Der Lebensabschnitt von der Schule ins Berufsleben beinhaltet für alle junge Menschen eine Herausforderung. Der Konkurrenzkampf um Ausbildungs- und Arbeitsplätze ist leistungsorientiert. Für Menschen mit einer Beeinträchtigung sinken die Chancen meist rapide. Institutionen wie Steinhölzli Bildungswege im Liebefeld sind darauf spezialisiert, IV-unterstützte Jugendliche auszubilden und möglichst im ersten Arbeitsmarkt beruflich zu integrieren. An einem Fachforum zum Thema «supported education» kamen fünf Personen aus verschiedenen Bereichen zu Wort, die alle tagtäglich mit Behinderung konfrontiert sind.
Bereicherung für Mitarbeiter
Bossard AG in Zug ist ein Unternehmen, das sich in den letzten 180 Jahren vom kleinen Familienbetrieb zum globalen Marktführer im Bereich Verbindungstechnologie entwickelt hat. Weltweit beschäftigt das Schweizer Familienunternehmen in der siebten Generation mehr als 2100 Mitarbeiter. Seit 25 Jahren stellt Bossard rund 250 m² Fläche kostenlos der Stiftung Maihof zur Verfügung. Auf dieser Fläche steht eine Werkstatt, in der Schwerstbehinderte beschäftigt werden. Gleichzeitig werden sie auch im Zentrallager der Firma Bossard eingesetzt. Daneben sind auch Arbeitsplätze für Praktikanten vorhanden, die sich aus gesundheitlichen Gründen umschulen müssen. «Wir sind überzeugt, dass unsere Mitarbeiter davon profitieren können, wenn wir mit Behinderten zusammenarbeiten» erläutert Vizedirektor Armin Huber das soziale Engagement der Firma.
Nie gleichgültig
Christian Lohr aus Kreuzlingen (TG) wurde mit typischen Conter-
gan-Schädigungen ohne Arme und mit fehlgebildeten Beinen geboren. Trotzdem konnte er die Regelschule besuchen, absolvierte die Matur und studierte Volkswirtschaft. Seine Herausforderungen bestanden stets darin, den Schulalltag trotz Beeinträchtigungen zu bewältigen. Der Einstieg in die berufliche Laufbahn wurde Christian Lohr über den Sport erleichtert. Bereits mit vierzehn Jahren schrieb er Sportberichte für die Schulzeitung. Während und nach dem Studium arbeitete er als Journalist bei einer Zeitung. Durch eine Restrukturierung verlor er dann seine Festanstellung. In der Zeit als Arbeitsloser wurde ihm bewusst, dass eine gute Schulbildung nicht ausreicht, um weiterzukommen. Ohne Eigenverantwortung geht gar nichts. «Ich will nie ein gleichgültiger Mensch werden», erklärt Christian Lohr zu seiner Erkenntnis. Sein Weg fand damals eine Fortsetzung, indem er als freier Journalist tätig wurde. Aus seinen Erfahrungen heraus kann Christian Lohr heute sagen, dass die Betroffenen und deren Berater sich mehr am Machbaren orientieren sollten als das Unmögliche in den Vordergrund zu stellen. Er möchte den jungen Menschen mitgeben, dass sie Chancen haben und diese selbst wahrnehmen und nützen müssen. Er stellt auch fest, dass die Gesellschaft den Umgang mit beeinträchtigten Menschen noch lernen muss, damit eine wirkliche Integration stattfinden kann.
Potenzial der Versicherten
Die IV-Stelle Kanton Bern ist eine eigenständige, öffentlich-rechtliche Anstalt und beschäftigt derzeit rund 400 Mitarbeiter. Im Jahr 2016 begleitete die IV erstmalig 1135 junge Menschen bei ihrer beruflichen Ausbildung, finanzierte 1333 Umschulungen und ermöglichte dadurch, dass insgesamt 2298 Personen eine Stelle im Arbeitsmarkt fanden.
An der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen gingen bisherige Massnahmen jedoch spurlos vorbei. Lösungen sind zwar vorhanden, aber nicht immer umsetzbar, wie die Früherkennung in einzelnen Situationen. Durch die Zusammenarbeit mit dem Case Management Berufsbildung (CMBB) kommt die IV bereits mit Schülern mit Mehrfachproblemen ab dem 7. Schuljahr in Kontakt und kann gezielt Unterstützung zur Berufsausbildung anbieten. Zusätzlich hat die IV ihre Homepage in verschiedene Rubriken gegliedert und spricht nun auch Lehrer direkt an, die so sensibilisiert werden sollen, an frühzeitige IV-Anmeldungen zu denken. Dieter Widmer, Direktor der IV-Stelle Kanton Bern, stellt fest, dass sich die IV für das Potenzial der beeinträchtigten Personen interessiert und dort ansetzt. Weiter ist ihm bewusst, dass die IV zwar Chancen eröffnet, anpacken müssten die Betroffenen diese jedoch selbst.