Willkommen in der Zukunft

Willkommen in der Zukunft

Viele Dörfer der Regionen haben eigene Lieder. Zur Dorfgemeinschaft gehört, wer die Lieder kennt. Diese prägnante Definition der UNESCO war der Startschuss für ein Projekt des Naturparks Gantrisch. In dessen Auftrag sammeln Johannes Josi und Daniel Jaun Volkslieder aus der Region. Sie sorgen mit viel Herzblut dafür, dass uns die musikalischen Schätze der Vergangenheit auch in Zukunft als Kulturerbe erhalten bleiben.

Um diesem edlen Vorhaben Folge zu leisten, haben die beiden einen ersten Teil der Lieder digital erfasst und auf der Webseite des Fördervereins Region Gan-trisch der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Dort warten 41 Volkslieder als PDF-Datei darauf, von Interessierten neu entdeckt zu werden. Das regionale Liedgut wurde dabei mit einem Notenschreibprogramm erfasst, um eine einheitliche Darstellung zu ermöglichen. Falls die Lieder nicht urheberrechtlich geschützt sind, besteht die Möglichkeit sie zu nutzen und nach individuellen Bedürfnissen zu bearbeiten. In naher Zukunft werden die Interessierten auch in den Genuss einer qualitativ hochwertigen Tonspur kommen. Die Sammlung befindet sich in einem stetigen Weiterentwicklungsprozess. Damit soll der Allgemeinheit ein noch besserer Zugang zu den Schätzen der Vergangenheit geboten werden. 

Eines dieser musikalischen Schmuckstücke hat es Josi besonders angetan. Mit leuchtenden Augen berichtet er vom alten Guggisberg Lied. Eine der wohl bekanntesten Melodien, die unsere Region zu bieten hat. Zudem basiert das Lied noch auf wahren Begebenheiten. Die Geschichte vom Vreneli von Guggisberg ist etwa 350 Jahre alt und mag sich zwischen 1660 und 1670 zugetragen haben. Schriftlich erwähnt wird das alte Guggisberg Lied schon 1764 vom österreichischen Staatsmann Karl Graf von Zinzendorf, der es auf einer Schweizreise in Chur kennengelernt und aufgeschrieben hatte. Auch wenn das Lied aus verschiedenen Teilen besteht, blieb es doch als Ganzes über Jahrhunderte erhalten. Bis heute gibt es verschiedene Vertonungen dieser unverkennbaren Melodie und es dient unterschiedlichsten Interpreten, unter anderem Stephan Eicher und Steff la Cheffe, als Vorlage für neue Werke. 

Ein Grossteil der Sammlung stammt aus der 1965 veröffentlichten Liedersammlung von Albert Binggeli. Insgesamt haben die beiden Freunde rund zwanzig Singbücher aus der Region nach den Schätzen aus der Vergangenheit durchsucht. Die Schatzsucher waren selbst positiv überrascht, wie viel Liedgut aus den vergangenen Tagen noch vorhanden ist. Laut Josi beläuft sich das Durchschnittsalter der Lieder auf 100-150 Jahre. Während des Suchprozesses fiel ihr Augenmerk auch auf das Einzugsgebiet Sense-Oberland, weil dort noch eine enorme Fülle an regionalen Liedern vorhanden sei, die sie bereits gesammelt hätten und die sich nun in der Bearbeitung befinden würden, so Josi. In der Bearbeitungsphase gibt es eine klare Arbeitsteilung, wobei beide ihre reichlich vorhandenen Ressourcen zum Einsatz bringen können. Der ehemalige Lehrer und Chorleiter Josi kümmert sich mit grosser Leidenschaft um die sprachlichen Feinjustierungen, dabei steht ihm der Sensler Mundartexperte Christian Schmutz unterstützend zur Seite. Die Liedtexte sind so verfasst, wie sie auch im regionalen Dialekt klingen. Jaun, der als Musiker tätig ist, übernimmt die Verantwortung für den musikalischen Teil. Dabei versucht er die Notation und den Takt der heutigen Zeit anzupassen. Die Themen der Lieder sind fast so vielseitig wie die Menschheitsfamilie selbst und behandeln Thematiken, die immer noch brandaktuell sind, konstatiert Josi. Zudem fordert er mehr Kultur für das Bildungswesen und sieht als ehemalige Lehrperson einen klaren pädagogischen Auftrag, da Singen mit Erleben einher geht. Es würde ihm eine aussergewöhnliche Freude bereiten, wenn Lehrpersonen das regionale Liedgut in den Unterricht und Schulalltag integrieren würden, da es der nachkommenden Generation dabei hilft, sich aktiv mit der Region auseinanderzusetzen und in Teilen auch zu identifizieren. Weiter warnt Josi: «Wenn wir dieses Liedgut vergessen, verlieren wir einen Teil unserer Identität.»

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