«Frisch gewaschene Socken haben die schlechte Angewohnheit, sich während des Trocknens am Wäscheständer zu versteifen – ganz zum Missfallen meiner jüngeren Tochter (8). Was dazu geführt hat, dass mich M. jeden Morgen darum bittet, mit meinen etwas grösseren Händen durch ihre Socken zu fahren und sie dadurch aufzuweichen. So kam es, dass ich zu ihrem ganz persönlichen ‹Sockenlockerer› wurde, was mir eine besondere Ehre ist.»
(Vater: 1965, Geschichtenfänger / Tochter: 2009, Wirbelwind)
So lautet eine der Geschichten in der Broschüre «Swiss Dads & Vätergeschichten», die demnächst herauskommen und fünf Franken kosten wird. «Vätergeschichten» ist ein über mehrere Jahre dauerndes Projekt von «maenner.ch», dem Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen. In Zusammenarbeit mit «FamOs» (Familien Ostschweiz) wurde das Projekt erstmals 2012 rund um den 6. Schweizer Vätertag in den öffentlichen Raum und in Unternehmen, die vom eidgenössischen Büro für Gleichstellung von Mann und Frau (EBG) unterstützt wurden, hinausgetragen. Ziel war es, Gespräche über Vaterschaft und Vatersein zu lancieren.
Der Synodalrat hat 2012 beschlossen, dass die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn die Chancengleichheit von Mann und Frau fördern sollen. In diesem Kontext übernahmen 2017 vier Männer aus kirchlichen Kreisen – Michael Stähli / Pfarrer in Köniz, Reto Beutler/ Pfarrer in Utzenstorf, René Setz / Katholische Kirchgemeinde Dreifaltigkeit Bern und Philippe Häni / Sozialdiakon Spiegel, Köniz – die Idee vom Vätergeschichten-Schreiben und riefen einen Schreib-Workshop für Männer ins Leben. 20 Männer meldeten sich für den Abend an und lernten die Rolle des Zuhörers und des Schreibenden kennen.
So haben sie nach dem Workshop Passanten auf der Strasse gebeten, ihnen von einer Erinnerung an ihren Vater zu erzählen. Michael Grosse, Geschichtenfänger, sagt: «Interessante Begegnungen wechselten sich ab mit dem leicht erniedrigenden willentlichen Wegschauen von Passanten. Auf dem Sessel vor dem Quartierladen hörte er dennoch viele spannende Geschichten von fürsorglichen Beziehungen auch bei abwesenden Vätern, von körperlichen Züchtigungen bei anderen Völkergruppen, berührende, alltägliche und einzigartige Geschichten, die er dann mit anderen Männern aus dem Workshop in der Schreibstube redigieren und zu einer lesbaren Geschichte verdichtete.» Phillippe Häni, Sozialdiakon Spiegel/Köniz, berichtet: «Ich habe die Geschichten sehr ressourcenorientiert erlebt, selten sind schwierige Vätergeschichten erzählt worden. Es waren mehr Männer als Frauen, die ein Vatererlebnis schilderten.» Viele von ihnen gaben auch freimütig die Erlaubnis zur anonymen Veröffentlichung in der Broschüre «Swiss Dads & Vätergeschichten» oder online auf der Webseite vaetergeschichten.ch.
Die Bedeutung der Vätergeschichten
Markus Theunert, Vater einer fünfjährigen Tochter, Leiter des nationalen Programms «MenCare» und Mitglied der Geschäftsleitung «maenner.ch» sagt, dass die Mehrheit der Männer in der Schweiz präsente und emotional involvierte Väter sein wollen. Dass involvierte Väter zufriedener sind in Beziehung und Elternschaft, reifer und empathischer, achtsamer für die kindlichen Bedürfnisse. Der Theologe und Gender-Fachmann Andreas Borter spricht von den alttestamentarischen «Patriarchen» und «Stammvätern», die sich heute zu einem «Un-Wort» entwickelt haben. Von der männlichen übergeordneten Perspektive, die lange Zeit auch unsere Familien- und Väterrollen geprägt hat. Von den biblischen Urvätern, die gerade alles andere als Helden und Alleskönner waren. Und so könnte die kirchliche Tradition in kritischer und wohlwollender Auseinandersetzung mit Väterlichkeit ein Stück Versöhnungsarbeit leisten.