Seit 32 Jahren unterrichtet Anna Müller die Mittelstufe. Weniger bekannt: Die sportliche 59-Jährige ist Ende April mit einer Silbermedaille aus Kanada zurückgekommen. «Ohne Fleiss kein Preis, sage ich meiner Klasse immer», lacht Anna Müller.
Curling liegt ihr im Blut, schon Eltern und Grosseltern betrieben diesen Sport. Sie erinnert sich: «Am Sonntag wurde der Frühstückstisch zur imaginären Curling-Bahn, Tassen und Gläser symbolisierten die Steine und das Haus. Stundenlang wurde über Taktik geredet.» Bis 21 spielte Anna Müller bei den Juniorinnen.
Vor 14 Jahren kehrte Anna Müller vorerst beim CC Schwarzwasser aufs Eis zurück. Seit zwei Jahren spielt sie im Team «Thun Regio Bluestone». Ihre Teamkolleginnen sind Skip Cristina Lestander, Irene Beck, Monika Gafner und Daniela Gygax. Die Bilanz lässt sich sehen: einmal Silber (2016) und zweimal Gold (2013, 2017) an den Schweizer Meisterschaften in der Kategorie Seniorinnen (ab 50 Jahre). Der diesjährige Titelgewinn berechtigte zur Teilnahme an der Weltmeisterschaft.
Viermal pro Woche auf dem Eis
Für ihren Traum haben sie hart gearbeitet und viel investiert. Ab August ein wöchentliches Training in Adelboden, ab Ende September dann Eistraining in Bern und Thun. Ab Oktober zweimal Training und zwei Spiele pro Woche, manchmal am Wochenende ein Turnier. «Ab und zu musste ich mich überwinden, abends um 20 Uhr noch nach Thun in die Eishalle zu fahren. Nach zwei Stunden Training kehrte ich erst um Mitternacht zurück und stand am nächsten Morgen vor der Klasse», gibt Anna Müller offen zu. Seltsamerweise verlief die Saison lange nicht gut, doch dann gelang es dem Team, zum richtigen Zeitpunkt die optimale Leistung abzurufen.
Harte Arbeit von Erfolg gekrönt
«Auf dem Papier hatten wir kaum eine Chance», gibt Anna Müller zu. In ihrer Gruppe waren die USA, Schottland und Finnland als Eliteteams gesetzt. Mit einem Sieg gegen die USA (ebenso im späteren Halbfinal) zogen die Schweizerinnen als Gruppendritte in die Playoffs ein. Anna Müller schmunzelt: «Im stillen Kämmerlein machten wir uns Mut und wollten in den Final gegen Kanada.»
Präzisionsspiel und Taktik
Curling ist ein taktischer Sport, bei dem Präzision und Beweglichkeit von enormer Bedeutung sind. Beim Wischen auf der 40 Meter langen Bahn kann man sowohl das Tempo wie auch die Richtung des Steins beeinflussen. Mit einem Curl (Drall), daher der Name Curling, lenkt man den Stein nach rechts oder links. Er wird nie gerade gespielt.
Im Breitensport werden acht End gespielt, jede Spielerin hat zwei Steine pro End. Der Skip bestimmt die Taktik. Am Ende eines Spiels werden die Verlierer vom Gewinnerteam eingeladen. Das gesellschaftliche Zusammensein zählt zu den Höhepunkten eines Turniers.
Curling geniesst in Kanada einen hohen Stellenwert, ist sogar Schuldisziplin. Die Zuschauer lieben diesen Sport. «Bei so viel Begeisterung spielen zu dürfen, das war ein eindrückliches Erlebnis», erinnert sich Anna Müller. Curling-Spieler sind überall gern gesehen. «Ich habe mich über zahlreiche Wünsche nach Selfies gefreut.»
«Ich finde es schön, auf dem Höhepunkt aufhören zu können», meint Anna Müller nachdenklich. Für sie war diese Weltmeisterschaft der krönende Abschluss. Dies auch mit Rücksicht auf die körperliche Belastung. Tage mit vier bis fünf Stunden auf dem Eis fordern ihren Tribut. «Ich freue mich aber schon aufs ‹Plauschcurling›», schmunzelt sie verschmitzt. Schliesslich gibt es bei den Veteranen noch Spieler über 80 Jahre.