Welchen Wert haben Emotionen?

Welchen Wert haben Emotionen?

«Hurti» digital seine Liegenschaft einschätzen lassen? Solche Angebote gibt es wie Unkraut auf dem Vorplatz. Das Resultat ist eine grosse Bandbreite, in welcher der Preis liegen solle; helfen tut das herzlich wenig, wie Bewertungsexperte Roy Rocskai verrät.

Hedonisch. Ein Begriff, der mit der Immobilienbranche einher geht wie die Glocke mit der Kuh. Hedonische Bewertungen sind Vergleichsverfahren, die mittels Datenbank einen regionalen Vergleich suchen, abhängig von Alter des Hauses, Lage, Zustand und Ausbaustandard. «Die Eingabe der Daten bei dieser Bewertungsform hängt von der eigenen Einschätzung ab; und das kann schnell ins Auge gehen», weiss Roy Rocskai. Deshalb seien Marktkenntnisse unerlässlich. Und oft heisst das für den ehemaligen Banker und ausgebildeten Bewertungsprofi, weitere Betrachtungen herbeizuziehen.

Gibt es das Liebhaberobjekt?

«Vieles kann man nicht ohne weiteres in Zahlen fassen», erklärt er. Die Nähe zum Schulhaus ist der Familie eine Freude und dem ruhesuchenden Karrierepaar ein Gräuel. Die Aussicht belohnt diejenigen, die etwas ausserhalb des Zentrums wohnen. Doch welches Preisschild gibt man diesem Umstand nun? «Wir sprechen da von sogenannten Softfaktoren, welche man in Relation setzen muss», so der Experte. Bei aussergewöhnlichen Objekten spricht die Branche zudem oft von einem sogenannten Liebhaberwert. Da schüttelt Roy den Kopf: «Ich bevorzuge von Begebenheiten zu sprechen, die einem wichtig sind und für die jemand bereit ist mehr zu bezahlen.» So wie eine Liegenschaft am Wohlensee, mit Seeanstoss, Bootssteg und Alleinlage. «Bei diesem Fall war das Haus in keinem guten Zustand mehr, die
aussergewöhnliche Lage aber bietet Begebenheiten, die für gewisse Menschen wichtig sind und einen Preis haben.» Was das Haus an Wert einbüsst, gewinnt die Lage wieder dazu. Der Verkauf ging entsprechend ohne Probleme über die Bühne.

Zweimal verkaufen

Und das ist nicht selbstverständlich. Die Banken bewerten die Liegenschaft ebenfalls. «Oft höre ich deshalb, dass die Käuferschaft sagt, sie kaufe die Liegenschaft, aber nur zum Preis, den die Bank empfiehlt.» Ärgern tut das den Experten nicht, schliesslich geht es auch darum, die Käuferschaft vor verfehlten Preisen zu schützen, aber Roy gibt zu bedenken: «Meistens schätzen die Finanzinstitute das Objekt aus dem Büro heraus ein. Was dann fehlt, sind die Mehrwerte, welche der Einzelfall bietet.» So geschehen bei einem grossen Haus im Kanton Freiburg. Der Wert unterschied sich um 100’000 Franken. Die Bank hat aber den Keller als gewöhnliche Unterkellerung berechnet. Stattdessen war dieser mit einem temperierten Weinkeller mit Gewölbe, Verglasung und Beleuchtung ausgestattet. Erneut eine Begebenheit, für die gewisse Menschen bereit sind mehr zu bezahlen. Die Bank hat den Mehrwert nach der Intervention des Experten erkannt und angepasst. «Als ich selbst noch Banker war, ging ich jedes Objekt vor Ort anschauen. Das würde ich mir heute von den Banken wieder etwas mehr wünschen», meint er. Welche Banken sich mehr oder weniger eignen spiele eine kleinere Rolle als die Tatsache, dass man der Bankperson vertrauen können muss und diese das Geschäft kompetent begleiten könne. Grundsätzlich gelte aber: «Theoretisch muss man eine Liegenschaft immer zweimal verkaufen. Einmal dem Käufer und dann noch der Bank.» Ein Immobilienprofi muss deshalb mit Banken umgehen können.

Die Odyssee des falschen Preises

Was geschehen kann, wenn eine Liegenschaft mit einem falschen Preis am Markt präsentiert wird, gleicht vielfach einer Odyssee: «Wenn man eine Liegenschaft mit einem gefühlten subjektiven Preis zu hoch ausschreibt, werden sich primär sehr wenige melden. Wenn man dann den Preis nach unten korrigiert, reagiert der Markt skeptisch. Das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt macht sich breit.» Roy wird nun etwas nachdenklicher und ergänzt: «Das geschieht leider viel zu oft.» Das Resultat ist dann, dass diese Liegenschaften häufig zu Ladenhütern werden oder der Preis noch deutlich weiter gedrückt wird. Eine Odyssee beginnt, der Ausgang ist dann nicht selten wenig erfreulich. Man kann den Handel drehen und wenden wie man will, nur mit einem korrekten Preis lässt sich der Verkauf einer Liegenschaft gefahrlos ins Ziel bringen. Für den Experten ist das aber eine gute Nachricht, denn er meint zum Schluss: «Menschen wollen ehrlich beraten werden. Wenn das fehlt, haben sie schnell das Gefühl, das ganze Geschäft sei nicht sauber.»

All zu analytisch will Roy Rocskai aber nicht werden. Schliesslich ist ein Liegenschaftskauf nicht nur Vertrauenssache, sondern hat auch schnell mit vielen Emotionen zu tun. Solche, welche das Haus selbst auslöst und jene, welche die Käufer und Verkäufer mitbringen. «Ich bin kein technischer Verkäufer, ich verkaufe einen Nutzen und Emotionen und die sind zahlenmässig schwer zu bewerten.» Letztendlich ist also bei der Bewertung die Frage massgebend: «Welchen Wert haben die Emotionen?»

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