Die Atmosphäre ist konzentriert, die Anspannung greifbar. Auf den Pfiff des Schiedsrichters folgen Anspiel, Aufbau, Abwehr, erneuter Aufbau. Die Spielerinnen, die in Glarus auf dem Feld stehen, sind zwischen 13 und 16 Jahre alt, talentiert und Hoffnungsträgerinnen des Schweizer Volleyballs. Und schaffen aktuell den Spagat zwischen ersten Erfahrungen im Leistungssport und regulärem Schulbesuch. An diesem Aprilwochenende geht für die Sportlerinnen alles auf. Fokussiertes Zusammenspiel, gutes Timing und vermutlich die passende Prise Glück führen schliesslich zum entscheidenden Punkt und es steht fest: Die Siegerinnen der Nachwuchs-Schweizermeisterschaften kommen aus dem Kanton Bern.
Anspruchsvolles Programm
Die Leistung, die die Mädchen im jungen Teenageralter auf dem Spielfeld zeigen, ist alles andere als selbstverständlich. Vielmehr ist sie das Resultat einer Mischung aus Talent, Freude am Spiel und intensivem Training. Der Wochenplan der Spielerinnen ist dicht, das Programm durchzuziehen braucht ein nicht geringes Mass an Selbstdisziplin und Organisation – schliesslich kommen die Nachwuchstalente aus allen Ecken des Kantons Bern und pendeln täglich zwischen Wohnort und Köniz. Dennoch sei es den Aufwand wert, ist Barbara Fechtelkord überzeugt. Sie ist Koordinatorin beim Regionalen Trainingszentrum (RTZ) in Köniz und gleichzeitig Mutter einer Spielerin im RTZ. Die Teilnahme sieht Fechtelkord einerseits tatsächlich als Sprungbrett in nationale und internationale Kader, für sie aber genau-
so zentral ist die Erfahrung für die Jugendlichen, die persönliche Entwicklungsmöglichkeit auch losgelöst vom sportlichen Erfolg. «Man lernt viel über sich selbst bezüglich Ernährung, Schlaf, Schulweg und Aufgaben, die Entwicklung in drei Jahren ist enorm», so Fechtelkord. Der Teamgeist, welcher hier stark gelebt werde, sei auch ausserhalb der Sporthalle nützlich. Konflikte unter den Spielerinnen gebe es sehr wenige, neue Schülerinnen würden gut aufgenommen, wie von den Mädchen sowie den Eltern immer wieder zurückgemeldet werde. «Es ziehen alle am gleichen Strick, man mag es einander gönnen und, wenn etwas nicht klappt, bauen die Jugendlichen einander auf», betont Fechtelkord. Das Miteinander ist zentral im RTZ.
Professionelle Begleitung
Volleyball ist verglichen mit Sportarten wie Fussball, Eishockey oder Skidisziplinen weniger sichtbar, die Unterstützung auf dem Weg an die nationale und internationale Spitze nach wie vor herausfordernd und in der Schweiz weniger verankert als in anderen Ländern. Mit der Teilnahme im RTZ haben junge talentierte Sportlerinnen seit rund 20 Jahren die Gelegenheit, mehrmals die Woche intensiv zu trainieren und gleichzeitig ganz regulär die Schule zu besuchen. Das RTZ ist für die technische, taktische, mentale und athletische Ausbildung der jungen Volleyballerinnen zuständig. «Die Trainings werden von ausgewiesenen Trainerinnen und Trainern geleitet», erklärt Alfred Roth, Sportchef von «Swiss Volley Region Bern-Solothurn». «Neben der sportlichen Koordination übernimmt das RTZ auch die Koordination mit der Schule Liebefeld-Steinhölzli, dem sportmedizinischen Partner und dem nationalen Verband.»
Freude an der Bewegung
Wer im RTZ einsteigen und den Weg Richtung Kader gehen will, muss einiges mitbringen. Von den Volleyballvereinen des Kantons Bern können vielversprechende Spielerinnen zum sogenannten Talenttest (PISTE) angemeldet werden. Dort werden in spielerischer Form verschiedene Voraussetzungen getestet und das Potential eingeschätzt. Dabei kommt es nicht in erster Linie darauf an, die Technik bereits zu beherrschen. «Eine Vor-
aussetzung ist sicher die Grösse, weitere Teile sind Athletik und Verhalten», gibt Barbara Fechtelkord Auskunft, «Technisches kann gelernt werden.» Die Freude am Sport und an der Bewegung seien genauso zentral. Unter Trainer Dario Balsamo haben die Mädchen während der gesamten Oberstufe Gelegenheit, an ihrer Technik zu feilen. Dies sowohl in der Halle als auch auf dem Beachfeld. Dass sie zusammen mit Gleichgesinnten trainieren und die Schulbank drücken, ist vor allem für die Motivation ein grosses Plus. Die Weichen für den weiteren Weg im Leistungssport dürften sich dann Ende der 9. Klasse definitiv stellen. Denn auch dafür gibt es mittlerweile passende Angebote.