«Z’oberst ufem Bärgspitz Stei uf Stei, bi Rägewätter und bi Sunne, da steit äs gäbigs Manndli ohni Bei, s’isch zfride ohni Huet u Gäld.» Der «Steimandli Juz» gehört zum Klub wie der Gasthof Hirschen, die Kapelle von Sangernboden oder das «Schönebode-Fest». Es ist eines jener Lieder, in denen alles zusammenkommt, was die 50-jährige Geschichte der Jodler ausmacht. Zufriedenheit mit dem Hier und Jetzt, die Kameradschaft von Menschen, die ihre Gegend aufrichtig schätzen, und die Bescheidenheit über das eigene Wirken, selbst wenn daraus Grossartiges entsteht. Die Probe aufs Exempel macht die OK-Sitzung wenige Wochen vor dem geplanten Fest.
Unaufgeregt
Corona wütet, das Jubiläum musste um ein Jahr verschoben werden und das OK bereitet unbeirrt sein Fest vor. Schwierigen Situationen begegnen die Kameraden mit einem altbewährten Mittel: Beharrlichkeit und einer Prise Humor. Langes Lamentieren, endloses Verweilen in den Traktanden, das kennt man hier nicht. Dafür eine alte Guggisberger Eigenschaft: Die Dinge direkt ansprechen, auch wenn die Bise weht. Nächstes Traktandum: Werbung. Wie macht man einen Flyer? Mit einem Grafikatelier? So etwas kennt man hier oben nicht. Dafür aber Bleistift und ein Stück Papier. Roland Burri mahlt die Kirche von Sangernboden mitsamt Bergkulisse und schon entsteht ein Flyer, der authentischer nicht sein könnte. Nächster Punkt. Wie viel soll der Eintritt kosten und wann öffnen die Türen der Mehrzweckanlage in Riffenmatt? Die Meinungen gehen auseinander, die Erfahrungen werden abgeglichen, Entscheidungen getroffen. Der Zeitplan steht, die Kosten auch. So geht das, ohne Flipchart und Gruppenarbeiten, einfach, direkt und konkret. Der Text für den Festführer ist geschrieben. Gegenlesen, Rundmail? Nicht bei Flüehblüemli. Nein, er wird vorgetragen; zwar nicht gesungen, aber gelesen. Die Meinungen fliessen ein, die Anpassungen werden gemacht, wenig später steht der Text.
Erfahren
Man hat das Gefühl, dieses OK könnte an einem Abend eine 1.-August-Feier, die Schafscheid sowie ein Schulfest organisieren und parallel noch proben. Letzteres ist vielleicht gerade der einzige Punkt, der dem Team Sorgen bereitet: Wie kann man gut jodeln, ohne durchgängig zu proben? Sie sorgen sich, trotz eines beachtlichen Repertoires und 50 Jahren Erfahrung. Für dieses Jubiläum will jede und jeder sein Bestes geben. «Z’oberst ufem Bärgspitz Stei uf Stei gseht äs uf alli Lüt hie unge, cha läbe ohni chöstlechs Huus u Heim, äs ghört ihm doch di ganzi Wält.» Die zweite Strophe des «Steimandli Juz» beschreibt im Grunde genommen nichts weniger als das Leben in Guggisberg oder eben Sangernboden. Zufriedenheit in der Abgeschiedenheit, Bescheidenheit und Dankbarkeit beim Anblick der umgebenden Natur, ja auch ein wenig von oben herab, vom «Bärgspitz». Die Jodler vom Flüehblüemli tragen die Melodie nicht im Kopf, sondern im Herzen.
Herzlich
Das Liedgut ist sorgfältig ausgewählt, die Sängerinnen und Sänger können sich mit den Worten identifizieren, sie meinen, was sie singen. Das ist es, was die Auftritte so emotional macht. Es singen nicht 18 Klangkörper, sondern 18 Herzen. Das spürt das Publikum, das ist aber auch der Grund, weshalb der Klub solch langjährige Mitglieder hat; zwei davon sind seit der Gründung vor 50 Jahren dabei. Man munkelt, dass es bereits etliche Momente gab, in denen die Sänger selbst schon das eine oder andere Mal ihre Hühnerhaut oder ein Tränchen verdeckten, wenn sich ihr Herz mit jenem der Kameraden zu einer vierstimmigen Harmonie vereint. Das dürfte am bevorstehenden Jubiläumskonzert nicht anders sein. Vor wenigen Monaten verstarb mit Hermann Hürst ein Gründungsmitglied. Wenn Corona nicht wäre, hätte er das Jubiläum noch miterlebt. Ihm werden sicherlich die einen oder anderen Klänge gewidmet sein. Immer dann, wenn das Herz singt.