Macron is(s)t kein(e) Rösti

Macron is(s)t kein(e) Rösti

«Es ist eine Ehre, dass ein Bundesrat eine Gemeindeversammlung besucht», sagt Gemeindepräsident Mike Bürki zu Beginn. Für einen Abend toppt Riggisberg das Logo von Rolls Royce mit einem Doppel-R. Die Gemeinde bringt es insgesamt nämlich auf drei R: Riggisberg, Rüeggsegger und Rösti. Eine Gemeinde, ihr Nationalrat und ein Besuch vom Bundesrat.

«Ich muss schauen, dass wir nicht zu früh fertig sind», meint Gemeinderat Urs Marti, bevor er das Budget 2024 vorstellt. Das nutzt der Finanzverantwortliche der Gemeinde, um seinen Mitbürgerinnen und -bürgern kommagenau die Zahlen zu erläutern, nachvollziehbar und klar. Die Bevölkerung schätzt dies und erfährt nicht nur von den herausfordernden Zeiten, die Riggisberg finanziell bevorstehen, sondern hat auch das Vertrauen, um ein Minus von 1,67 Mio. Franken abzusegnen. Noch bleibt der Steuerfuss bei 1,80, aber der Finanzplan lässt die Frage aufkeimen: wie lange noch?

Schnelle Riggisberger

Es wird für die meisten Berner Gemeinden zusehends schwierig, die kantonalen Forderungen zu erfüllen zu können und gleichzeitig ein ausgeglichenes Budget zu präsentieren. Insbesondere die Bildung schlägt mit 300’000 Franken Mehrkosten schmerzhaft zu Buche und ist vielerorts, gepaart mit den Investitionen in Schulräume und Infrastruktur, der teuerste Budgetposten einer Gemeinde. Die Versammlung neigt sich gerade ihrem Ende zu, als die Türe aufgeht und der Ehrengast sich erst mal hinsetzen wollte. Doch ganz Riggisberg heisst den Bundesrat mit einem Applaus willkommen und der neue Nationalrat Hans Jörg Rüesgegger (SVP) weist ihn darauf hin, dass die Traktanden schon alle abgehandelt seien und die Bühne nun ihm gehöre. Mit einem Blick auf die Uhr meinte der Bundesrat schliesslich: «Ihr seid schneller, als ich es jeweils war.» Albert Rösti war viele Jahre Gemeindepräsident von Uetendorf. Er kennt die Situation von Mike Bürki und meint an die Bevölkerung gerichtet: «Schön, dass sich so viele Menschen für die Gemeinde interessieren.» Über 100 Personen fanden den Weg in die Oberstufe, das entspricht 4,41 % aller Stimmberechtigten. 

Zwei edle Ochsen

Viele der Anwesenden konnten nicht glauben, dass ihnen der Besuch eines Bundesrats zuteilwurde. Wie kommt es dazu? «Ich bin da, um euch zu eurem neuen Nationalrat Hans Jörg Rüegsegger (SVP) zu beglückwünschen», verrät er gleich zu Beginn seiner Rede. Und schon folgt eine weitere Ehre für Riggisberg, denn der Bundesrat höchstpersönlich lobt die Fähigkeiten des Riggisbergers: «Wenn es einer verdient hat, in den Nationalrat gewählt zu werden, dann Hans Jörg Rüegsegger. Er hat viel geleistet, für die Gegend, für die Landwirtschaft, ja selbst für mich und meinen Werdegang», erzählt Rösti. Ob Rüegsegger oder Rösti, viele Politikerinnen und Politiker haben einen stotzigen, steinigen und «schliffrigen» Weg zurückgelegt – passend mit dem Begriff «Ochsentour» bezeichnet. Rüegsegger und Rösti haben mit der Kraft eines Ochsen am Kumet gezogen und sind nun beide im «Stall» Bundeshaus angelangt. Es gibt mehrere Szenarien, um Nationalrat zu werden. Jene, die in Zeitungen schreiben, um sich bekannt zu machen wie etwa Roger Köppel oder Unternehmerinnen mit bekannten Vätern wie etwa Magdalena Martullo-Blocher. Doch das sind die Ausnahmen. Die meisten gehen den Weg von der Gemeinde, dem Kanton und verschiedenen Ämtern. «Man nutzt das Wort Ochsentour manchmal etwas abschätzig und das ist falsch. Denn wer mit den Erfahrungen aus Gemeinde und Kanton in den Nationalrat geht, der bleibt am Boden der Realität, behält den Bezug zur Bevölkerung», unterstreicht der Bundesrat.

Nach Riggisberg folgt Dubai

Solche Gemiendeversammlungen wie in Riggisberg, aber auch in Schwarzenburg, Guggisberg, und überall sonst, schaffen die Basis für ein demokratisches Verständnis, betont der Ehrengast. «Wir sind in Bern manchmal etwas weit weg, da ist es wichtig immer mal wieder in die heimische Gemeinde zurückzukehren», geht Rösti gleich mit gutem Beispiel voran. Selbst als am anschliessenden Apéro eine grosse Menschentraube dicht an dicht vor der Aula die Gläser zusammenhält, steht mittendrin der Bundesrat, sichtlich interessiert und amüsiert über die Wortmeldungen der Riggisbergerinnen und Riggisberger. Es dürfte wohl wenige Orte auf der Welt geben, in denen sich ein Regierungsvertreter mit solchr Freude unters Volk mischt. «Das System der Schweizer Politik ist einmalig und man muss dazu Sorge tragen», sagte Rösti noch wenige Minuten zuvor. «Ja, das kann man wohl sagen», stellen einige Menschen vor Ort mit einem Lächeln im Gesicht fest. Vielleicht ist der Bundesrat auch deshalb ein wenig länger geblieben, weil er die geliebte Bodenhaftung am Folgetag abgeben muss. Rösti steht nach Riggisberg der Flug nach Dubai an die Weltklimakonferenz bevor.

Um es mal vorsichtig zu sagen: Es dürfte wohl eine ganze Weile dauern, ehe wieder ein Bundesrat die Gemeindeversammlung von Riggisberg beehrt. «Nationalrat Hans Jörg Rüegsegger wird einer sein, der die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern behalten wird. Er setzt sich dafür ein und hatte schon am zweiten Tag seine erste Wortmeldung im Nationalrat. Ich freue mich auf diese Zusammenarbeit», sagt Albert Rösti zum Schluss. Die Gemeinde Riggisberg ist wahrlich ein Rolls Royce: Sie hat einen geschätzten und kompetenten Gemeindepräsidenten Mike Bürki mitsamt Gemeinderat, einen Nationalrat und der wiederum einen direkten Draht in den Bundesrat. Die Genialität des Schweizer Politsystems zeigt gerade dieser bundesrätliche Besuch. Oder um es mit einer Anekdote von Bundesrat Albert Rösti zu untermauern: «Kürzlich war der französische Staatspräsident Emmanuel Macron bei uns zu Gast. Da wurde mir bewusst: Der befiehlt einfach alles, da bin ich im Vergleich ein Niemand. Er wählt seine Minister und die müssen für alles den Präsidenten fragen. Ich darf hierherkommen, alleine mit meiner Weibelin und meinem Chauffeur.» Mit Verlaub: Macron is(s)t eben kein(e) Rösti.

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