Demnächst es geht also wieder los mit den Bilanzkonferenzen zum Geschäftsjahr 2018. Wehe dem, der keinen Umsatz- und/oder Gewinnzuwachs vermelden kann, seine Firma wird von der Wirtschaftsjournaille gnadenlos verrissen. Überschriften wie «Gewinneinbruch bei XXX» oder «2018: ein Jahr zum Vergessen für XYZ» werden die Runde machen. Womit wir bereits bei einem der Hauptsünder für unsere Arbeitswelt sind, nämlich den Medien, die sich gegenseitig mit knalligen Analysen überbieten werden. Aber Achtung! Arbeitsplatzabbau – wenn möglich mit Entlassungen verbunden – sind in den Augen der Börsianer und Anleger keine «bad news». Im Gegenteil: Wer sich vom «Kostenfaktor Mensch» entlastet, der wird mit steigenden Aktienkursen belohnt, die Aktionäre mit ebensolchen Dividenden.
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Fortschritt. Wirklich?
Die Börsensendung des Fernsehens SRF1 jeweils um 19:25 Uhr («Mehr dazu gleich in der Tagesschau») ist für den Alltag in etwa so zwingend notwendig wie eine elektrische Haushaltszitronenpresse oder ein Autostaubsauger. Da ist sogar die Werbung des Herrn Fischer nachhaltiger.
Übrigens: Das Wort «Fortschritt» habe ich in Zusammenhang mit der Globalisierung und unseren Kommunikationsmöglichkeiten von meiner geistigen Festplatte längst gelöscht und mit «Entwicklung» ersetzt. Soll mir bitte keiner kommen und behaupten, unsere – pardon, Ihre, ich bin ja nicht mehr im Hamsterrad und habe deshalb gut schreiben – Arbeitswelt sei im Vergleich zu früher lebenswerter geworden.
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Die vermeintliche Intelligenzia
Es gehört bei Unternehmen, die sich das leisten können (und davon gibt es hierzulande eine ganze Menge), zum guten Ton, dass man sich durch Unternehmensberater röntgen lässt, weil die eigenen Kader dazu offenbar nicht imstande sind, obwohl sich deren Einschätzung in vielen Fällen 1:1 mit den späteren Erkenntnissen der Consultants deckt, die pro Mann und Monat mit 100’000 Franken zu Buche schlagen. Kunststück, sie kennen ihr Business, deshalb diese Honorare. Das Dumme an der vermeintlichen Intelligenzia: Sie lernen im Studium allesamt das Gleiche und mit diesen «Gleichen» gehen sie in Grossfirmen, um das gelernte «Gleiche» anzuwenden. Firmengeschichte? Hä? Firmenkultur? Weshalb denn? Anliegen der Basis? Was ist denn das Neues? Sie ziehen ihr Ding durch (nachdem sie eine neue Abteilung um sich herum aufgebaut haben), auch wenn sie nach ein paar Jahren einen Scherbenhaufen zurücklassen, den andere zusammenwischen dürfen. Eine bekannte Schoggifabrik kann noch heute ein Lied davon singen, weil sich die geradezu geniale und revolutionäre neue Verpackung als hirnrissiger Flop erwiesen hat. Keine Angst! Diese Genies – man kennt sich schliesslich – finden immer wieder eine gut bezahlte Anstellung.
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Das Problem 50+
Wo ich mich auch umhöre: Überall wird über die heutige Arbeitswelt geklagt, über den Stress, vor allem aber über die zum Teil absurden administrativen Hindernisse, die nicht selten von «Gschtudierten» aufgestellt werden, um ihr Tun zu rechtfertigen, und dann «von oben» befohlen werden, ohne deren Nutzen zu hinterfragen. Das hat vielfach damit zu tun, dass sich Leute 50+ gar nicht mehr getrauen, etwas in Frage zu stellen. Eine – schliesslich – fatale Entwicklung für die Arbeitswelt.
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Wo bleibt die Zivilcourage?
Und jetzt schliesst sich der Kreis dieser Kolumne. Wer denn, ausser erfolgreichen Genossenschaften, könnte sich dieser Entwicklung entgegenstemmen? Vor über 10 Jahren habe ich einem CEO erzählt, was ich den Wirtschaftsjournalisten zum Schluss einer Bilanzmedienkonferenz sagen würde: «Und nun noch eine persönliche Bemerkung. Unser Unternehmen verabschiedet sich vom reinen Umsatzdenken, wir wollen nur noch qualitativ wachsen, nicht quantitativ auf Teufel komm raus. Von mir aus können Sie künftig über uns von Gewinneinbrüchen schreiben, von Umsatzeinbussen. Wir haben eine Vision, die wir umsetzen wollen. Dienen kommt vor verdienen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.»
Liebe CEOs: Auf die Berichterstattungen über das Geschäftsjahr 2018 und die Aussichten für 2019 bin ich gespannt.