«So schöne Teile – und niemand sieht sie»

«So schöne Teile – und niemand sieht sie»

Seit 45 Jahren baut der Tüftler und ehemalige Lehrer Geräte auseinander und lässt aus den Teilen neue Kreationen entstehen. Was nicht mehr geflickt werden kann, wird anderweitig verwendet. Nun gibt es eine letzte Ausstellung.

Kaum ein Haushalt, in dem kein PC steht. Nur die wenigsten Benutzer dieser Rechner haben einen Blick ins Innere der Maschinen geworfen. Anders ist es bei Heinz Wenger: kaum ein Gehäuse, das er nicht schon geöffnet hat. «Ich erinnere mich gut an den ersten Computer, den ich auseinandernahm», schaut er viele Jahre zurück. «Ich sah so viele schöne Teile und dachte nur eines: ‹Niemand bekommt sie zu sehen›.» Etwas musste unternommen werden.

Wunderdoktor und Künstler
Noch nicht mal volljährig, kehrte der Seminarist Wenger inspiriert von der «Expo 64» nach Hause. Besonders angetan hatte es ihm eine Tinguely-Installation. Bald begann auch er, Ausrangiertes auseinanderzunehmen und neu zusammenzusetzen. Das nötige Handwerk eignete er sich zu einem grossen Teil selbst an. Vieles zeigte ihm sein Grossvater, ein Schlosser und später Dampflokomotivführer.

Zudem ging es dem jungen Lehrer ums Helfen. «Ich repariere Geräte, die alle anderen längst aufgegeben hätten», sagt er. Kein Wunder, hängt an seiner Bürowand eine Auszeichnung der Schulen Niederscherli: «Wunderdoktor für technische Probleme.» Was dem Schrottplatz geweiht war, erhielt eine zweite Chance. Aus alten Schuhplättli, leeren Rahmbläserpatronen, Speichenspannern, Felgen, Duschschläuchen, Harddisc-Leseköpfen, Auto-Zündkerzen oder Metallfedern von Storen wurden kleine und grosse Skulpturen. Bald begannen sie, den grossen Garten ums Haus zu bevölkern.

Uhren und Fabelwesen
Viele der Kunstwerke beinhalten bewegliche Teile, die sich nach dem Wind richten oder gar zu einem ausgeklügelten Wasserspiel werden. Eine Gruppe hängt vornehmlich drinnen. Es sind über dreissig Uhren, gebaut aus Computerbestandteilen, Bügeleisen, Nähmaschinenfüsschen, Schreibmaschinenteilen oder vielem mehr. Eine läuft mit dem Motor eines Fotokopierers und gewann an einem Wettbewerb mit über 6000 Eingaben den zweiten Preis.

Wegwerfen ist dem bald 75-Jährigen ein Fremdwort: «Ich kann alles verwerten.» Seine Kreativität und sein Sinn für Ästhetik sprachen sich bald herum. So ging Wenger der Rohstoff nie aus. Einmal wollte es der Zufall, dass ihm ein Transporter voller neuer, aber dennoch unnütz gewordener Implantate wie künstlicher Hüftgelenke oder Knieprothesen «über den Weg fuhr». Einige für die Altmetallverwertung bestimmten Teile fanden einen neuen Besitzer. Heute gehören sie zu metallenen Fabelwesen, als wären sie dafür geschaffen worden. «Besondere Formen, Muster, Farben oder Anordnungen haben es mir angetan», schwärmt Wenger. «Ich liebe es, Dinge zu zweckentfremden und ihnen neue Funktionen zu geben.»

Zweites Leben auch für sich
Der begabte Tüftler gab sein Wissen und seine Leidenschaft als Werklehrer wohl hunderten von Schulkindern mit auf ihren Weg. «Ich gab zu viel Herzblut rein», erzählt er heute nachdenklich. Ein durch eine Bypassoperation knapp verhinderter Herzinfarkt war der erste Warnschuss, ein Burnout der zweite. Das führte zu einer halbjährigen Kreativpause; nichts ging mehr. Heinz Wenger schüttelt den Kopf: «Meine Kreativschublade war leer.» Mit 60 Jahren begann er von vorne und machte sich selbständig. Bis heute macht er «alles im, am und ums Haus»: Reparaturen, Spezialanfertigungen oder Unterhaltarbeiten. Dieses Jahr werden sowohl er wie auch seine Frau 75. «Es ist Zeit, meine Geschöpfe weiterziehen zu lassen», sagt er bestimmt. Vielleicht, damit es Platz für neue gibt?

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