Ein wunderschöner Mittwochnachmittag, wolkenlos, die Gurtenbahn fährt nicht nach Fahrplan, sondern –fast wie am Gurtenfestival – nonstop, um den Ansturm bewältigen zu können. Staunen erlaubt: In der Wartezone geht es friedlich zu und her, Mütter mit Kinderwagen scherzen miteinander, niemand stört sich an Kindern, die zwischen den Erwachsenen «Versteckis» spielen. Die Szenerie verändert sich schlagartig, als das talwärts fahrende Bähnli ankommt und der Einstieg zur Bergfahrt unmittelbar bevorsteht. Mehr auffällig als unbemerkt versuchen sich die Erwachsenen in Poleposition zu bringen. Als die Türe aufgeht, geht es erst richtig los: Nein, meine Damen, drei Kinderwagen können nicht gleichzeitig durch die Öffnung gestossen werden, eine nach der anderen. Von hinten ist ein «Machet denn öppe!» zu hören. Zeit ist Geld?
Beim Zusteigen fallen die ersten bösen Worte, weil jemand einen Platz beansprucht, den man selber gerne gehabt hätte. Verständlich, denn immerhin dauert die Fahrt ganze vier Minuten. Oben dann beim Ausstieg das gleiche «Gschlegu» wie knapp fünf Minuten zuvor bei der Talstation. Vor allem: Die Kiddies rennen bereits los, in Richtung Mini-Eisenbahn, zur genialen Märmelibahn von Stefan Grünenfelder, zu den «Kids Cars», zum
«Gschtellasch», diesem Holzbau zwischen den Bäumen bis zu fünf Meter ab Boden. «Lea, tue warte!», ist zu hören, «Luca, chum dahäre!», aber auch «Mia, renn schnäll zu de Outöli!» (womit wir wieder beim
Thema der Poleposition angelangt wären).
Ehrlich gesagt, an diesem Nachmittag ist es schwierig – wenn nicht gar unmöglich – den Überblick im Bermuda-Dreieck Eisenbahn-Märmelibahn-Kids Cars zu behalten, weil viele schon grössere Kinder mehr oder weniger unkontrolliert umherrennen und deren Grosseltern zur schieren Verzweiflung treiben. «Jaaaan, wo bisch?», «Hesch du d’Emma gseh?».
Bei der Märmelibahn geht es zu und her wie in einem Bienenhaus – oder wie auf einem Ameisenhaufen, ganz wie Sie wollen. Interessant dabei: Die Kinder schauen fasziniert zu, wie die Kugeln sich bewegen, Hektik kommt jeweils erst auf, wenn eine farbige Bocciakugel aus der Installation fällt und sich drei wartende Kinder gleichzeitig darauf stürzen. In diesem Moment schreiten jeweils die Vertreter der Generalität ein, meistens in hässigem Tonfall: «Das isch nid eui Chugle, die ghört üs!» Ein Wunder, wird die Kugel in solchen Momenten nicht zum Wurfgeschoss.
Zu den Kids-Cars, diesen 15 kleinen Elektrofahrzeugen, die sich nach dem Einwurf eines Einfränklers für eine beschränkte Zeit in Bewegung setzen. Sie merken: 15 Autos für schätzungsweise 50 Kinder, die gleichzeitig fahren möchten und das auch lautstark kundtun. Klar, dass dieses Tohuwabohu eskalieren muss. Eine Mutter zu einem «Giel», der scheinbar noch einige Münzen in der Hand hat: «Du hesch itz gnueg gfahre, mach Platz!», womit sie sogar Recht haben mag, damit aber die Mutter des Fahrers aufs Schlimmste provoziert. «Was geit das euch a? Was gloubet ihr, wär dir syget? Nei, Sämi tue du nume wyterfahre! Das isch e blödi Frou!», die sich wiederum herausgefordert sieht, um ihre Ehre vor der eigenen Tochter zu retten. Hier ist eine dringende Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats gefragt.
David, schon längere Zeit auf der Suche nach einer Fahrgelegenheit, handelt pragmatisch – er setzt sich einfach hinten auf eine Fahrzeug, das von einem «Meitli» gesteuert wird. Geht nun gar nicht. Seine Freude ist deshalb nur von kurzer Dauer, weil er eigenhändig von der Grossmutter der Fahrerin aus dem Sattel gehoben wird, die sich im Stil einer Märtyrerin auf die Fahrbahn zwischen die fahrenden Kids Cars gewagt hat. «Chum sofort da wäg, mir hei zahlt!» und – schwupps! – wird David zum Fussgänger. «Läck, isch das e Zwätschge!» ist aus dem Publikum zu hören.
Kein bisschen besser beim Einsteigen in eines der Mini-Eisenbähnli. Da wird geschupst, getreten und gemogelt, damit man so schnell als möglich einen Sitz ergattern kann. «Mir warte scho viel länger!», «Tim, chumm sofort dahäre, süsch nimmt öpper anders üse Platz!» Nettigkeiten pur, einzig von Erwachsenen ausgesprochen, die Kinder kämen auch ohne böse Worte oder Handgreiflichkeiten miteinander aus. Von ihnen könnten wir viel lernen.