Heute geht es um ein anderes – grausames – Intermezzo, das die Post mit Kundinnen und Kunden spielt. Um genauer zu sein: mit jenen Zeitgenossen, die zwei Hände voller Münzen einzahlen und dahinter wartende Kunden nicht unnötig verärgern wollen, weil eine freundliche (aber innerlich bestimmt kochende) Postangestellte eine Unmenge Münzen zählen muss. Auf dass es zum Schluss hoffentlich mit dem errechneten Gesamtbetrag des Kunden übereinstimmen möge. Was nicht immer der Fall sein dürfte.
* * * *
Das waren noch Zeiten (ich schon wieder…), als man sein Münz in einen Trichter leeren konnte und die Maschine das Zusammenzählen übernahm. Tempi passati. In meiner Poststelle in der Agglo Bern hat man nicht mal mehr eine Art Zählrahmen, wo man Füfi und Zähni und Zwänzgi hineinlegen kann, um feststellen zu können, wie sich der Gesamtbetrag zusammensetzt. Weil ich niemanden mit falschem Zusammenzählen von zwei, drei Kilogramm Münzen im Wert von über 200 Franken verärgern will, frage ich zuerst schön brav bei der Poststelle nach, wie sie es am liebsten hätten. Und das ist die Version mit den Rollen.
* * * *
Gute Frage. Nein, ich singe nicht. Unsere Ferienwohnung in Vercorin ist in einem 10-Familienhaus zu finden. Dort stehen in der Waschküche Waschmaschine und Tumbler, die – genau! – mit Münzen in Betrieb genommen werden. Und ich wurde von den Mitbewohnern neuerdings dazu auserwählt, die Münzen jeweils einzusammeln und zur Post zu bringen: Die Cheibe hei scho gwüsst, wieso…
* * * *
Die Postbeamtin fragt mich, ob ich wisse, wie das Rollen am einfachsten geht. Nein, weiss ich nicht. Woher auch? Sie zeigt es mir, nachdem sie mir Rollenpapier für die sieben Versionen von Schweizer Münzen (Goldvreneli nicht mitgezählt) über den Schalter und unterhalb des Sicherheitsglases gegen Überfälle und Corona geschoben hat. «Herr Bornhauser, am einfachsten ist es, wenn Sie ein dickes Buch nehmen, es ungefähr in der Mitte öffnen, das Rollenpapier falzen und dieses wiederum in den Buchfalz legen. Dann können Sie die Münzen ganz einfach rollen.» Nichts einfacher als das.
* * * *
Erste Herausforderung: Woher ein dickes, möglichst grosses Buch nehmen? Telefonbücher aus vergangenen Zeiten habe ich nicht mehr, die Bibel erscheint mir eher suboptimal. Im Keller finde ich dann ein grosses Buch über das Gesamtwerk Bernhard Luginbühl. Hätte sich Bärni auch nie träumen lassen, dass er für eine Bo-Rolle vorwärts herhalten muss. Anyway.
* * * *
Das Papier für die Zwänzgi wird exakt nach den Angaben der Postfrau gefalzt und in den Buchfalz gelegt. Noch bevor ich mich z’Grächtem an die Arbeit machen kann, fällt bei mir der Zwanziger. Besser gesagt, 50 Stück verselbständigen sich, rollen und verteilen sich quer über den Tisch und – grösstenteils – auf den Teppich. Ich fluche. Und das, liebe Lesende, würden Sie auch. Ich sammle die 50-fache Helvetia ein, nur um festzustellen, dass es nur 48 Frauengesichter sind. Zum Glück lacht mich die Frau nicht an oder aus. Auf den Knien werde ich fündig. Nächster Anlauf, da gelingt es mir immerhin, die Münzen zusammenzuhalten, bevor ich mit dem Rollen beginne. Nur bräuchte ich dazu vier Hände, nämlich zwei zum Rollen und deren zwei weitere, um die beiden Zeigefinger links und rechts an die Münzen zu drücken, damit sie nicht verrutschen. Weil sich die grossen Zehen dazu weniger eignen (man stelle sich das bildlich vor), folgt nach einigen Sekunden ein «Merde!» als Geschrei. Und wieder geht die Suche los. Mir ist, als würde ich in der Nachbarschaft ein Ross lachen hören. Sehr lustig, wirklich. Ich habe das Zählen meiner untauglichen Versuche vergessen, aber immerhin weiss ich, dass ich nach einer gefühlten Stunde sieben Rollen vor mir liegen hatte, neben Münzen, für die es zum Rollen nicht ausgereicht hat. Übrigens: Zum Glück habe ich die Zettel vor dem Rollen mit Name und Adresse in Winzigstbuchstaben angeschrieben, weil das sonst zum Desaster ausgeartet wäre.
* * * *
Als ich tags darauf am Postschalter auftauche und meine Rollen rüberschiebe, schmunzelt die Postbeamtin. Kunststück, die Rolle gseh nämlech us, als hät sie eine Kuh i dr Schnurre gha.
*Beim Wasserspringen wird der Auerbach-Salto mit nach vorwärts gerichtetem Absprung und anschliessendem Salto rückwärts ausgeführt. Kann aber ebenso misslingen, wie das Rollen von Münzen…