Berufswahl fast wie auf TikTok

Berufswahl fast wie auf TikTok

Anfang März sind 1400 Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse in die Sporthalle Weissenstein gekommen, um sich mit 62 Lehrbetrieben über ihre anstehende Berufswahl auszutauschen. Als Ergänzung zur Lehrstellenbörse vor Ort hat Michael Raaflaub, Geschäftsleiter des Lehrstellennetzes und Organisator dieser Börse, das digitale Format «Lehrberufe Live!» entwickelt. Heute wird dieses in der gesamten Deutschschweiz von rund der Hälfte aller Berufswählenden genutzt, wie Raaflaub im Interview erklärt.

Auf «Lehrberufe Live!» schauten vor kurzem über 10’000 Schüler und Schülerinnen der 7. – 10. Klasse vom Klassenzimmer aus Berufslernenden bei ihrer Arbeit zu. Was hat Sie inspiriert, diese digitale Berufswahlplattform zu entwickeln?
Eines Abends, nachdem ich meine drei Söhne (7-, 8- und 9-jährig) nach langem Kampf endlich ins Bett gebracht und erschöpft noch eine Weile auf TikTok gescrollt hatte, wurde ich Zeuge, wie Krabbenfischer und Schneeräumer live ihre alltägliche Arbeit streamten. Rund 600 User schauten dabei dem Krabbenfischer bei der Arbeit zu. Plötzlich ist mir die Erkenntnis wie Schuppen von den Augen gefallen, dass mit Livestreams authentische Einblicke in Berufswelten möglich werden, an die Schüler und Schülerinnen bislang nur im Rahmen von Schnupperlehren herangekommen sind. Es sollte doch technisch möglich werden, vom Klassenzimmer aus live einem Schreiner beim Schreinern zuzuschauen – oder mitzuverfolgen, wie der Podologe die Füsse seiner Kundinnen behandelt oder der Milchtechnologe einen Käse macht.

Welches waren die ersten Schritte?
Im Rahmen eines Pilotprojektes haben wir mit ein paar Berner Schulen Sendungen durchgeführt, in denen die Jugendlichen im Berufswahljahr beispielsweise dem Könizer Nacht-Kaminfeger live bei der Arbeit zuschauen konnten. Der Erfolg dieses Pilotprojektes war zugleich der Start von «Lehrberufe Live!» Die Rückmeldungen der Schulen waren eindeutig: «Coole Sache – aber bitte nicht via Instagram.» Also haben wir begonnen, unsere eigene Berufswahlplattform «Lehrberufe Live!» zu entwickeln, auf die alle Schulen in der Deutschschweiz mit einem einzigen Klick zugreifen können – ohne Login, Anmeldung oder App. Dank dem neuen Live-Chat können nun Schülerinnen und Schüler vom Klassenzimmer aus den Lernenden bei der Arbeit nicht nur live zuschauen, sondern gleichzeitig auch Fragen stellen – wie zum Beispiel: «Wann musst du am Morgen aufstehen?» oder «Ist deine Arbeit streng?» Diese Fragen werden dann unmittelbar von den dazugeschalteten Lehrbetrieben beantwortet.

Aller Anfang ist schwer. Hat das zu Beginn auch für «Lehrberufe Live!» gegolten?
Bereits in der Pilotphase haben wir offene Live-Chats ausprobiert. Das Ergebnis von Schülerseite waren viele unpassende Kommentare. Dieses Problem ist nun dank ChatGPT4 definitiv gelöst. Bei «Lehrberufe Live!» treffen gleichzeitig ca. 1500 Schülerfragen ein, die zuerst von ChatGPT gelesen und nach seriösen respektive unseriösen Kommentaren sortiert werden. So kommen nur «saubere» Fragen durch. Bis es so weit war, mussten wir allerdings die Künstliche Intelligenz in einem aufwändigen Verfahren mit über 1000 Fluch- und Schimpfwörtern füttern, um Anstössiges sofort blockieren zu können.

Ist «Lehrberufe Live!» auch ein probates Mittel im Kampf gegen den Fachkräftemangel?
Für die grosse Mehrheit der Lehrberufe ist es heutzutage von existenzieller Bedeutung, dass sie bei den Berufswählenden sichtbar sind. Wenn Sie in einer 8. Klasse fragen, wer die Berufe Systemgastronomiefachfrau/-mann EFZ, Kunststofftechnologe/-login EFZ oder Netzelektriker/in EFZ kennt, bekommt selten eine Reaktion. Dabei hängt gerade von letzteren die Stromversorgung der Schweiz ab.

www.lehrberufe-live.ch
Weitere Livestreams:
15. Mai / 12. September / 4. Dezember 2024
jeweils von 10.30 – 11.15 Uhr

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