1959 galten solche Reglemente als üblich und waren gesellschaftlich anerkannt. Heute erscheinen sie aus pflegerischer Sicht, aber auch bezüglich der Wortwahl als undenkbar. Diesen Eindruck bestätigt auch der Geschäftsführer der Stiftung St. Wolfgang, Ivo Zumwald: «Ich sage immer, die Würde eines Menschen ist stets vorhanden, auch wenn er körperlich und geistig nicht mehr so fit ist.» Dieses Verständnis für die Heimbewohnenden leben alle rund 300 Mitarbeitenden; dies bei der Pflege und Betreuung, im Gastro- und Infrastrukturbereich wie auch in der Administration. «Unsere Mitarbeitenden haben ein soziales Denken und ein ebensolches ‹Gspüri›.»
Anfänge im 19. Jahrhundert
Von solcher Umsorgtheit dürften die Kinder, die am 16. März 1871 erstmals im Weiler St. Wolfgang bei Düdingen einzogen, nur geträumt haben. Die heutige Stiftung war damals «nur» eine Waisenanstalt, mit dem Ziel die Insassen zu «seligen und rechtschaffenen Menschen» zu erziehen. Der Bedarf nach Plätzen war gross, schon um 1900 fanden rund 250 Kinder Schutz vor der damals rauen Welt. 1907 entstand dann das Waisenhaus St. Wolfgang, ein massiver Back- und Sandsteinbau mit breiten Treppen im Innern. Die Zimmer boten Platz für drei bis vier Bewohnende, ausgestattet waren sie mit Sanitäranlagen und Heizungen. 1955 erfolgten in den bisherigen Räumen schliesslich der Umbau und die Umwandlung vom Kinderheim in ein Altersheim. Vorhanden waren vorerst 40 Plätze, und zwar nur für Männer, die laut Zeitzeugen einen «verwahrlosten» Eindruck machten. Ab 1984 wohnten dann ebenso Frauen mit im Gebäude.
Grenzen annehmen
Heute finden sich an den aktuell fünf Standorten zwar weder elternlose Kinder noch verwahrloste «Chnörz» oder autoritäre Pflegerinnen. Doch was damals wie heute gleichblieb, ist für viele wohl die grosse Veränderung, die der Eintritt bedeutet. Im Vergleich zu früher geht man heute damit aber bewusster um: Denn egal ob Geschäftsleitung, Personal oder Angehörige, ihnen allen liegt das Wohl der zu Pflegenden zentral am Herzen. Urplötzlich können die Eltern oder Schwiegereltern beispielsweise nicht mehr zu den Grosskindern schauen. Oder ein älteres Ehepaar wird auseinandergerissen und alte, liebegewonne Gewohnheiten brechen so weg. Klar kann hier ein Pflegeheim nicht einen gleichwertigen Ersatz bieten. Dennoch sind dortige Strukturen darauf ausgelegt, den Aufenthalt so positiv wie möglich zu gestalten. Dazu tragen beispielsweise die jeweiligen Einzelzimmer bei, die von den zukünftigen Heimbewohnenden bis auf das Bett und das «Nachttischli» individuell möbliert werden dürfen. Tagsüber werden verschiedenste Aktivierungsmöglichkeiten angeboten, wie etwa singen, basteln oder auch Grillausflüge.
Gut gewählte Standorte
Einen Beitrag zum Wohlbefinden dürften wohl auch die vier attraktiven Standorte der Pflegeheime – Düdingen, Schmitten, Flamatt, Bösingen – und des Tagesheims, im Weiler St. Wolfgang bei Düdingen, liefern. So macht z.B. das Bösinger Pflegeheim einen geräumigen und hellen Eindruck. Vom Speisesaal und der öffentlichen Cafeteria aus sehen die Bewohnenden durch die grosse Fensterfront auf die von Weilern, Äckern und Wäldern geprägte Ebene in Richtung Chasseral. Genauso wie sich der Lebensstandard entwickelt hat, kamen auch pflegerisch neue Aufgaben hinzu: Externe Sterbehilfe gehört heute dazu, die entsprechenden Organisationen können vor Ort Begleitungen durchführen. Ein Prozess, der auch für das Personal nicht zu den einfachen gehört, weshalb es Schulungen von Fachleuten erhält. Während die Pflegenden also zum Teil sehr heikle Aufgaben übernehmen, bewerkstelligt der Geschäftsleiter mehrheitlich organisatorische wie personelle Aufgaben. Den Kontakt zu den Menschen findet er trotzdem: «Ich mache regelmässig die Runde in allen Häusern, Gespräche mit unseren Mitarbeitenden und auch den Angehörigen gehören dazu.»
Vorwärtsblicken
Keine Frage, mit ihrem menschlichen und zugleich zeitgemässen Zugang zu den Bewohnern bewegt sich die Stiftung St. Wolfgang auf der Höhe der Zeit. Gerade auch für die Zukunft, wenn geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen, dürfte sich dies auszahlen. Denn die «Boomer» haben ein anderes Verhältnis zu Pflegeeinrichtungen als vorherige Generationen: «Diese Jahrgänge dürften später ins Heim kommen, pflege-
intensiver werden und auch weniger lang bleiben», so Zumwald. Der Grund für diese Veränderung liegt in der anderen Erziehung, als sie noch deren Eltern erhielten, und diese Andersartigkeit betrifft auch die Arbeitswelt und den medizinischen Fortschritt. Der Nachfrage-Peak wird für das Jahr 2043 erwartet, bereits geplant sind deshalb rund zusätzliche 60 Pflegeplätze für den Sensebezirk und ab dem Jahr 2030. Diese Planung und Weiterentwicklung wird von allen betroffenen Institutionen im Sensebezirk zurzeit rege diskutiert und in Angriff genommen. Damit entspricht die Stiftung u.a. ihrem Stiftungszweck. Denn dieser verpflichtet sie zur Bereitstellung einer genügenden Zahl an Wohnmöglichkeiten (Betreuung und Pflege im Alter) für einen Anteil der rund 23’000 Personen, d.h. für die Hälfte des Sensebezirks. Eine erstaunliche Zahl, wenn man bedenkt, dass die heute tief verwurzelte Institution als Waisenhaus mit strengsten moralischen Vorstellungen entstand, die gerade mal 250 Kindern Schutz bot.