Wasserqualität durch gereinigtes Abwasser

Wasserqualität durch gereinigtes Abwasser

Die Kläranlage wird mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe erweitert. Dadurch werden Mikroverunreinigungen aus dem Abwasser eliminiert, die für Fische, andere Wasserlebewesen, aber auch für die Menschen zu Schädigungen führen können. Die verbesserte Wasserqualität für 25 Gemeinden verursacht nur minimale Kosten für die Bewohnenden.

Es ist noch nicht allzu lange her, als wir uns in Gewässern tummelten, von denen wir lieber nicht genau wissen wollten, was sich alles nebst uns auch noch im Wasser befand. Das betraf nicht nur die Schönen und Reichen an der Côte d’Azur, es betraf auch die Badenden in der Sense. Dort wurde vor 55 Jahren ein Badeverbot erwirkt, nachdem das Wasser durch Verunreinigungen und Sauerstoffmangel so stark belastet war, dass ein Fischsterben daraus resultierte. Wie konnten wir solches überleben, möchte man sich angesichts der heutigen Bemühungen um sauberes Wasser fragen. «Das darf man sich tatsächlich fragen», antwortet Bernhard Hostettler, Betriebs- und Geschäftsleiter der ARA Sensetal. Angesichts der geltenden Gesetzgebungen, Normen und Massnahmen sind die vergangenen Zustände aus heutiger Sicht kaum vorstellbar.» Allerdings seien die Vorgaben vollumfänglich gerechtfertigt, betont er, denn der Gebrauch von Produkten, welche Mikroverunreinigungen enthalten, hat markant zugenommen. Damit meint Hostettler beispielsweise Rückstände von Pflanzenschutzmitteln aus dem Privatgebrauch, aus Duschgels, Putzmitteln oder Kosmetika. Vor allem jedoch die Belastungen, die aus Medikamenten entstehen und deren Restmenge im Abwasser zu Veränderungen der Lebewesen in den Gewässern führen kann. «Es gibt rund 36’000 Substanzen, die im Abwasser Mikroverunreinigungen verursachen.» Das alles muss raus aus dem Abwasser, kann jedoch durch die bestehenden Abwasserreinigungsanlagen nicht vollständig entfernt werden. 

Beitrag zum Ökosystem

Bleiben diese Substanzen im Wasser, wirken sie sich nachteilig auf unser Ökosystem aus, beispielsweise bei der Fortpflanzung von Fischen und anderen Lebewesen. Es lohnt sich auch für die Menschen, denn sonst nehmen wir diese Verunreinigungen über das Trinkwasser wieder zu uns. Die neue Anlage, auch als vierte Reinigungsstufe bezeichnet, verfügt über die Technologie, um die Mikroverunreinigungen weitestgehend zu entfernen. Dazu ist die ARA Sensetal als eine der hundert grössten Anlagen der Schweiz per Gesetz verpflichtet. Auch die Nähe zum Bielersee trägt dazu bei, weil nur noch mikrogereinigtes Wasser in die Schweizer Seen fliessen darf. Insgesamt profitieren 25 Gemeinden in den Kantonen Bern und Freiburg von der zusätzlichen Anlage. Das sind 60’000 Einwohnende, hinzu kommen 30’000 sogenannte Einwohnergleichwerte aus Gewerbe und Industrie. Den Bielersee erwähnt Hostettler als Beispiel für die Effizienz der zusätzlichen Reinigungsstufe und für das Verständnis, was Mikroverunreinigung überhaupt bedeutet: «Wird ein Liter Orangensaft in den See geleert, ist das heutzutage messbar.» Was schier unglaublich erscheint, wird in Laupen durch ein Filtersystem auf Basis von Steinkohle in körnigem Zustand erreicht. «Das stellt man sich am besten vor wie einen Kaffeefilter», ist der Betriebsleiter bemüht, einfach zu erklären, was tatsächlich einfach funktioniert, «unten im Filter befindet sich die granulierte Kohle, von oben fliesst das Wasser ein, sickert durch die Kohle und kommt unten sauber heraus.» 

Kohlekörner werden rezykliert

Das Ergebnis lässt sich messen und macht erst dadurch die Effizienz der Anlage deutlich und verständlich. Aktuell, das heisst vor der neuen Reinigungsstufe, ist das Abwasser zu rund 96 % gereinigt. «Aus den verbleibenden 4 % holen wir mit der zusätzlichen Reinigungsstufe mindestens 80 % der Kleinstverunreinigungen heraus», sagt Hostettler und bezeichnet dies als den aktuell bestmöglichen Reinigungsgrad. Insgesamt werden zehn dieser Filtrationszellen installiert und können je nach Wasseranfall zu- oder abgeschaltet werden. Das Produkt Kohle lässt aufhorchen, da diese bekanntlich einen schlechten Ruf hat, was das Ausströmen schädlicher Stoffe in die Umwelt betrifft. Hostettler gibt Entwarnung. Nicht nur, weil für die ökologische Beratung und Umsetzung der Massnahmen eine externe Firma beigezogen wurde, sondern auch, «weil es nachvollziehbar ist, wie die Kohle abgebaut und produziert wird und dass keine Kinderarbeit damit verbunden ist. Für mich ist es sehr wichtig, dass der gesamte Vorstand dahintersteht.» Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass sich die granulierte Aktivkohle rezyklieren lässt. Nach rund drei Jahren haben die Kohlekörner so viele Mikroverunreinigungen aufgenommen, dass sie ausgetauscht und ersetzt werden müssen. «Die gesättigte Aktivkohle wird in ein Werk in Deutschland transportiert. Dort werden die Körner mit Dampf bearbeitet und die Mikroverunreinigungen werden so zerstört. Die gereinigten Körner erhalten wir zurück und setzen sie
wieder ein.»

Tragbare Kosten

Überhaupt haben sich die Verantwortlichen in der Phase der Planung intensiv mit allen möglichen Faktoren auseinandergesetzt, sagt Hostettler mit Überzeugung. «In der ersten Phase klärten wir ab, welche Varianten es überhaupt gibt und welche wir preisgünstig und nach ökologischen Kriterien umsetzen können.» Gleichzeitig liess die ARA Sensetal in einem Labor das Abwasser prüfen. Die Prüfung ergab unter anderem, dass eine Eliminierung von Mikroorganismen mittels eines Systems unter Einsatz von Ozongas in einer Region mit einem sehr hohen Bedarf an Trinkwasser schlecht geeignet ist. Die gewählte Variante ist zwar teurer, hat jedoch gegenüber der Ozonierung den Vorteil, dass die Schadstoffe nicht nur aufgelöst, sondern dem Wasser entnommen werden. «Wir tun Gutes für die Natur», ist Hostettler überzeugt vom richtigen Entscheid der Verantwortlichen; und findet trotzdem ein Haar in der Suppe. «Bis auf weiteres müssen wir die gebrauchten Kohlekörner nach Deutschland transportieren. Es sind jedoch Bestrebungen im Gang, dass auch in der Schweiz eine solche Aufbereitungsstation entsteht.» Er ist überzeugt, dass die Entwicklung weitergeht, dass sich dank schlauem Unternehmertum ein Markt entwickelt, der Holzkohle aus heimischem Holz als Ersatz für die granulierte Aktivkohle aufbereitet. Um die ohnehin hohe Qualität unseres Wassers zu erhöhen und gleichzeitig auch den ökologischen Kreislauf sicherzustellen, braucht es neue Strategien, Innovationen sowie technologische Entwicklungen. Die Art und Weise und der Umfang der Finanzierung stellten auch einen wesentlichen Teil der Planung durch die ARA Sensetal dar, um die Inbetriebnahme im Sommer 2024 zu realisieren. «Die Baukosten werden keinen Einfluss haben auf die Grundgebühren der ARA», erläutert der Betriebsleiter das Finanzierungsmodell. Die Kosten des Projektes belaufen sich auf 18 Millionen Franken, der Bund beteiligt sich mit 75% daran. Der Betrag nach diesem Abzug wird auf die Gemeinden verteilt, das entspricht einem einmaligen Betrag von je 55 Franken pro Einwohnergleichwert. Ein Betrag, den die Gemeinden stemmen können.»

Tägliche Wasserproben

Im Weiteren wurde ein Fonds geschaffen, in den die Einwohnerinnen und Einwohner einen jährlichen Betrag von 9 Franken pro Person entrichten. Die Summe daraus stellt sicher, dass die Subventionen des Bundes ausgelöst werden, danach wird die Bevölkerung von der Abgabe befreit. Bernhard Hostettler geht davon aus, dass die Betriebskosten für mindestens zehn Jahre ab der Inbetriebnahme gedeckt sind. Genauso überzeugt ist er von der Notwendigkeit zum Schutz von Natur und Mensch, zu dem die ARA Sensetal einen wesentlichen Beitrag leistet. Auch, weil sie zu den sechs Anlagen in der Schweiz gehört, die den Behörden täglich Wasserproben zur Verfügung stellen, um diese zu prüfen. Was unter anderem der Feststellung von Drogenspuren oder Coronaviren dient und damit der höheren Qualität unserer Gewässer mit ihren Lebewesen. Ob die Fische das zu schätzen wissen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Aus Fischereikreisen kommt immer wieder der Hinweis, dass Gewässer für Fische auch zu sauber sein können, weil dadurch das Nahrungsangebot kleiner wird. «Die Fischer haben recht», antwortet Hostettler unumwunden, «wenn das Wasser so sauber ist, finden die Fische tatsächlich weniger Nahrung.» In früheren Zeiten sei das Wasser ebenfalls sehr sauber und die Fische gesund gewesen; damals, als viel weniger Menschen hier lebten. «Die Bevölkerung nahm stark zu, mehr Menschen bedeutet mehr Abfälle. Und mehr Nahrung für die Fische.» Ob die Fische dabei gesünder waren, stellt er in Frage, ist jedoch der Meinung, dass es den Fischen heute gut geht: «Es ist tatsächlich so, dass die Fische in sehr sauberen Gewässern mehr kämpfen müssen, um sich zu ernähren. Das zeigt sich auch darin, dass die Fische kleiner sind als früher. Was aber nicht bedeutet, dass sie weniger gesund sind, eher das Gegenteil ist der Fall.»

INFO:

www.sensetal.ch

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«Wasserqualität durch gereinigtes Abwasser»

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