Der «goldene» Läufer

Der «goldene» Läufer

Bei seiner ersten Teilnahme knackte er die 1-Stunden-Marke. In seinem 80. Lebensjahr steht nicht mehr die Geschwindigkeit, sondern der Spass im Vordergrund. Das ist nach über 130'000 Lauf-Kilometern in 107 Ländern verständlich.

Begonnen hat Jürg Habegger mit Fussballspielen. Ein Hobby, dem er 12 Jahre lang nachging, bis ein Trainer zu ihm meinte: «Ich glaube, das ist der falsche Sport.» Nicht etwa, weil er schlecht spielte: «Nein, du bist ein Lauftalent. Die anderen kommen nicht hinterher.» Eine Aussage, die zu heute 40 GP Bern-Teilnahmen führte. Der junge Mann begann, Laufen zu trainieren. Er merkte, dass «es gut geht».

In der ganzen Welt unterwegs
Während der Lehrzeit bei «Chocolat Tobler» bat der Sport-Obmann die Auszubildenden, an Waldläufen teilzunehmen. Das sei gut für die Gesundheit. Habegger war vorne mit dabei, kehrte den Rennen aber kurzzeitig den Rücken, bevor er 1966 dem Lauf- und Wehrsportverein LLW Bern beitrat. Es folgten unzählige Gelände- sowie Berg-, Strassen- und sogar 55 Waffenläufe – darunter 28 Starts am «Chäsitzer Louf» und 1982 die erste Teilnahme am GP. Damals lebte er für zwei Jahre in Australien und flog extra für das Rennen heim. «Die ‹10 miles of Berne› waren eine gute Distanz und ich kannte viele Leute, da war es für mich klar, dass ich bei der Premiere dabei bin», erinnert sich der Vater von zwei Töchtern. Es wurde für ihn wie der Lauf von Murten nach Freiburg zur «Pflicht». Beeindruckend ist auch seine internationale Bilanz: «Meine zweite Leidenschaft ist das Reisen. Ich kann beides verbinden und habe 107 Länder bereist.» Einzig in Indien konnte er nicht trainieren. «Die Leute fragten mich, ob ich auf der Flucht sei», erzählt der 79-Jährige lachend.

Marathon auf fünf Kontinenten
Seine Spezialität war in erster Linie die Langstrecke. So lief er 1993 als 50-Jähriger den Columbus-Marathon in Ohio, USA, in 2 Stunden und 57 Minuten und landete auf dem dritten Rang in dieser Kategorie. Insgesamt absolvierte er auf fünf Kontinenten 33 Mal die 42-km-Strecke. Die Disziplin war ein Türöffner für ihn. «Wenn ich eine Reise geplant habe, dann hat mir immer wieder jemand einen Tipp gegeben, dass ich mich bei XY melden soll, der würde gerne mit mir laufen», berichtet Habegger. Viele Freundschaften in der ganzen Welt sind durch den Laufsport entstanden. Zeugnis dafür und für die beeindruckende Karriere sind die Fotoalben, in denen er alles fein säuberlich mit beschrifteten Bildern und Zeitungsartikeln dokumentiert hat. «Wenn man die Resultate, Fotos, Adressen usw. à jour hat, dann findet man sie sofort», erklärt er seine akribische Arbeit. Das hängt auch mit seinem Beruf zusammen; nach der kaufmännischen Ausbildung wurde er Exportmanager. Ein Beruf, in dem er mit seinem Organisationstalent zu überzeugen wusste.

Viele Erinnerungen
Anekdoten hat der Hobbysportler unzählige zu erzählen. Unter anderem die Geschichte vom Bergführer, den er vor fünf Jahren für die Besteigung auf den Kilimandscharo buchte: «Der dachte, mein Jahrgang sei meine Telefonnummer.» Oder die Geschichten rund um den Silvesterlauf von 1973 in São Paulo, als er mit Carlos Lopez, dem ehemaligen Marathon-Weltrekordler trainiert hat: «Es war faszinierend, mit all den Stars der Läuferszene und ich mittendrin.» Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, wenn man versuchen würde, alles genau wiederzugeben. Denn 56 Jahre Laufsport, die ein «Abenteuer waren», lassen sich nicht auf eine Seite «quetschen».

Gesund durch Bewegung
Jürg Habegger ist dankbar dafür, dass «kein Metall im Körper» ist. Nach rund 130’000 km geht er es heute lockerer an: «Ich mag nicht mehr so trainieren. Man wird langsamer.» Trotzdem sieht man den Waberer noch zwei- bis dreimal in der Woche beim Joggen. Schmunzelnd meint er: «In 20 Jahren bin ich 100, schon heute sagen 60-Jährige, sie seien uralt. Früher hat man mit 40 Jahren aufgehört zu laufen.» Er ist überzeugt, dass Bewegung das Rezept zum Jungbleiben ist. Das Interesse am GP ist immer noch da und das Ziel war die 40. Teilnahme. Schliesslich war er in all den Jahren nie krank, verletzt oder sonst wie abwesend. «Ich habe mir gedacht: ‹Jetzt bleib ich dran›. Solange ich einen Fuss vor den anderen setzen kann und gesund bleibe.» Das Motto beim Altstadt-Lauf lautete also: «Freude herrscht.»

Schnellster seines Jahrgangs
Nahezu sommerliche Temperaturen erwartete die Teilnehmenden am 14. Mai. Kein Problem für Habegger: «Ich habe Hitze immer geliebt, früher viel Zeit in Aus-
tralien, Israel, Asien und anderen heissen Ländern verbracht und dort trainiert. Von daher hat mir das beim Jubiläums-GP nichts ausgemacht.» Es sei ein Erlebnis gewesen, vor allem auch durch die vielen Zuschauer und Fans, die ihn anfeuerten. Stolz macht ihn seine Zeit: «Ich war knapp eine Minute unter der vom Vorjahr. In der Kategorie 80+ wäre ich auf dem Podest gewesen.» In seiner Kategorie (60-79) war keiner aus seinem Jahrgang vor ihm platziert. Das bringt seinen ursprünglichen Entschluss «mit dem 40. GP im 80. Lebensjahr aufzuhören» ins Wanken. «Ich will nichts verschreien und muss ja auch gesund bleiben, aber wenn ich mit meiner Zeit noch die Chance habe, vorne reinzulaufen, dann reizt mich das», grinst Jürg Habegger verschmitzt. Noch steht es in den Sternen, aber wenn man hört, dass er nicht mal ein Ziehen verspürt, geschweige denn Muskelkater hat, dann stehen die Chancen wohl nicht so schlecht – sofern die Gesundheit keinen Strich durch die Rechnung macht.

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