Ob denn die Umkehrung seines Namens in «Scheuner Christian» angebrachter wäre? «Nein», stellt er klar, «der Hinweis zum aktiven Schwinger wäre für mich nicht richtig, ich beschränke mich auf das Zuschauen bei mehreren Festen pro Saison.» Dafür spielt er Eishockey bei den lokalen «Ice Hornets».
Der harte Eishockeysport wird doch wohl nicht der Ersatz sein für solche, die zu schwächlich zum Schwingen sind, oder? «Das dann schon nicht», antwortet Christian Scheuner, «aber der Schwingsport hat sich zu einem Spitzensport für durchtrainierte Athleten entwickelt.» Die Veränderung habe nicht nur im sport-
lichen Bereich stattgefunden, sondern auch in der Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit. «Und natürlich», fährt er fort, «auch im kommerziellen Bereich.»
Das Schwingen ist also eindeutig angekommen in der breiten Gesellschaft. Eine kleine Auswahl an Zahlen und Fakten im Hinblick auf den Hosenlupf in Oberbalm bestätigt dies. Etwa 6000 Zuschauer, 180 Schwinger, 400 Helfer, 15 OK-Mitglieder, 1 Muni. Dieser wird erst gegen Ende der Veranstaltung auf dem Gelände erwartet und gehört dem Sieger. Zwei Rinder, ein Fohlen und ein Kalb sind die weiteren Lebendpreise für die Ränge zwei bis fünf. Ab diesem Rang gibt es die Gaben, bereitgestellt im Gabentempel. Dieser wird bereits am Mittwoch vor dem Schwingfest durch das Gabenkomitee eröffnet. «Dazu», so Christian Scheuner, «müssen noch die Zweige für die Jungschwinger und die Kränze für die Aktiven besorgt werden.» Damit spricht er eine dieser Besonderheiten des Schwingsportes an, die für Aus-
senstehende nur schwer durchschaubar sind. Keine Preise oder gar Preisgelder, dafür Gaben. Diese sind nicht zugesprochen, die Schwinger ab Rang 5 finden sich nach dem Fest entsprechend ihrer Platzierung im Gabentempel ein und jeder entscheidet, welche Gabe er will. Andere Sportarten kennen den Final zur Ermittlung des Siegers als Abschluss eines sportlichen Anlasses, der Verlierer dieses Finals wird Zweiter. Nicht so beim Schwingen, hier wird der Schlussgang geboten und der Verlierer des Schlussganges kann nicht davon ausgehen, Zweiter des Festes zu werden. «Tatsächlich», bestätigt Christian Scheuner, «das Regelwerk ist eine komplizierte Angelegenheit.» Während des Festes wird er denn auch vornehmlich im Rechnungsbüro anzutreffen sein. Dort fliessen die Notenblätter zusammen, die Punkte werden in Tabellen eingetragen, daraus entstehen die Ranglisten, und das Einteilungsgericht legt die nächsten Gänge fest.
Noch ist es aber nicht so weit in Oberbalm. Berechnet hingegen wird schon seit einiger Zeit. Am 29. April wird das Sägemehl geliefert. Dann ist Christian Scheuner mit seinem Team gefordert. Das Sägemehl wird auf dem Areal verteilt, mit Wasser versetzt und gewalzt. Während des Fests werden die fünf Ringe im Stundentakt wieder in Form gebracht.
Erstes Kranzschwingen
im Kanton
Die hohe zeitliche Belastung akzeptiert Christian Scheuner als Selbstverständlichkeit. Schliesslich sei es ein Grossereignis, gerade für eine kleine Gemeinde. «Dafür lohnt es sich», fasst er diesen Punkt kurz und bündig zusammen.
Wo ist eigentlich der sportliche Wert des Mittelländischen im nationalen Vergleich anzusiedeln? «Dieser ist respektabel. Es ist das erste bernische Kranzschwingen in einer Saison, in der als Krönung das Eidgenössische in Estavayer ansteht.» Er erwähnt die hohe Dichte guter Schwinger im Kanton Bern und nicht ohne Stolz die zehn Eidgenossen – also Kranzgewinner an einem Eidgenössischen – die bereits für Oberbalm gemeldet sind.
«Und wer weiss», wagt Christian Scheuner einen freudigen Ausblick, «vielleicht werden wir hier den künftigen König am Werk sehen.» Dann hätte Oberbalm sozusagen einen König. Für alle Zeiten. Denn der Ausdruck «ehemaliger Schwingerkönig» existiert nicht. König bleibt König.