Strahlungsarmes Wohnen

Strahlungsarmes Wohnen

Agnes Oberson bietet im Dorf Wohnraum für elektrosensible Menschen an. Passende Mietparteien zu finden wurde in den letzten beiden Jahren zur Herausforderung. Die Thematik hat starken Einfluss auch auf ihren Alltag.

Als Oberson auf Reisen in Hotelzimmern nicht mehr schlafen konnte, war das ärgerlich, aber noch kein Grund zur Sorge. Doch es nahm zu. Auf Städtereisen lag sie nächtelang wach, während ihre Mitreisenden seligen Schlaf fanden. Das sägte an den Nerven und an der Freude, welche die Ausflüge bis dahin bedeuteten. In mühseliger Detektivarbeit suchte sie nach Ursachen für ihre Schlaflosigkeit – und stellte einen Zusammenhang mit Elektrosmog fest. Durch Ausprobieren bestätigte sich der Verdacht. Sobald WLAN, Funkradio oder entsprechende Geräte im Raum aktiv waren, war an Schlaf nicht zu denken. Als Agnes Oberson vor rund zehn Jahren ein Haus in Tafers erbte, beschloss sie, ihre Erfahrungen in ein neues Projekt zu integrieren: «Ich hatte damals die Idee, strahlenarmes Wohnen zu ermöglichen», erzählt sie. Am besten zusammen mit Mietparteien, die sich am gemeinschaftlichen Projekt beteiligen. Mit der Umsetzung begann sie vor zweieinhalb Jahren. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Mann Alain Guillez, der strahlungsarmes Wohnen ebenfalls schätzt. Das Fazit heute: Teilweise gelang die Realisierung des Projekts. Aber es fordert viel von ihr als Vermieterin.

Strahlung noch zu stark

Mitten in einem Wohnquartier gelegen, mit Garten und Anschluss an den öffentlichen Verkehr, geräumig und bezahlbar – das Mehrfamilienhaus von Agnes Oberson hat etwas zu bieten. Trotzdem sind nicht alle Wohnungen bewohnt, eine steht nun seit zwei Jahren leer. «Unsere Idee war, elektrohypersensiblen Menschen Vorrang zu geben», erklärt Agnes Oberson. Das scheint ein schwieriges Unterfangen zu sein. Gemeldet hätten sich in den letzten Jahren immer wieder betroffene Menschen. Es sei aber für wirklich empfindsame Personen immer noch zu wenig strahlungsarm, wie man nach Probetagen jeweils festgestellt habe. Agnes Oberson sieht die Gründe hierzu in der Lage zwischen anderen Wohnhäusern und in Leitungen, die mit Elektrosmog auch das Wohnhaus tangieren. Messungen mit Fachpersonen wurden gemacht, mögliche Lösungsschritte besprochen. Schnell war klar: Die nötigen Anpassungen sind zwar möglich, aber teuer und nicht unbedingt geeignet für den Standort.

Mittelweg suchen und finden

Für die engagierte Vermieterin wird die leerstehende Wohnung zur Belastung. Das Zusammenwohnen mit den übrigen, teilweise ebenfalls elektrohypersensiblen Mietparteien funktioniere sehr gut, man nehme Rücksicht aufeinander und, falls es Probleme punkto Strahlung gibt, suche man gemeinsam nach Lösungen. Trotzdem bleibt vieles an ihr als Einzelperson hängen. Immobilienmakler sind mittlerweile auf die leerstehende Wohnung aufmerksam geworden und gehen offensiv auf Agnes Oberson zu, finanziell macht leerer Wohnraum ebenfalls wenig Sinn und in Interessierte investiert die Vermieterin viel Zeit und Energie. Mit Messungen, Probewohnen und Besprechen der Wünsche und Bedürfnisse rund um den Umgang mit Strahlung und Hypersensibilität sind die Besichtigungen keine einfache Sache. Heute ist für Agnes Oberson klar: «Ich muss einen Mittelweg finden. Die Wohnung soll für jemanden sein, der es schätzt, strahlungsarm zu wohnen, der aber nicht eine komplexe Hypersensibilität mitbringt.» Auch Menschen ohne Elektrohypersensibilität sind willkommen. «Es braucht ein Minimum an Offenheit und Interesse aneinander», so Agnes Oberson. 

Heikles Thema

Sie selbst erlebt nicht immer Offenheit ihrem Anliegen gegenüber. Im Fachhandel etwa sei es schwierig, ernst genommen zu werden, oft fehle das Bewusstsein. «Man muss bei jedem neuen Gerät sehr achtsam sein», beschreibt Agnes Oberson die Herausforderung, denen sie und andere Elektrohypersensible im Alltag begegnen. Auch unter Freundinnen sei das Verständnis nicht immer vorhanden. Sie selbst habe sich an strahlungsarme Umgebung gewöhnt und reagiere auf stärkere Belastung mit Schmerzen und Versteifungen im Nackenbereich. Im Alltag fühlt sie sich dadurch nicht stark eingeschränkt, Besuche oder Teilnahme an Chorproben sind möglich. Allerdings nehme sie sich bewusst Zeit, um sich nach belastenden Situationen wieder zu erholen, etwa mit einem Waldspaziergang.

Verbesserungsbedarf ist gross

Unabhängig von der Schwierigkeit, die letzte leere Wohnung im Haus zu vermieten, wünscht sich Agnes Oberson grösseres Bewusstsein für die Thematik. «Es gibt oft wenig Verständnis für diese Form der Sensibilität», wie sie bedauernd feststellt. Der Wunsch ist gross, mit den persönlichen Bedürfnissen akzeptiert zu werden, etwa durch strahlungsarme Abteile im öffentlichen Verkehr oder handyfreie Zonen. Oder – und damit wäre für Agnes Oberson viel Lebensqualität gewonnen – strahlungsarme Hotels. So dass unbeschwertes Reisen wieder möglich wird, erholsamer Schlaf inklusive.

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