Zeitlose Meisterwerke für die Zeitmessung

Zeitlose Meisterwerke für die Zeitmessung

Im Liebefeldpark steht eine von zwei halbdigitalen Sonnenuhren, die Léon André entworfen hat. Der pensionierte Medizin-Physiker hat auch das Astrolabium der Uhr am Zytglogge elektronisch nachgebaut. Seine Werke sollen die Neugierde auf Entdeckungen wecken und Fragen auslösen.

«Uns wird viel präsentiert. Dass wir selbst Dinge entdecken, passiert leider weniger häufig», begründet Léon André seine Motivation, «obschon gerade solche Momente bleibende Erlebnisse sind.» Er sei kein Missionar, betont er, ist jedoch überzeugt, dass bei den Menschen die Neugierde geweckt werden sollte. Eine Sonnenuhr in einem Park sei natürlich keine Notwendigkeit, ist er sich bewusst, «die Idee dahinter ist die, dass sich die Menschen beim Betrachten Fragen stellen: Was ist Zeit, was ist der Bezug zur Astronomie und was hat dies mit uns zu tun? Es gibt so viele Dinge, über die es sich lohnt, nachzudenken.» Der Prototyp einer halb-digitalen Sonnenuhr steht auf der Terrasse seines Hauses und ist ein Lockdown-Produkt aus der Corona-Pandemie. Der Wissenschaftler hatte Zeit, sich Gedanken zu machen über die Bahn der Sonne, die den Tagesverlauf der Natur und der Menschen bestimmt. Wie es auch unsere Vorfahren taten, die erst den Schattenwurf natürlicher Gegenstände zur Zeitmessung verwendeten und später die klassische Sonnenuhr entwickelten, bei welcher sich der Schatten eines Stabes auf einem skalierten Ziffernblatt dreht und so die jeweilige lokale Tageszeit angibt. «Die Zeit hatte früher nicht die gleiche Bedeutung wie heute,» ergänzt Léon André; deshalb erstaunt nicht, dass die Sonnenuhr immerhin bis anfangs des 19. Jahrhunderts Verwendung fand. 

Die Neugierde reicht

Seine Sonnenuhren bezeichnet der Physiker als halb-digital, weil die Stunden digital und die Minuten auf einer analogen Skala ablesbar sind. Die Sonnenuhr im Liebefeldpark verfügt über einen Audioguide mit Erklärungen, die mittels eines QR-Codes auf dem Handy angehört werden können. Das ist gut so, denn die Lehren der Physik, die sich mit den grundlegenden Erscheinungen der Natur befassen, können sehr komplex sein. Und kaum jemand gerät ins Schwärmen, wenn es um das Schulfach Physik geht. Obschon, ist Léon André überzeugt, eine anfängliche Neugierde vollkommen reichen würde, um das Interesse zu wecken. Er unterstreicht dies mit seinem eigenen Lebenslauf: «Ich war ein katastrophaler Primarschüler, der in die Hilfsschule abgeschoben wurde. Während 10 Jahren besuchte ich neun verschiedene Schulen, da die Promotion immer wieder gefährdet war.» Die Logik hinter den Zahlen verstand er jedoch schon früh. Sein Weg vom schlechten Schüler zum Studenten und schliesslich zum Doktor der Physik ist eine wohltuende Botschaft für Menschen, denen nicht gleich alles gelingt und die trotzdem Wünsche haben. Der Wunsch, eine neuartige Sonnenuhr zu konstruieren, schlummerte bereits während der Studienzeit in Léon André. Er stellte Berechnungen an und war überrascht, wie einfach das zu machen wäre. Gemacht hat er es dann viel später. 

Das hohe Kulturgut Zytglogge  

Die Parallelen zwischen einer Sonnenuhr und der astronomischen Uhr am Zytglogge, die als Astrolabium bezeichnet wird, entfachten bei Léon André eine neue Faszination. Astrolabien wurden schon im Altertum entwickelt. Als davon ausgegangen wurde, die Erde sei das Zentrum des Universums und werde von verschiedenen Sphären mit fixierten Himmelskörpern umkreist. Bei diesen Astrolabien wurde der Bezug zwischen den Sphären von Hand eingestellt. Das Berner Astrolabium gehört zu den ersten, das mechanisch angetrieben wurde, und zeigt die Sphäre der Fixsterne in Form des Tierkreises, ebenso die Sphären des Mondes und der Sonne. «Ich wusste sehr wenig darüber, also habe ich mich eingelesen», lautet die schlichte Erklärung von Léon André für das, was er danach erarbeitet hat: den Nachbau der Funktionen des Astrolabiums als Software. Grundlage dazu bilden Ausschnitte von Zytglogge-Fotos, die in verschiedenen Ebenen vom Programm bewegt werden. Damit machte der Wissenschaftler optisch sichtbar, was sich im Inneren der Uhr seit mehr als 600 Jahren abspielt. Für Léon André ist die Zytglogge-Uhr eines der höchsten Kulturgüter der Schweiz. Er möchte dieses den Menschen näherbringen. «Bestaunt wird das Karussell mit den kleinen Bären. Das wahre Kulturgut ist jedoch das Astrolabium.» Bei der touristischen Vermarktungsorganisation «Bern Welcome» hat er die Idee eingebracht, beim Durchgang des Turms einen Bildschirm zu installieren, um die Vorgänge sichtbar zu machen. Oder einen QR-Code anzubringen, um akustische Informationen zu erhalten. Obschon sein Anliegen bisher nicht umgesetzt wurde, wird sich Léon André weiterhin darum bemühen. «Es ist schade, wenn Menschen an solchen Dingen vorbeigehen und spannende Entdeckungen verpassen. Die Stadt Bern ist ihren Touristen eigentlich etwas schuldig.»

INFO:

www.sun-watch.ch

www.astrolabium.ch

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