Damit das Gespräch nicht in die Langweiligkeit vorgefasster Fragen à la Sportreporter abrutscht, haben die abtretenden Gemeinderäte in einem Gespräch analysiert, reflektiert und philosophiert – mit Herzlichkeit statt politischem Kalkül. Oder getreu dem Motto: «Was ich noch sagen wollte.»
Hans-Peter Kohler: vom Durchnittsschüler zum Professor
«Ich wäre kein guter Strassenbauer gewesen», überrascht etwa der Direktionsvorsteher Bildung und Soziales. Eine Aussage, mit der Hans-Peter Kohler auf sein Doppelmandat als Grossrat und Gemeinderat anspielt. Denn seine Direktion beschäftigt sich mehrheitlich mit Themen, die kantonal geregelt sind. So konnte Hans-Peter Kohler die Ebenen verbinden und die Herausforderungen stets ganzheitlich betrachten. «Bildung hat mich schon immer interessiert, denn mein eigener Berufsweg hat mich geprägt», gibt er zu und fügt mit einem Lächeln an: «Ich war ein schlechter Sekundarschüler.» Und Jahre später ist er dennoch Professor der Medizin. Nach seiner Lehre als Radio- und TV-Elektroniker holt Kohler die Matura nach, studiert Medizin, doktoriert, schreibt schlussendlich seine Habilitation und wird Professor für Innere Medizin. Ein Weg, der geradezu idealtypisch die Stärke des schweizerischen, durchlässigen Bildungssystems zeigt.
Doch was bewegte den damaligen Direktor des Tiefenau-Spitals, das Stethoskop an den berühmten Nagel zu hängen und beruflich als Gemeinderat in die Politik einzusteigen? «Ich empfand es als Privileg, quasi als dritten Bildungsweg, mit 58 Jahren für Urs Wilk nachzurücken», sagt er. Das Interesse an der Politik entfacht e erst spät, mit über 40 Jahren. Ein Auslöser für sein Interesse sei die Nationalrätin Christa Markwalder (FDP) gewesen. Am «Dies academicus (lat. für akademischer Tag) kommt er mit der Freisinnigen ins Gespräch, weil er für die FDP-Gesundheitskommission vorgeschlagen worden war. «Vorher hätte ich nicht mal alle Bundesräte aufzählen können», sagt Kohler lachend. Das änderte sich nun rasend schnell. Mit derselben Beharrlichkeit, mit der ihn sein Weg an die Medizinalspitze führte, arbeitete er sich auch in der Politik nach oben. Im Gespräch will der abtretende Gemeinderat aber noch einmal zurück zu seinem Stethoskop. Ihm fehlt noch eine wichtige Aussage: «Ich habe dieses nicht an den Nagel gehängt, sondern meiner Tochter übergeben, die es heute als Ärztin verwendet.» So, das musste ein stolzer Vater noch sagen dürfen.
In den acht Jahren als Gemeinderat prägt eine Zeit sein Amt wie keine andere: die Corona-Pandemie. Man darf die Hypothese aufstellen, dass Kohler vermutlich der medial präsenteste kantonale Politiker war. Er erinnert sich zurück: «Ja, ich war bis zu dreimal in der Woche bei Tele-Bärn zu Gast.» Als Arzt, Bildungsvorsteher der viertgrössten Gemeinde und Präsident der Gesundheits- und Sozialkommission des Grossen Rats war er geradezu prädestiniert dafür. Als erster Direktionsvorsteher führte er die Maskenpflicht für Lehrerinnen und Lehrer an Schulen ein und setzte den Regierungsrat damit gehörig unter Druck. «Viele Gemeinden kamen damals auf uns zu und liessen sich beraten», erinnert er sich. Videobeiträge entstanden und Köniz war für einmal aufgrund der damals schwierigen finanziellen Situation nicht in der Negativpresse, sondern positiv als Vorzeigegemeinde. Kohler sei Dank. Doch Kohler verdient noch einen anderen Übernamen: Mister Ganztagesschule. «Die Vereinbarung von Familie, Beruf und Bildung ist heute wichtiger denn je», begründet er sein Engagement. Heute ist die Ganztagesschule ein Erfolgsmodell oder wie Kohler es sagt: «Es muss einen pädagogischen Mehrwert haben und der ist hier, durch die konstante Betreuung den ganzen Tag, gegeben.» Natürlich liesse sich sein Leistungsnachweis noch beliebig ergänzen, etwa mit den Betreuungsgutscheinen, die Köniz als erstes im Kanton eingeführt hat, oder zuletzt noch mit der Einführung einer professionellen Schulführung, um die heutigen, erschwerten Herausforderungen besser zu bewältigen. Doch sollen ihm zuletzt noch die etwas persönlicheren Zeilen gewidmet sein, jene, die den schon fast professionellen Funkamateur beschreiben, den reisefreudigen und umtriebigen Generalsekretär der «International Society of Internal Medicine». Den 66-Jährige hat in all seinen Lebenslagen immer eines ausgemacht: «Es kümmert mich wenig, was andere sagen.» Kohler diagnostiziert mit Ehrlichkeit und behandelt mit Pragmatismus. Ein politisches Rezept, das dringend Nachahmer sucht, denn «Es gibt viel zu wenig Ärzte in der Politik», bedauert er. Dem darf man nach acht Jahren Gemeinderat Hans-Peter Kohler voll und ganz zustimmen. Seine Operation «Gemeinderat Köniz» darf man zurecht als gelungen bezeichnen.
Christian Burren: der Anpacker vom Dienst
Stuhlwechsel. «Wer unzufrieden ist, wird eingeladen.» Diese Aussage des Direktionsvorstehers Planung und Verkehr beschreibt sein Wesen und sein Wirken geradezu idealtypisch. Christian Burren hat die Schaffenskraft aus der Landwirtschaft in die Politik transportiert. Tun, was getan werden muss, ungeachtet dessen, ob man damit einen Schönheitspreis gewinnt oder angemurrt wird. Wechselt man aber von der Aussensicht in die Innenwahrnehmung, dann wird der Wert dieser Einstellung offensichtlich. Mit Burren ist «gut Kirschen essen». Immer mehr wird er im Hintergrund direktionsübergreifend eingesetzt, um Probleme und Krisen der Zeit zu lösen. So etwa, als er 2022 die Finanzen von der damaligen Präsidentin Annemarie Berlinger übernahm. «Ich hatte einen guten Draht zu ihr, es ging darum, dass wir uns gegenseitig unterstützen», erinnert er sich. Lange Zeit ging das gut und niemand merkte etwas davon. Als die Öffentlichkeit das mitbekam, sah sie in Burren eine Art Rudelsführer. «Das hat mir weh getan, ich wollte nie im Vordergrund stehen, sondern einfach mithelfen.» Doch die öffentliche Wahrnehmung wandelt sich. Die Beliebtheit Burrens in der Verwaltung sowie seine Bereitschaft, anzupacken, spricht sich herum. Auch einige Jahre später übernimmt er ad intermin Aufgaben einer anderen Direktion. «Was mir nach acht Jahren Gemeinderat fehlen wird, ist nicht die Politik, sondern die Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe.» Burren lobt die Verantwortungsträger gleich aus drei Direktionen, mit denen er zu tun hatte. Er zückt die Worte «ausserordentlich gute Personen». Die Wertschätzung ist kein politisches Kalkül, sondern grundehrlich. «Man kann nur Ziele erreichen, wenn man ein Team hat, das gerne für einen arbeitet», stellt er fest.
Vielleicht gerade deshalb hat Burren viele Ziele erreicht und wird in den Geschichtsbüchern der jüngeren Könizer Politik Einzug finden. Bestes Beispiel ist die Steuererhöhung, die 2023 eingeführt wurde. Im Hintergrund hat der mittlerweile 59-Jährige viel zur parteiübergreifenden Einigkeit beigetragen. Klar, als SVPler, der für eine Steuererhöhung ist, wird auch da die Aussenwahrnehmung nicht in allen Ecken der Gemeinde schmeichelhaft ausgefallen sein. «Die hohe Verschuldung fing mit der Steuersenkung vor 15 Jahren an. Lange hielt das der damalige Gemeinderat unter dem Deckel, weil man einfach viele Sanierungen und Erneuerungen liegen liess. Noch heute müssen wir diesen Missstand bezahlen. Um aus dieser Not herauszufinden, war eine moderate Steuererhöhung unumgänglich», fasst Burren nochmals zusammen. Und ja, einem SVP-ler glaubt man das in gewissen Kreisen ein wenig mehr als einer Sozialdemokratin. «Wir sind den Wählerinnen und Wählern gegenüber verpflichtet, den besten Weg zu gehen und nicht den attraktivsten», fügt er an.
Mit dieser Einstellung packt man zwar die Probleme an, politisch riskiert man aber stets eine Angriffsfläche. Davon liess sich Burren aber nie beeindrucken: «Ich bin ein schlechter Verkäufer. Mein Interesse galt einem Laden, der läuft, und weniger der politischen Wahrnehmung.» «Tue Gutes und schweig darüber», könnte man den Spruch auf ihn adaptieren. Hat er zu wenig für die Aussenwahrnehmung gemacht? Mit dem Verkehr, der Baupolizei und der Raumplanung führte er selbst drei Abteilungen, die nah am Puls des Lebens stehen. «Und da bin ich Hüter der Reglemente und muss mich daran halten. Wenn also ein Architekt das Baureglement nicht gut kennt, sind die Enttäuschungen gross», nennt er ein Beispiel. Typisch Burren ist aber auch, dass er sich an Positivem orientiert und daraus Zuversicht schöpft. «Wir haben raumplanerisch grosse Herausforderungen, ja. Aber wir haben 50 ha Bauland, das darf man ruhig auch mal sagen.» Doch der SVPler in ihm erwacht gleichzeitig bei dieser Aussage. Das Wachstum besorgt ihn auch und er warnt. «Man muss überbauen, was eingezont ist, aber alles andere muss grün bleiben, das ist wichtig. Verdichten und überbauen in Bahnhofsnähe, den ländlichen Teil hingegen unbedingt erhalten.»
Der rote Faden durch die achtjährige Gemeinderatszeit von Christian Burren heisst «Anpacken, egal wo und weshalb». Sein Verdienst ist, dass er nicht nur 20 Jahre in der freiwilligen Feuerwehr war, sondern auch mehrmals als Feuerwehr im Gemeinderat auftrat. «Schlechtes muss man als Botschaft mitteilen, mit einer Erklärung. Dann schmiedet man den Kompromiss, der dann gelungen ist, wenn alle eine mittlere Unzufriedenheit haben», sagt er lachend. Politisch ist man damit nicht immer beliebt. Vielleicht ist das mit ein Grund, weshalb er kein politisches Mandat mehr sucht. Vielmehr freut er sich nun, wieder vermehrt bei seinem Sohn auf dem landwirtschaftlichen Betrieb anpacken zu können und zusammen mit seiner Frau die neue Wohnung zu geniessen.
Hansueli Pestalozzi: der Zukunftsbauer
Velo-Sattel-Wechsel. «Ich war einmal Alphirte.» Nein, den smarten Denker der Grünen würde man nicht auf Anhieb zwischen Rindern in stotzigem Gelände vermuten. Aber genau solches erfährt man eben, wenn ein Gemeinderat nach acht Jahren zurücktritt. «Bis heute bin ich vom ländlichen Teil fast noch ein wenig mehr fasziniert als vom städtischen in Köniz, vielleicht hängt das mit dieser Vergangenheit zusammen», sagt er lachend.
Doch der Reihe nach. Eigentlich kommt der Nebensatz über die Alp in einem anderen Zusammenhang: «In Köniz sind Veränderungen eine Konstante. Was sich in den vergangenen Jahren verändert hat, ist, dass das Parlament selbstbewusster geworden ist. Die Gemeinde selbst ist nicht mehr in dieser finanziellen Negativspirale, man spürt die Aufbruchstimmung, man getraut sich, in die Zukunft zu schauen.» Und schon ist man mitten in Pestalozzis Schaffen. Viele seiner Handlungen beschäftigen sich mit dem Köniz von morgen. «Ein grosser Auftrag des Parlaments ist das Ziel Netto-Null bis 2035 für die Gemeindeverwaltung und für die Gemeinde bis 2045. Wir haben ein umfangreiches Klimamassnahmenpaket erstellt.» Ein wesentlicher Teil besteht darin, den Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern Möglichkeiten zu bieten, sich an ein Fernwärmenetz anzuschliessen, insbesondere in den dicht bebauten Gebieten, da es dort schwieriger ist, eine Öl- oder Gasheizung zu ersetzen. «Da braucht es Wärmeverbünde. In meiner Amtszeit wurde mit dem Bau von fünf Verbünden begonnen, einige sind bereits in Betrieb», freut sich der Direktionsvorsteher Umwelt und Betriebe. Auch in der Mobilität laufen viele Projekte und nicht ohne Stolz stellt der 62-Jährige fest: «Die kantonalen Zahlen zeigen, dass wir mit der CO2-Absenkung auf Kurs sind.» Ein grosser Unterschied zu vielen anderen Gemeinden. Doch nicht alles, was er anpackt, stösst auf Gegenliebe. So stiess die Idee von «Grün Köniz», wonach die Gemeinde eine eigene Gärtnerei und Friedhofsgärtnerei betreiben wollte, auf heftigen Widerstand der KMU und schliesslich auch des Parlaments. «Ich wollte die Biodiversität auf Friedhöfen und Pärken steigern, um die Artenvielfalt zu fördern», nennt er einen Beweggrund, der ihm auch in anderen Bereichen wichtig ist. «Nun haben wir die naturnahe Pflege und die Biodiversitätsförderung als wichtigen Bestandteil in die Ausschreibungen aufgenommen und die Gärtnerbetriebe kümmern sich darum», sagt er pragmatisch. Typisch Pestalozzi. Ressentiments kennt er keine. «Nachtragend» ist für ihn ein Fremdwort. Ein Gemeinderat, der hinhört und vor allem hingeht. Letzteres attestiert ihm auch das Parlament. Etwas zugespitzt darf man sagen, er ist der treuste «Insasse» bei den Parlamentssitzungen. «Für mich ist es eine schöne Tradition, an Parlamentssitzungen dabei zu sein und die Stimmungslage zu spüren, selbst wenn man keine eigenen Geschäfte vertreten muss.»
Vielleicht ist es seine Leichtigkeit, mit Veränderungen, anderen Meinungen und Ansichten umzugehen, die geholfen haben, Projekte wie die neue Abfallbewirtschaftung mit der 14-tägigen Papierabfuhr effizient umzusetzen. Oder die Ausweitung der Sense in der Sensematte zuzulassen, wo Hochwasserschutz und Verbauungsmassnahmen ins Gleichgewicht gebracht werden mussten, das Projekt «Modelldorf Mittelhäusern» mit 100 % Versorgung aus erneuerbarer (Solar-)Energie und nicht zu vergessen sein umfangreiches Floreninventar, zu dem viele Freiwillige beigetragen haben. «Jetzt wissen wir, dass es in Köniz eine erstaunlich hohe Biodiversität bei den Pflanzen gibt, zu der wir Sorge tragen müssen. Oder wussten Sie, dass auf Gemeindeboden 17 verschiedene Orchideen-Arten wachsen?» Es sind genau solche Projekte, die Hansueli Pestalozzi antreiben. Die Verbindung von Wissenschaft, Politik und konkreten Projekten ist es, die ihn auch nach der Gemeinderatszeit motivieren wird, aktiv zu bleiben. In welcher Form lässt er noch offen. «Als erstes nehme ich mir ein halbes Jahr Auszeit und gehe auf Reisen», freut er sich. Und es sind viele, die ihm das von Herzen gönnen werden.
Und die Gemeinsamkeit dieser drei abtretenden Herren? Die gibt es. Hans-Peter Kohler, Christian Burren und Hansueli Pestalozzi haben Köniz bewegt. Mehr noch: vorwärts gebracht. Im doppelten Sinne darf man deshalb zum Schluss festhalten: Sie gehen – mit der Zeit.


