schliesst, geht ein Fenster auf
Und Deine Träume fliegen hoch hinauf
Weil Dein Herz versteht, es ist nie zu spät
Weil‘s irgendwie immer weitergeht…»