Wenn Landwirtschaft Menschen verbindet

Wenn Landwirtschaft Menschen verbindet

«Es kommt auf jeden an», sagt Christoph Houriet. Alle Menschen aus der Sozial­therapie sind in die Landwirtschaft integriert. Die Familien Panter und Houriet bieten ein Zuhause und eine sinnvolle Arbeit für alle an.

«Salut, schön dass du da bist», begrüsst Franz, einer der Bewohner, die Gäste. Zu seinen Füssen liegt eine Apfelkiste. Es ist Erntezeit auf dem «Ratzenbergli». Mitten in den Beeten mit Gemüse, dass an einem Südhang trotz der Höhe von 900 Metern über Meer kräftig gedeiht, kauert Seraina Houriet und schneidet Randen. «Wir haben die Anbaufläche erweitert, befüllen derzeit 9 Gemüsekisten pro Woche und beliefern 2 Grossküchen, den Rest benötigen wir für die Selbstversorgung», schenkt sie Einblick in den Gemüseanbau. Mit grossem Aufwand werden hier alle Pflanzen selber gezogen und anschliessend in Fruchtfolge ausgepflanzt.

Im Gleichgewicht
Rund um die Randen herrscht emsiges Treiben und schnell wird ersichtlich: Die Landwirtschaft ist hier keine Alibiübung, sondern ein wirtschaftliches Standbein. «Beide Bereiche, das Soziale wie die Landwirtschaft sind gleich wichtig», sagt Seraina Houriet und legt weitere Randen in die Kiste, bevor Franz und seine Kollegen diese in den Schatten bringen. Nur wenige Meter weiter östlich steht Christoph Houriet und bindet mit Hilfe weiterer Bewohner Bohnen auf. Zeit, miteinander zu reden, Zeit, einander zuzuhören. «Wir sind 2 Familien im Betrieb zusammen mit Menschen, die sich ebenfalls wohlfühlen und ihren Lebensmittelpunkt hier sehen. Alle sind miteingebunden und wir planen gemeinsam die Arbeit», fasst er zusammen.
Klein, aber Daheim
Offensichtlich gelingt das vollends. Die Menschen lachen, arbeiten und reden miteinander; alles wirkt wie selbstverständlich. «Wir sind ein kleiner Anbieter mit 4 Langzeitplätzen für erwachsene Menschen mit Beeinträchtigungen und bieten zusätzliche Plätze für jene, die etwas weniger lange da sind, etwa um eine Auszeit zu nehmen», verrät er einen der Gründe für das Wohlfühlen: Es herrscht eine familiäre Stimmung. Wenn neue Menschen dazustossen möchten, dann bietet das «Ratzenbergli» eine Schnupperzeit von 3 Wochen an. «Man lernt sich kennen und kann dann besser entscheiden, ob das Zusammenleben passt», erklärt Houriet.

Kühe inklusive
Inzwischen kommt Bewegung in den Stall, die Kühe werden gemolken. Es ist ein Schauspiel der seltenen Art, denn mitten im Stall bewegen sich die Kälber frei und geniessen ihre Zeit bei den Müttern. «Wir möchten, dass sie nicht gleich nach der Geburt separiert werden, die Kälber bleiben mindestens vier Monate bei uns», erzählt Verena Panter. Die Milch können sie gut verkaufen und einen Teil nutzen die Bewohnerinnen und Bewohner für die Selbstversorgung. Der Demeter-Betrieb stellt nicht nur nachhaltige Lebensmittel her, er ist auch in der Lage, alle Menschen auf dem Betrieb grösstenteils satt zu machen.

Lernen können alle
Seit dem Jahr 2009 existiert das Angebot auf dem «Ratzenbergli» in dieser Form. Auf einer Fläche von 22,4 Hektaren Land und Wald finden Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen zueinander und bestellen das Land mit grösstmöglicher Sorgfalt. «Der Respekt vor unserem wertvollen Boden und allem, was darauf wächst und gedeiht, verbindet uns alle», fasst Seraina Houriet zusammen. Die farbenfrohe Artenvielfalt rund um die Gebäude ist die summende und zirpende Begleitmusik zu diesen Worten. Möglich ist dieses familiäre Miteinander nur mit der Bereitschaft aller, stets dazulernen zu wollen. Lernen können alle auf dem ‹Ratzenbergli›. Nicht zuletzt deshalb besuchen auch Schulklassen den Betrieb. Sie erfahren viel über die Zusammenhänge von Natur und (Agri-)Kultur.

Die Gespräche halten einen Moment inne: Die Hühner sind in den Gemüsegarten geflattert und es bedarf einer kleinen Weile, um die pickenden Helfer wieder auf die erwünschten Flächen zu bringen. In solchen Momenten wird ersichtlich, was Christoph Houriet meint mit Lebensmittelpunkt. Man hilft sich, man schaut aufeinander und agiert miteinander. Die beiden Familien mit ihren insgesamt 7 Kindern, alle anderen Bewohnerinnen und Bewohner des «Ratzenbergli», zusammen engagieren sie sich mit Herz und Freude. Auf Franz wartet noch eine Kiste, aber er nimmt sich die Zeit und das Lächeln, um den Besuch, der mitten in der Erntezeit vorbeischaut, herzlich zu verabschieden: «Salut, schön dass du da warst».

Teilen Sie diesen Bereich

Beitrag:
«Wenn Landwirtschaft Menschen verbindet»

Die meistgelesenen Artikel

Kontakt

Datenupload

Der einfachste Weg uns Ihre Daten zu senden!

Werbeberatung

Schritt 1 von 2