Wie Kantonsgrenzen die Fitness beeinflussen

Wie Kantonsgrenzen die Fitness beeinflussen

ls der Kanton Bern Mitte Oktober beschloss, dass die Sportstätten geschlossen werden müssen, war das Entsetzen gross. Während man in Flamatt trainieren konnte, standen im 6 km entfernten Laupen die Sportler vor verschlossenen Türen, nun ist es umgekehrt.

Am 24. Oktober am späten Freitagnachmittag kam die Hiobsbotschaft für alle Trainingswilligen im Kanton Bern. Alle Sportstätten, darunter eben auch Fitnessstudios, mussten geschlossen werden. Ein Schlag ins Gesicht für die Betreiber und den Schweizerischen Fitness- und Gesundheitscenter-Verband (SFGV). Sie verfassten einen offenen Brief an den Bundesrat und alle Kantonsregierungen. In diesem stand unter anderem: «Eine Massnahme, die fatalerweise genau das Gegenteil von dem bewirken würde, was das Ziel ist. Denn professionell geführte Fitnesscenter sind keine Spassbetriebe. Im Gegenteil, sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Volksgesundheit.»

Weiter wurde darauf hingewiesen, dass gesundheitsorientiertes Kraft- und Ausdauertraining im Center für viele Menschen eine wichtige Quelle zur Stärkung des Immunsystems sei. «Eigentlich müssten alle Menschen in der Schweiz dazu animiert werden, ihre Muskeln zu aktivieren und zu trainieren und damit ihr Immunsystem zu stärken. Das Training sollte aber in einer geschützten Umgebung erfolgen», lauteten die Argumente des SFGV. Der Verband betonte, dass man seine Verantwortung ernst nehme. So wurde unter Mitwirkung von Daniel Koch, dem ehemaligen Leiter der Abteilung «Übertragbare Krankheiten» beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), das Schutzkonzept an die neusten Vorgaben des BAG angepasst.

Wiedereröffnung
Das Konsumentenmagazin «Gesundheitstipp» testete 16 Center, in keinem von ihnen wurden Viren gefunden. «Das belegt, dass die Center ihre Schutzkonzepte im Griff haben und darauf achten, dass die Trainierenden ihr Immunsystem in einer sicheren Umgebung stärken können», zeigt sich der SFGV überzeugt. Mit Beispielen zu Studien versuchte der Fitnessverband noch einmal die Wirkung von Muskeltraining auf das Immunsystem zu untermauern. Auch die wirtschaftliche Seite wurde betont: «Unsere Branche gehört zur Grundversorgung und in den gleichen Wirtschaftsbereich wie Gesundheit, Physiotherapie, Rehamassnahmen oder auch Restaurants, Coiffeur, Verkaufsläden.» Der Appell zeigte Wirkung, so durften am 2. November die Fitnessstudios im Kanton Bern unter strengen Auflagen wieder öffnen – u.a. dürfen maximal 15 Personen unter Aufsicht eines Trainers gleichzeitig Sport machen. Nicht alle Fitnessanbieter nutzten die Chance. Einige informierten ihre Mitglieder darüber, dass sie zum Schutz der Gesundheit geschlossen bleiben und so die Massnahmen des Bundes zur Eindämmung der Pandemie unterstützen. Andere sprechen offen darüber, dass es sich finanziell für sie nicht lohnt mit dermassen grossen Einschränkungen zu öffnen.

Anpassungen
Beat Bernhard, der Inhaber von «FEEL IT-FITNESS» in Laupen, sagt: «Die Umsetzung der Auflagen ist aufwändig und kostenintensiv. Viele Mitglieder sind durch die Medien weiterhin verunsichert und meiden sogar Aktivitäten in streng überwachten Räumlichkeiten». Er möchte seinen Mitgliedern die Möglichkeit geben zu trainieren, denn «unser Team hat diverse Ausbildungen im Gesundheitsbereich absolviert und möchte einen Beitrag zur Gesundheit leisten». Schon seit dem Frühjahr wurden die Geräte so weit auseinandergestellt, dass mit mindestens 2 m Abstand oder mit Abschrankungen (z.B. Plexiglas) die Sicherheit gewährleistet werden kann. Dank der Raumhöhe von 8 m sowie der Lüftungsmöglichkeiten, ist der stetige Luftaustausch gewährleistet. Die vollelektrische Frischluftzufuhr, die über Sensoren gesteuert wird, trägt ihres dazu bei. Auch sonst hat der Inhaber sich Gedanken gemacht: «Wir haben umgebaut, sodass der Raum für die Gruppenkurse nun seinen separaten Eingang hat. Ausserdem wurden die Kurszeiten so gelegt, dass der Beginn versetzt zu den Slot-Anfangszeiten der anderen Trainierenden ist.» Dass die festen Termine im Endeffekt für mehr Begegnungen sorgen, weil alle die gleiche Start- und Endzeit haben, ist von einigen Anbietern zu hören. Meist sind aber keine 15 Leute gleichzeitig da. Eine gewisse Vorsicht ist also immer noch zu spüren.
Etwas für die Gesundheit machen
Für diejenigen, die Angst haben oder sich Sorgen machen, bietet das «FEEL IT-FITNESS» die Möglichkeit, den Gruppenfitnessraum als «geschützten Raum» zu benutzen. «Wir haben ein Multifunktions- sowie weitere Geräte für das Training in diesem Raum, so kann jemand, der z.B. zur Risikogruppe gehört, den Raum nutzen und alleine trainieren. Vor jeder Benutzung wird der Raum desinfiziert und gelüftet», erklärt Beat Bernhard. Aufgrund der Ausrichtung auf Gesundheitstrainings zählen zur Kundengruppe eher die etwas älteren Personen. «Für diese ist es wichtig, dass sie ein geführtes Training absolvieren können. Viele benötigen ein regelmässiges Training, um schmerzfrei zu bleiben.» Die Wichtigkeit für das Immunsystem betont er ebenfalls, es sei schliesslich erwiesen, dass man resistenter gegen Viren wird. Ein weiterer Faktor ist die Psyche: «Training gibt zurzeit vielen die Normalität zurück, die momentan oft nicht vorhanden ist. Ich beobachte, dass viele ein positives Gefühl haben, wenn sie hier mit anderen interagieren, trotz des Abstands.» Das sei ein Grund, warum das Gruppenfitness ebenfalls angeboten wird.

Keine Unterscheidung
Es müsste ein Unterschied zwischen denjenigen gemacht werden, die ein ausgefeiltes Schutzkonzept haben, und denen ohne. So durften zum Beispiel Turnhallen offenbleiben und Sportvereine konnten Kurse anbieten ohne ein solches Konzept, wie es professionelle Anbieter haben. «Wir achten explizit auf die Einhaltung unseres Konzeptes. Es ist immer jemand von unserem Team vor Ort, so können wir agieren, sollte es nicht eingehalten werden. Aber das ist eigentlich kaum der Fall, da unsere Kunden sehr diszipliniert sind», so Beat Bernhard. Er bemängelt, dass zu wenig auf die Grösse und Ausstattung der verschiedenen Fitnesscenter geachtet wird. Überall dürfen 15 Personen trainieren: «Da stimmt die Verhältnismässigkeit nicht.»

Umgekehrte Vorzeichen
Auch Sonja Aebischer, die Geschäftsleiterin von «Schneider Gesundheit», zeigt sich ähnlich enttäuscht. Sie war eine derjenigen, die von Anfang an für die Wiederöffnung der Fitnesscenter kämpfte. Bei meinem Besuch war es so, dass im Kanton Freiburg noch trainiert werden durfte. Während in Freiburg trainiert wurde, waren im 6 km entfernten Laupen die Türen verschlossen. Ein Berner Radiosender hatte daraufhin angerufen und gefragt, ob bei «Schneider Gesundheit» Schadenfreude herrsche. Das verneinte Aebischer klar, schliesslich ginge es um die gemeinsame Sache: «Die Gesundheit sollte die oberste Priorität haben. Für mich gehört das zielgerichtete Training zu den Grundbedürfnissen der Menschen.» Inzwischen ist die Situation umgekehrt. In Bern kann im Studio Sport gemacht werden, im Nachbarkanton nicht. Ob diese Regelung zielführend bei der Bekämpfung von zu viel Mobilität in der Bevölkerung ist, sei dahingestellt. Denn schon länger gibt es Fitnessabonnemente, die schweizweit gelten. So gingen vom Kanton Bern viele nach Solothurn oder Freiburg und nun eben Freiburger nach Bern, um ihrem Sport nachzugehen. Im Endeffekt also das genaue Gegenteil von dem, was erreicht werden sollte. Schliesslich ist es meistens so, dass Abos in der Nähe des Wohn- oder Arbeitsortes abgeschlossen werden.
Einheitliche Regeln
Wie Beat Bernhard kritisierte auch die Geschäftsführerin die ungleichen Massstäbe. So sei es, wie schon vorher in Bern, möglich den Yogakurs in der Turnhalle zu besuchen, ein Besuch in einem Center mit Schutzkonzept wird aber verboten. Was das Thema Training mit Maske angeht, hatte man sich in Flamatt an das Schutzkonzept des SFGV gehalten, das bis dahin eine Pflicht nur im Eingangs- und Garderobenbereich vorschrieb. «Es ist einfach kontraproduktiv, wenn sie die Maske zwischen den Geräten anziehen, dann wieder aus. Sie wird dann über den Arm gestülpt oder in die Tasche gesteckt, was nicht zielführend ist, da die Maske kontaminiert wird. Aber falls es erforderlich ist, würden wir der kompletten Maskenpflicht natürlich zustimmen. Wir haben auf Abstand, Desinfizieren und Händewaschen gesetzt», erläutert Aebischer. Wo keine Abstände eingehalten werden können, wurden Trennwände aus Plexiglas eingesetzt oder aufgehängt. Manch einer scherzte auf dem Koordinationsgerät «SensoPro» schon, dass man sich wie ein «Batteriehuhn fühle». Schliesslich ist man von 3 Seiten gegen seine Mitmenschen abgeschirmt. Auch in ein UV-C Umluftsystem (siehe Ausgabe vom Oktober dieser Zeitung) wurde investiert, um die Sicherheit zu gewährleisten. Momentan alles vergebens.

Für die Gesundheit
Dabei gehört Bewegung nicht nur zur Freizeitbeschäftigung und gezielten «Körperpflege», wie viele meinen, sondern sei wichtig für das allgemeine Wohlbefinden. «Gerade jetzt, wenn man nicht viel machen darf, schlägt das vielen aufs Gemüt. Dazu kommt die Herbst- und Winterzeit, die ebenfalls eine Auswirkung auf unsere Psyche hat. Gezieltes Krafttraining schüttet Hormone aus, die stimmungsaufhellend wirken und das Immunsystem sowie die Hirn­aktivitäten stärken. Das ist wissenschaftlich bewiesen», erörtert die Schwarzenburgerin. Proaktiv und präventiv kann so etwas für die Gesundheit getan werden. Studien zeigen, dass im ersten Lockdown die Zahl der Alkohol­abhängigen und Menschen mit Depressionen gestiegen sind, bei vielen hat sich die Arthrose verschlechtert. «Es geht nicht nur um Einzelunternehmen, sondern darum zu erkennen, dass Gesundheitscenter systemrelevant sind», macht Sonja Aebischer deutlich. Denn mit nur ein wenig spazierengehen, lässt sich die Hormonausschüttung nicht erzielen.

Sport für alle
Auch Menschen, die anfangen, von einer Verletzung zurückkommen oder unter sonstigen körperlichen Beschwerden leiden, müssten die Möglichkeit haben, unter Anleitung und/oder gezielt zu trainieren. «Wenn ich zu Hause mit meinem eigenen Körpergewicht Übungen mache, dann kann das schon zu viel sein. Oft ist es die doppelte Belastung. Im Studio an Geräten kann man das Gewicht z.B. nur um 1 kg erhöhen und beim nächsten Mal wieder.» Daher setzen sich Leute wie Sonja Aebischer, Beat Bernhard und viele mehr dafür ein, der Bevölkerung klar zu machen, dass Fitnesscenter wichtig sind. Denn es geht nicht darum, vor dem Spiegel zu posen oder ein Bodybuilder zu werden, wie viele meinen, sondern darum, allen die Möglichkeit zu bieten, sich gezielt zu bewegen. Denn sind wir doch einmal ehrlich: Wie viele haben in der kalten Jahreszeit, wenn es morgens lange und abends früh dunkel ist, noch Lust, joggen zu gehen oder allein vor dem Fernseher Übungen zu machen. Abgesehen von denen, die es aus gesundheitlichen Gründen gar nicht können.

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