Der ehrwürdige Auskunftsdienst der PTT mit der Telefon-Nummer 111 wusste auf fast alle Fragen eine Antwort. Diese Dienstleistung wurde 85-jährig, den Leist Gurtenbühl gibt es seit 111 Jahren. Freundliche Auskunft erhält man auch hier, und zwar von Heinrich Summermatter, dem Präsidenten des Quartiervereins. Er entspricht dem Bild eines Vereinspräsidenten, der in seinem Amt aufgeht: umtriebig, fantasievoll und begeistert von dem, was er mitgestalten kann. Und eben auskunftsfreudig. «Das 100-jährige Bestehen haben wir ganz einfach verpasst; 110 Jahre fanden wir nicht so attraktiv, also feiern wir das 111.», begründet er die eher ungewohnte Jubiläumszahl. Seinen Rückblick in die Gründungszeit beginnt er mit der neusten Errungenschaft des Vereins, der Topothek, die im Rahmen der diesjährigen Feierlichkeiten offiziell eingeweiht wird. In dieser virtuellen Sammlung werden private historische Fotos oder Dokumente aus der Bevölkerung für die Allgemeinheit zugänglich gemacht. Dass es 16 Männer waren, die den Leist im Oktober 1911 in der Brauerei-Wirtschaft gegründet haben, ist dem Präsidenten natürlich bekannt, auch ohne das Gründungsprotokoll vorzulegen. Er tut es trotzdem, zu stark interessiert und fasziniert ihn die Geschichte seines Quartiers. Er kennt dieses seit dreissig Jahren und ist überzeugt: «Wenn man sich mit Geschichte befasst, werden Gespräche mit Menschen interessanter. Mit Geschichte lassen sich schöne Geschichten erzählen.»
Zusammenführen von Menschen
Schon zur Gründungszeit vom Leist war das Gurtenbühl ein kleines Quartier. Ein Arbeiterquartier mit Läden, Coiffeursalons und zahlreichen Handwerksbetrieben. «Viele Männer hatten Arbeit in der Brauerei», so Summermatter, «die Frauen arbeiteten oft in der Fabrik der Firma Dr. Wander, die in der Nähe ansässig war.» Das Quartier wuchs und, nachdem der besagte Firmeninhaber dem Gurtenbühl einen Kindergarten gestiftet hatte, war auch etwas für die Familienförderung getan. Der Leist hielt mit der stetigen Entwicklung des Quartiers Schritt. Die Zunahme seiner Mitglieder wurde in den Protokollen als riesiger Erfolg festgehalten, ebenso die Tatsache, dass viele Anliegen aus dem Quartier realisiert wurden. «Das ist auch heute so, obwohl die Zielsetzungen völlig andere sind», beantwortet er die Frage, ob ein Leist überhaupt noch nötig sei. «Wir engagieren uns für eine gute Lebensqualität im Gurtenbühl. Das Zusammenführen von Menschen und die Lancierung neuer Ideen sind unsere Hauptaufgaben. Ja, es braucht uns weiterhin.» Die Überzeugung, zeitgemässe Bedürfnisse aus der Gemeinschaft einzubringen, prägt die Aktivitäten des Vereins. Auch nach 111 Jahren. Es sei und bleibe ratsam, so der Präsident, vernetzt und mit geeinten Kräften etwas zu bewirken: «Das gilt insbesondere auch für Leute, die neu ins Quartier ziehen. Sie lernen andere Bewohnende kennen und erfahren viel über ihr neues Umfeld.»
Das Sommerfest als Höhepunkt
Summermatter betont, dass der Leist offen ist für alle, also auch für Nichtmitglieder: «Man kann mitmachen, muss aber nicht.» Mitgemacht haben auf Initiative vom Leist, dem heute 65 Haushalte angehören, auch jene, die seinerzeit gemeinsam den Spielplatz gebaut haben. «Er ist aber auch Ansprechpartner der Gemeinde, wenn es darum geht, gegenseitige Anliegen auszutauschen», führt er weiter aus und lobt die gute Zusammenarbeit mit den Behörden. Dank dieser sei vor ein paar Jahren der Brunnen auf dem Quartierplatz entstanden. Wann immer Projekte, Aktivitäten oder Ergebnisse verkündet werden sollen, tut das der Leist mit dem «Gurtebrüeler», seiner elektronischen Zeitung. Über das soziale Projekt der Nachbarschaftshilfe, das vom Ehepaar Vogel lanciert wurde, wird im Quartierblatt genauso informiert wie über bevorstehende Anlässe zum Jubiläumsjahr mit dem Sommerfest am 20. August als Höhepunkt. «Das Interesse dafür ist gross», sagt der Vereinspräsident voller Vorfreude, «alle, die wir nach Unterstützung fragen, machen mit.» Solche Anlässe bieten auch eine ideale Möglichkeit, von Bedürfnissen zu hören und daraus neue Ideen zu entwickeln, weiss Heinrich Summermatter aus Erfahrung. Und er weiss auch, woher seine Motivation kommt, sich für das Quartier zu engagieren: «Ehrenamtliche Arbeit braucht Zeit. Aber es bringt viel, weil vieles zurückkommt.»