«Eigentlich wollte ich gar nicht Fussball spielen», erinnert sich Maëlle Raemy an ihre Kindheit. Doch an einem Spiel ihres jüngeren Bruders Kian hatte der Trainer zu wenig Spieler zur Verfügung und fragte deshalb spontan die zuschauende Schwester, ob sie nicht mitkicken wolle. Von da an nahm die Sache ihren Lauf. F-, E-, D-, C-Junioren: Die ersten Jahre spielte Raemy «mit den Jungs». Am Ende der U15-Saison absolvierte sie ein zweiwöchiges Probetraining bei YB – und blieb direkt dort. Dies bedeutete: mehrmals pro Woche nach der Schule von Wünnewil nach Bern ins Training fahren.
Mit 12 in Bieler Talentschmiede
Auch bei Noa Linn Münger spielte Bruder Nil eine Rolle. «Ich besuchte mit ihm ein Schnuppertraining beim FC Köniz», erzählt sie. Gemeinsam durchliefen sie die Juniorstufen, wechselten zum Team Köniz, dem Junioren-Fördergefäss für Talente. Bereits mit zarten zwölf Jahren zog die im Liebefeld aufgewachsene und immer noch dort wohnhafte Sportlerin nach Biel. Am nationalen Ausbildungszentrum des Schweizerischen Fussballverbands SFV werden pro Jahrgang rund zehn talentierte Fussballerinnen aus der ganzen Schweiz gefördert. «Ich wohnte bei einer Gastfamilie und absolvierte sechs bis sieben Trainingseinheiten pro Woche», beschreibt sie das Programm. Parallel besuchte sie die 7., 8. und die 9. Klasse. «Ich musste nie einen bewussten Entscheid für diesen Weg fällen», sinniert sie, «es war mir immer klar, dass ich das machen will.» Für Raemy hingegen war es zuerst ein «mal mitmachen, so weit wie ich komme». Erst ab dem Wechsel in den YB-Nachwuchs spürte sie, dass sie ganz auf den Fussball setzen will.
Schweizer Meisterin
Die beiden Frauen reüssierten, leicht zeitversetzt, in den U-Mannschaften der YB Frauen. Noa Linn Münger gehörte in der Saison 2023/24 noch dem U19-Team an, spielte aber bereits die ganze Saison mit dem «Eis». Seit August 2024 gehört sie fest zum Kader und trug prompt zum Höhepunkt mit bei: Die YB Frauen schlossen die Qualifikationsrunde auf Rang 1 ab und krönten sich in den Playoffs zu den Meisterinnen. Und Münger? Schlief am Sonntag nach der Meisterfeier aus, doch dann ging es ans Lernen, denn eine Woche später standen bereits die Maturaprüfungen an.
Vize-Schweizer Meisterin
Zwischen Gymer und Training: eine Realität für die beiden jungen Frauen. Münger hat die Matur nun im Sack; im Herbst nimmt sie das BWL-Studium in Angriff, während sie mit YB als Titelverteidigerin in die neue Saison startet – auch Champions League-Qualifikationsspiele warten auf sie. Raemy schliesst Ende Juni das 3. Jahr am Gymnasium Freiburg ab, eines liegt noch vor ihr. Von Montag bis Freitag besucht die 18-Jährige sowohl den Unterricht wie auch täglich eine bis zwei Trainingseinheiten in Bern. Dazu kommen die wöchentlichen Matches. Die vergangene Saison zog die Linksverteidigerin mit der Rückennummer 12 um ein Haar dem «Eis» nach: Im Playoff-Halbfinal der U20-Meisterschaft setzte sich ihr Team gegen den FC Zürich durch, im Final Mitte Juni traf YB auf den FC Luzern, der die reguläre Saison mit 14 Punkten mehr abgeschlossen hatte. Der Meistertitel war zum Greifen nah, doch im Penaltyschiessen obsiegte schliesslich Luzern.
AWSL, Nati, Ausland
«In aller Professionalität auch Spass haben, den Zusammenhalt im Team spüren und mit dem Ehrgeiz, etwas erreichen zu wollen, Matches bestreiten.» Maëlle Raemy beschreibt in klaren Worten, warum sie alles daran setzt, Profifussballerin zu werden. Ihr nächstes Ziel ist es, in der AWSL zu spielen. Auch vom Nati-Aufgebot träumt die Verteidigerin. Von den Publikumsrängen aus wird sie regelmässig von Freunden und Familie unterstützt; ihre Eltern versuchen, an möglichst jedem Match dabei zu sein. «Manchmal müssen sie sich aufteilen, wenn mein Bruder gleichzeitig mit dem FC Wünnewil-Flamatt spielt», sagt sie mit einem Schmunzeln. Auch Familie Münger ist an jedem Heimspiel im Wankdorf dabei, wobei auch bei ihnen manchmal ein Elternteil gleichzeitig den Bruder (YB-U19) anfeuert. Die YB Frauen sind das bisher einzige AWSL-Team, das sämtliche Heimspiele im Stadion bestreitet. Vielleicht haben sie auch deshalb den mit Abstand höchsten Zuschauerschnitt. Die Mittelfeldspielerin mit der Rückennummer 8 hat aktuell einen Vertrag bis 2026. «Es macht unglaublich Spass, in einem Team Sport treiben und sich individuell, aber auch gemeinsam entwickeln zu können.» Die Schweizer Meisterin will nächste Saison mit YB an die erreichte Leistung anknüpfen. «Später möchte ich den Schritt ins Ausland schaffen», sagt sie. Auch sie träumt vom Aufgebot in die A-Nationalmannschaft. Zum Schluss betont sie: «Fussball gibt mir Energie. Es ist ein Dürfen, nicht ein Müssen. Denn ich darf das tun, was mir Freude macht.»
Fotos: zvg/Thomas Hodel / BSC YB


