Verkehrspsychologie

Verkehrspsychologie

Unterwegs Richtung Passhöhe mit dem Velo, Auto oder Töff: Links geht’s steil bergauf, rechts Richtung Tal. Die Aussicht verleiht Höhenflüge, soweit alles gut. Doch halt: Kurz vor dem Pass blockiert wieder mal eine Baustelle den Weg. Was folgt, sind Flüche, die Faust im Sack oder der Griff in die «Täfeli»-Packung. Alles alltägliche Reaktionen auf häufige Ärgernisse, doch leider nicht die besten. Aber wie könnten wir solche Situationen bewussster meistern? Ein Verkehrspsychologe gibt Auskunft.

Herr Ewert, fahren Sie gerne Auto?

Das Auto ist für mich ein Fortbewegungsmittel, das meinen Wunsch nach möglichst flexibler Mobilität erfüllt. Allerdings trübt sich meine Freude aufgrund der negativen Klimabilanz schon etwas. Aus diesem Grund will ich beim nächsten Autokauf mindestens ein Hybrid- oder sogar ein Elektrofahrzeug anschaffen. Zudem lege ich kürzere Strecken mit einem Elektroroller zurück.

Wie gehen Sie mit Aggressionen im Verkehr um?

Oft regt sich auf, wer unvorbereitet in eine entsprechende Situation kommt. Daher ist es besser, wenn man sich auf die Situation einstellt. Beispielsweise ist der Gubrist mein «liebster Tunnel». Ich weiss, dass ich dort ein paar Minuten verlieren werde, doch davon geht die Welt nicht unter. Zudem plane ich genügend Zeit ein. Wer dennoch unvorbereitet in eine solche Situation gerät, dem helfen etwa Gedanken an etwas Schönes oder Bauchatmung. Wer hingegen vor sich hin schimpft, wird meist noch wütender. 

Wegen anderen Verkehrs-teilnehmenden regen wir uns oft auf. Woran liegt das?

Unter anderem daran, dass wir als Autofahrerinnen und -fahrer nicht störungsfrei kommunizieren können. Zur Verfügung stehen uns fast nur Handzeichen, Blinklichter oder Lichthupen, da sind Missverständnisse und Ärger vorprogrammiert. Und sollten solche Ereignisse eintreten, ist es prinzipiell das Beste, sich rauszuhalten, da diese andernfalls leicht eskalieren können.

Und was denken Autofahrende im Allgemeinen voneinander? 

Dazu gibt es zahlreiche Studien, die alle belegen, dass sich über neunzig Prozent der Autofahrenden für überdurchschnittlich gute Lenkerinnen und Lenker halten. Damit halten wir uns also für die besseren Lenkerinnen und Lenker als fast alle anderen, was natürlich falsch ist. Denn in Wirklichkeit sind die meisten Menschen durchschnittliche Autofahrende. Und dann gibt es ein paar wenige Menschen, die tatsächlich besser oder schlechter fahren als die anderen.

Spielt das Geschlecht im Strassenverkehr eine Rolle?

Besonders in Bezug auf die Verkehrssicherheit spielt dieses eine wichtige Rolle. Zwar verunfallen Männer und Frauen im Stras-
senverkehr etwa gleich viel. Die Männer allerdings deutlich schwerer, weshalb sie entsprechend öfter zu Todesopfern werden. 

Woran liegt das? 

Männer gehen höhere Risiken ein und fahren auch schneller als Frauen. Männer probieren eher aus, was möglich ist, und Frauen sind eher vorsichtiger. Diese Geschlechtsunterschiede relativieren sich mit der Zeit. Dann werden auch die Männer vorsichtiger.  

Noch ein Blick in die Zukunft: Wie offen sind Verkehrsteilnehmende gegenüber Veränderungen?

Veränderungen werden zunächst meist abgelehnt. Wenn es sich aber um Gesetzesänderungen händelt, dann werden diese letztendlich akzeptiert – wenn auch nicht immer gerne. Bei Verkehrssicherheitskampagnen gilt, dass Menschen die Botschaften zwar erkennen, doch entsprechende Verhaltensänderungen eher selten sind. Damit es zu Verhaltensänderungen kommt, müssen gesellschaftliche und individuelle Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Zusätzlich muss das Ziel dann noch dem Selbstbild der Beteiligten entsprechen. Der beschriebene Prozess findet sich praktisch in allen psychologisch begleiteten Prozessen und gilt deshalb als «heiliger Gral» der Psychologie. 

 

Zur Person

Uwe Ewert ist Verkehrspsychologe, Mitglied der Schweizerische Vereinigung für Verkehrspsychologie und war Wissenschafter bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung mit Sitz in Bern. Ewert forschte unter anderem in den Bereichen Sicherheit auf Landstrassen, korrekte Nutzung von Sicherheitsgurten und Kopfstützen sowie zu sozialer Ungleichheit im Unfallgeschehen und deren Gründen. Auch an Verkehrssicherheitskampagnen mit anschlies-
senden Evaluationen hat er mitgewirkt.

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