«Wir brauchen ihn. In unserem kleinen Team fehlt eine vollwertige Arbeitskraft. Das ist ein massiver Eingriff in unseren Betrieb», sagt der 60-jährige Lehrmeister. Hausi Mäder ist von der Regierung enttäuscht.
Zumutbar?
Alleine im Kanton Bern sind über 100 solcher Fälle bekannt. Allesamt Lehrlinge, deren Verfahren noch nach dem alten Asylgesetz bearbeitet wird, die sich integriert haben, eine Lehre gefunden haben und nun ihre Ausbildung abbrechen müssen. Mehrere Versuche scheiterten bisher, den Bundesrat auf das Problem aufmerksam zu machen. «Eine glaubwürdige und konsequente Asylpolitik setzt voraus, dass abgewiesene Asylsuchende die Schweiz auch tatsächlich verlassen. Dies gilt ebenfalls, wenn während des Asylverfahrens eine berufliche Grundbildung in der Schweiz begonnen wurde. Zur Ausreise verpflichtet sind Personen, bei denen der Vollzug der Wegweisung möglich, zulässig und zumutbar ist», heisst es in der Stellungnahme des Bundesrates.
Amiri hat eine Flucht hinter sich, in der er als Jugendlicher inhaftiert wurde, tagelang ohne Essen und Wasser unter einem Lastwagen versteckt war, mit einem Ruderboot auf dem Mittelmeer unterwegs war und vor Durst aus Pfüzen trinken musste. Geflohen vor den Taliban, die seinen Vater erschossen haben und nach wie vor tagtäglich weitere Menschen ermorden. Seit seiner Ankunft in der Schweiz lernt er Deutsch und bemüht sich um seine Integration. «Solche Menschen schmeisst man nicht einfach raus, das System ist falsch», sagt der Käser. Als SVP-Mitglied ist er kein Sympathisant von endlosen Flüchtlingsströmen in die Schweiz, aber sehr wohl davon, dass gut integrierte Menschen eine Chance erhalten. Mit diesem System werden zukünftige Steuerzahler in die Nothilfe gezwungen, was wiederum Kosten verursacht. Das versteht Mäder nicht.
Lehrling gesucht
«Wir bräuchten diese Menschen dringend», weiss er aus eigener Erfahrung, denn seit einigen Jahren findet er kaum Lehrlinge mehr. Die für Weichkäse mit Naturpark-Siegel regional beliebte Käserei suchte verzweifelt nach Auszubildenden. Ghulam Amiri kam da wie gerufen. Seit 15 Monaten arbeitet er in der Käserei. «Er ist einer der besten Lehrlinge, die ich jemals hatte», sagt der Lehrmeister bestimmt. Worte wie pflichtbewusst, selbstständig, wissbegierig, fleissig und von allen geschätzt fallen beim erfahrenen Käser und werden bestätigt, wenn man den jungen Afghanen reden hört: «Es war schon immer mein Traum Lebensmittel herzustellen. Ich wollte so etwas lernen, etwas, das ich bis an mein Lebensende machen kann.» Trotz der misslichen Situation entsendet Amiri mit diesen Worten ein warmherziges Lächeln und ergänzt: «Ich habe der Familie Mäder so viel zu verdanken, ich lerne viel und das macht mich glücklich.»
Ein Loch entsteht
Etwas versteht Amiri aber überhaupt nicht: «Ich kenne Menschen, die kriminell geworden sind und trotzdem noch hier sind.» Dennoch verliert der junge Mann mit dem sympathischen Lachen kein schlechtes Wort über sein Schicksal. Es ist auch das Schicksal der Käserei in Mamishaus. Sie verliert einen allseits geschätzten Mitarbeiter. 3,3 Millionen Liter Milch werden hier verarbeitet und demnächst wird umgebaut, um per 2022 Gruyère zu produzieren. «Nun muss ich halt noch mehr machen, der Absatz steigt und die Arbeiter fehlen», zuckt der 60-jährige Käser mit den Schultern. Er sucht dringend Verstärkung. Am liebsten aber wäre ihm, er könnte Ghulam Amiri helfen, damit er nicht mitten in seiner Ausbildung zurück ins Nothilfe-Zentrum muss: um Däumchen zu drehen, während die Käserei in der Arbeit schwimmt.