Es sollte eines werden, in dem keine Fetzen fliegen. Nicht mal Wortfetzen, dafür argumentierten die beiden viel zu besonnen. Aber es entwickelte sich ein spannendes Match um Ansichten, Werte, Prozesse und Notwendigkeiten.
Schulraum
«Die Bildungslandschaft hat sich schnell verändert. Wir benötigen pro Schüler mit dem neuen pädagogischen System 40% mehr Fläche. Bei gleichzeitigem Wachstum der Gemeinde sorgt das für immense Kosten, die zusehends zum Problem werden», sagt Christian Burren. Diese Aussage überrascht nicht. Burren leitete das Finanzdossier während der letzten Phase des budgetlosen Zustands in der Gemeinde, ehe die Steuererhöhung endlich den ersehnten Befreiungsschlag brachte. «Wir haben 400 Mio. Franken Schulden und wir können die in einer ersten Phase bestenfalls stabilisieren. Das wiederum bedeutet, dass wir uns in etwa auf 50 Mio. Franken pro Legislatur für die Erweiterung des Schulraums einigen müssen. Für ganz alle Wünsche wird es also nicht reichen», gibt er zu bedenken.
Für Tanja Bauer geht es nicht um Wünsche, sondern darum, den notwendigen Bedarf an Schul- und Tagesschulraum gut abzuklären und dann auch bereitzustellen. «Bildung und Betreuungsplätze für Kinder sind wichtige Ressourcen, um Köniz voranzubringen.» Was Tanja Bauer als Notwendigkeit herausstreicht überrascht nicht. Dieser politische Bereich gehört zu ihren Kernkompetenzen. Zu ihrem Wahlkampfversprechen Köniz weiter positiv zu entwickeln gehört für sie auch, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und damit die Gleichstellung zu stärken und den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Als Beispiel nennt sie immer wieder die Ganztagesschule. «Ein Pilotprojekt in Köniz, dank dem die Kinder optimal betreut und die Familien entlastet werden. Das sorgt letztendlich auch für mehr Steuereinnahmen, weil beide Elternteile mehr arbeiten können.»
Finanzstrategie
Und schon führt die Notwendigkeit von mehr Schulraum zur Notwendigkeit sorgsam mit den Finanzen umzugehen. Ein Punkt, den auch Tanja Bauer grundsätzlich teilt. «Ja, wir hatten ein Problem mit einem zu tiefen Steuersatz im Vergleich dazu, was alles investiert werden muss. Die Differenz mussten wir zu immer grösseren Teilen mit Fremdmitteln decken. Wir werden wegen der aktuellen Finanzsituation das Mach- vom Wünschbarem trennen müssen. Aber die Investitionen, die dem Bedarf entsprechen, müssen wir tätigen, damit sich Köniz weiter positiv entwickelt», meint die Politologin. Klingt gut, lässt sich unterschreiben, aber aus Sicht von Christian Burren geht die Rechnung nicht auf: «Die Schulden können wir im Moment nicht abbauen, bestenfalls stabilisieren. Der ungebremste Ausbau der Schulräume ist ohne Schuldenanstieg nicht möglich.» Tanja Bauer kennt als Könizer Parlamentarierin die Zahlen. Sie unterscheidet: «Wir müssen zusätzliche Mittel generieren und Synergien bei den Infrastrukturen nutzen. Wir haben gute Schulen in Köniz, aber die zunehmende Nachfrage nach Tagesschulplätzen hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass der Gemeinderat oft reagiert hat, das ist teurer als zu agieren. Nun müssen wir wieder die Oberhand gewinnen und Synergien zwischen Bildung und Betreuung besser nutzen.» Und schon nähern sich die beiden Kandidierenden wieder an, wenngleich Burren abspricht, dass man in der Vergangenheit nur reagiert habe: «Die Gemeinde hat sich gut entwickelt und ist attraktiv, das belegen die Wachstumszahlen. Das Problem dabei ist, dass wir über die finanziellen Verhältnisse ausgebaut haben, die Entwicklung muss mit den Steuereinnahmen einhergehen. Die zusätzlichen Einnahmen dürfen nun nicht dazu führen, die Ausgaben weiter zu steigern, hier müssen neue Prozesse greifen. Wir steuern die Finanzen bisher rein über Projekte, das ist nicht mehr zeitgemäss. Wir müssen beginnen, in Prozessen zu arbeiten und nicht mehr auf einzelne Budgetposten bezogen.» Er kündigt also eine neue Struktur in der Finanzdirektion an.
Umwelt
Das ist zwar im Sinne von Bauer, sie gibt aber zu bedenken, dass mit neuen Prozessen nicht direkt Mittel generiert werden. «Das Ja zum Budget war ein wichtiger erster Schritt, um die Finanzen zu stabilisieren. Jetzt müssen wir gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft bieten und Köniz wieder in ein gutes Licht rücken, damit sich unsere Gemeinde weiterhin positiv entwickelt. » Tanja Bauer sagt, dass es neben einem guten Service Public auch Massnahmen braucht, um die CO2-Emissionen zu reduzieren und auf erneuerbare Energien umzusteigen, sowie eine Digitalisierung der Dienstleistungen. Langfristig verbessere das alles die Finanzen. Entwickeln wollen beide, nur streckt sich Burren eher nach der Decke der Einnahmen und Bauer will investieren, um eines Tages mehr einzunehmen. Die Probe aufs Exempel gibt die Umweltpolitik. «Auch in der Klimapolitik haben wir einen hohen Bedarf und müssen uns ins Zeug legen», unterstreicht Bauer. «Der Hitzesommer zeigt: Es braucht weniger versiegelte Flächen, wieder mehr Bäume im dicht besiedelten Gebiet und ein gut entwickeltes Velo- und Fussweg-Netz, auch zwischen den Quartieren.» Burren hingegen meint: «Das Klimareglement kommt und wir werden hier sicherlich tätig werden, das befürworte ich; nur gilt auch in diesem Bereich, dass wir begrenzte Mittel haben und über die gesamten Aufwände abwägen müssen, wieviel wir wo investieren.»
Verwaltung
Einigkeit besteht zum vielzitierten Verwaltungskoloss, der aus Sicht der beiden eigentlich eher ein Kolösschen ist. «Mit Blick auf Bern, Biel oder Thun fahren wir relativ schlank», vergleicht Tanja Bauer. Gemeinderat Burrren nickt anerkennend. Es steht jedoch eine Verwaltungsreform bevor und trotzdem könne man hier nur wenig sparen, meinen beide einhellig. «Was viele nicht wissen ist, dass wir ein System ohne Generalsekretariat haben. Das bedeutet die Gemeinderäte sind für ihre Direktion sowie für die organisatorische Führung verantwortlich. Wir führen also auch operativ die Einheiten. Das ist zudem kostengünstiger», sagt Burren. Tanja Bauer hatte vor einigen Jahren im Kanton Freiburg in einem Generalsekretariat gearbeitet und ergänzt: «Die Verwaltungseinheiten werden operativ von den Abteilungsleitungen geführt. Das ist in Köniz so, und auch in Generalsekretariatssystemen. Wichtig ist, dass der Gemeinderat die strategische Leitung ausübt und die Amtsleitungen mit Zielen führt.»
Führungsaufgaben
Die Notwendigkeit von Generalsekretariaten ist jedoch keine aktuelle Frage; viel mehr nutzt Bauer diesen Sachverhalt, um ihre Erfahrungen einzubringen. Etwas, was hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird, ist, dass Tanja Bauer keine Erfahrung in der Exekutive hätte. Dazu sagt sie: «Oft wird jemand ohne Exekutiverfahrung in ein Gemeindepräsidium gewählt. In Köniz war das in der Vergangenheit eher der Normalfall als die Ausnahme. Wichtig ist, was man sonst für Erfahrungen hat. Ich bringe politische Führungserfahrung und langjährige Verwaltungserfahrung mit. Viele wichtige Dossiers für die Gemeinde wie beispielsweise die Finanzen, die Wirtschaftsförderung, die Bildung und der Verkehr sind eng mit dem Kanton verknüpft. Als Grossrätin, Könizer Parlamentarierin und Politologin habe ich das nötige Wissen und kenne die Dossiers von beiden Seiten. Zudem bin ich überregional gut vernetzt, was für eine grosse Gemeinde wie Köniz ein Vorteil ist.» Wiederum andere munkeln bei Christian Burren, ob es denn wirklich Sinn mache, einen zu wählen aus jenem Gremium, das in der Vergangenheit nicht immer vorwärts gegangen sei. Hier nimmt er Stellung: «Wenn man jemanden will, der stehenbleibt und nicht vorwärtsgeht, dann darf man mich nicht wählen. Ich habe meine Direktion Planung und Verkehr massiv vorangetrieben. Vor meiner Amtszeit gab es keine Konzepte und Strategien. Angekündigt war vor meinem Amtsantritt ein Wachstum von 450 Einwohnerinnen und Einwohner; es kamen 1750. Ich habe Leitplanken entwickelt, die Wohnstrategie kommt nun ins Parlament und es bestehen Freiraumkonzepte. Das klingt jetzt nach etwas viel ich, der Fokus lag aber stets auf einem Team mit flachen Hierarchien. Gemeinsam haben wir angepackt und verändert und das möchte ich konsequenterweise auch weiter tun.»
Bei Tanja Bauer und bei Christian Burren gilt: Die Antworten sitzen, die Ideen sind geschrieben, die Motivation, in einer schwierigen Zeit viel Verantwortung zu übernehmen, vorhanden. Wo sich andere Gemeinden schwer tun, auch nur einen valablen Kandidaten zu finden, bringt Köniz zwei während einer laufenden Legislatur. Und beruhigend für die Gemeinde: Beide sind weit davon entfernt, populistisch veranlagt zu sein. Das Volk muss also ausjassen, wer nun das Präsidium übernehmen soll. Die gute Nachricht dabei: Beide lieben es, zu jassen. «Das ist eigentlich ein Stück Allgemeinbildung», lacht Burren, während Bauer im Kantonsparlament sogar die erste Jassgruppe gegründet hat. Köniz hat zwei Trümpfe, doch am
25. September wird nur einer stechen. Wer ist Trumpf?