Was über allem stehen sollte, sind nicht nur die herausragenden Leistungen von Schwingerkönig Armon Orlik oder die imposanten Ausmasse von Muni «Max», der neuerdings in Uri steht. Nein, vielmehr sind es die unzähligen kleinen und grossen Freuden, die mit dem ESAF 2025 einhergehen. 274 Athlethen, die in dem mit 56‘500 Personen gefüllten weiten Rund Sport, Spektakel und Spannung zeigten, wie es kaum ein anderer Sport zu tun vermag. Ein Gastgeber, der mit Herzblut ein Volksfest für 350‘000 Besuchende stemmte, Schwingfans, welche diese Kulisse mit einer Stimmung füllten, vor der jeder Fussballklub vor Neid erblassen würde.
Gleiches gleich bewerten
Wermutstropfen gibt es aber leider auch. Dass Kampfrichter einen schwierigen Job haben und sicherlich alle ihr Bestes geben, sei an dieser Stelle explizit erwähnt. Aber je länger das Fest läuft, desto häufiger fallen im Sägemehl in den Spitzenpaarungen umstrittene Entscheide. Davon betroffen sind mehrere Schwinger aus mehreren Teilverbänden: vom ehemaligen Schwingerkönig Joel Wicki über Fabian Staudenmann bis zu Samuel Giger und weiteren Topfavoriten, die zurückgeworfen werden. Die damit verbundenen Diskussionen will SRF-Moderator Sascha Ruefer lange nicht so recht aufgreifen und betont, wie schwierig das alles für die Kampfrichter sei. Erst als die Berner einen Rekurs einlegen, im Wissen, dass dies am Ausgang nichts ändern würde, wendet sich das Blatt in den Reihen des SRF-Moderationsteams. Nur Jürg Abderhalden, der mittlerweile als TV-Schwingexperte zurückgetreten ist, hält sich vornehm zurück und hat Mühe, die Berner zu thematisieren, viel lieber spricht er über die Ostschweizer. Es ist schliesslich Matthias Sempach, der klare Worte findet: «Es hat viele Fehlentscheide gegeben. Es war noch nie so offensichtlich wie an diesem ESAF.» Und Christian Stucki pflichtet ihm bei. So als wäre es die allein seligmachende Lösung, debattieren die Medien einzig darüber, ob es den Videobeweis im Schwingen braucht. Dabei gäbe es auch andere Ansätze zu diskutieren. Etwa jenen, ob man sich zukünftig nicht mehr bemühen sollte, Gleiches auch gleich zu benoten. Wie viel Rücken muss im Sägemehl sein, damit das Resultat gilt, was tun, wenn nicht klar ist, ob der Schwinger noch den Griff an der Hose hat? Wie beurteilt man die Situation, wenn erst das eine, dann das andere Schulterblatt im Sägemehl ist? Eine klare Linie hätte am ESAF enorm geholfen.
Die Berner Bösen
Der Makel ist herausgestrichen und nun sollten sich die Medien wieder zurückziehen und dem Verband die Möglichkeit geben, über die Bücher zu gehen und sich zu verbessern. Also weg von der Analyse hin zum wichtigsten Teil des ESAF, dem Schwingsport. Der Schwingklub Schwarzenburg bringt zwar den Königstitel nicht ins Gebiet, hat aber mit Fabian Staudenmann auf Rang 2 und Michael Ledermann auf Rang 4b das beste Klubresultat. Kein anderer Schwingklub hat zwei Schwinger in den Top vier. In dem Sinne gewinnen die Schwarzenburger sozusagen den Klub-Königstitel. Die beiden Protagonisten Staudenmann und Ledermann haben am Sonntag im Gleichschritt alle vier Kämpfe gewonnen, beide mit je zwei 10ern und zweimal 9.75. Das gelang sonst niemandem. Fabian Staudenmann hatte sechs Eidgenossen auf dem Notenblatt, darunter mit Giger und Schlegel zwei der Topfavoriten. Gleich viele Eidgenossen hatten sonst nur Werner Schlegel und Joel Wicki. Der Schlussgang wäre für den Guggisberger Athleten nicht gestohlen gewesen, die Niederlage am Samstag gegen Schlegel hätte gerade so gut als Sieg von Staudenmann gewertet werden können, eine schwierige Entscheidung. Noch härter das Verdikt am Sonntag gegen den über 150 kg schweren Domenic Schneider. Wenn man diesen Brocken hochhebt und zu Boden donnert und trotzdem keine 10 bekommt, stellt sich fast ein wenig die Frage, ob es physikalisch überhaupt möglich ist, diesen Koloss noch klarer auf den Rücken zu legen? Michael Ledermann aus Mamishaus beginnt verhalten und gewöhnt sich am Samstag nach langer Verletzungspause wieder an den Wettkampfrhythmus, um dann am Sonntag zum grossen Schaulaufen anzusetzen. So stark aus einer Verletzung zurückzukehren macht deutlich, dass Ledermann ohne Verletzung zweifelsohne zu den Topfavoriten gezählt hätte. Auch der Riggisberger Nicolas Zimmermann beginnt bärenstark und liegt zusammen mit Staudenmann am Samstag noch auf Rang neun. Doch im Gegensatz zu Staudenmann, der daraufhin vier Kämpfe gewinnt, muss Zimmermann nach einem Auftaktsieg und grossen Chancen auf den Eidgenossen am frühen Sonntagmorgen gegen den Eidgenossen Pirmin Reichmuth eine Niederlage einstecken und bleibt in der Folge sieglos. Das Potenzial hat Zimmermann aber definitiv aufblitzen lassen. Weniger nach Wunsch läuft es für Severin Schwander. Der Riggisberger gewinnt am Samstag nur einen Kampf, beweist am Sonntag aber Moral und arbeitet sich noch ein wenig vor. Die Berner Runde wäre nicht abgeschlossen, wenn man nicht auch aus Schwarzenburger Sicht die Erfolge weiterer Berner erwähnen würde: Michael Moser wird seiner Favoritenrolle trotz seinen zarten 20 Jahren gerecht und wird am Schluss 3. und damit bestplatzierter Neukranzer der Schweiz. Für den viertplatzierten Routinier Matthias Aeschbacher fehlte ebenfalls wenig. Hätte er am Sonntag seinen Kampf gegen Matthias Herger nicht verloren, wäre er ebenfalls ein Kandidat für den Schlussgang geworden. Und so etwas wie der Berner Publikumsliebling wird Fritz Ramseier. Der Emmentaler kürt sein Karriereende mit dem Eidgenossentitel und es brauchte fünf Eidgenossen auf seinem Notenblatt, um ihn ein wenig auszubremsen.
Die Seisler
Bei den benachbarten Deutschfreiburgern hält vor allem Steven Moser lange weit vorne mit. So gut, dass er am Samstag noch auf dem vierten Rang liegt. Am Sonntag servieren die Einteiler den späteren Schwingerkönig Armon Orlik zum Frühstück, die Niederlage bremst den Seisler aus Rechthalten ein wenig aus. Den anderen Seislern gelingt das Fest nicht ganz nach Wunsch, dennoch lassen sie gemeinsam aufblitzen, dass sie auch mal einen Brocken ins Sägemehl drücken können. Auf diese Seisler Truppe darf man in der nächsten Saison gespannt sein.
Das ESAF 2025 ist Geschichte und wird zur Geschichte. Mit einem Schwingerkönig Armon Orlik, der gar nicht im Schlussgang stand und dennoch verdient gekrönt wird; mit einem Kapitel über schwierige Kampfrichterentscheide, mit einem starken Berner Mannschaftsresultat, speziell dank zweier Schwarzenburger Aushängeschilder, und einem rundum gelungenen Riesenfest. Den Schwingern sei die wohlverdiente Winterpause gegönnt, aber bitte nicht zu lange. Die Vorfreude auf die Saison 2026 steigt schon. Und es sei aus der Perspektive einer hiesigen Regionalzeitung gestattet, zu wünschen: dann hoffentlich ohne Ostschweizer Oberhand und Berner Bitterkeit.
Die Heldensammlung
Die Könizer Zeitung | Der Sensetaler verteilt Heldentitel statt Kränze.
Heimlicher Held
Michael Ledermann, der sich von den Kameras oft ungesehen an die Spitze pirschte und das nach einer langen Verletzungspause.
Tragischer Held
Fabian Staudenmann verpasst um einen Viertelpunkt den Schlussgang und das Notabene nach einem Kampfrichterentscheid im 7. Gang gegen Domenic Schneider, den man sicherlich auch mit einer glatten 10 hätte belohnen sollen. Frust? Trauer? Ja, aber kein einziges deplatziertes Statement, stattdessen Dankesworte an die Entourage. Ein absoluter Vorbildsportler.
Heldenklub
Der Schwingklub Schwarzenburg platziert zwei Schwinger in den Rängen zwei und vier. Keinem anderen Schweizer Klub ist es gelungen, gleich zwei Schwinger in die Top 4 zu bringen.
Kleiner grosser Held
Er ist nicht der grösste Schwinger, aber dafür pocht ein Riesenherz in seiner Brust. Der Emmentaler Fritz Ramseier krönt sein Karriereende mit dem Eidgenossenkranz. Und es brauchte schon fünf Eidgenossen auf seinem Notenblatt, um ihn ein wenig auszubremsen. Am Samstag hatte man das Gefühl, er lege alles auf den Rücken, sogar Muni «Max».
Westschweizer Held
Etienne Burger wird Neukranzer und ist mit Rang 7e als Berner gleich auch bester Schwinger aus der Romandie.
Hoffnungsvoller Held
Nicolas Zimmermann verpasst zwar nach einer guten Saison den eidgenössischen Kranz, hat aber gezeigt, dass er das Zeug dazu hat. Mit 24 Jahren hat er noch genügend Zeit, auf seinen Erfolgen aufzubauen. Man darf gespannt sein.
Seisler Held
Steven Moser steht nach dem ersten Tag auf dem vierten Zwischenrang – gleichauf wie ein gewisser Joel Wicki. Erst nachdem er am Sonntag gegen den späteren Schwingerkönig Armon Orlik verliert, reisst der Faden ein wenig.