Das kleine Haus am Ende der Strasse ist in Windeseile zu seinem trauten Heim geworden. Dass hier, weit weg von Wien, Tokio und New York ein Konzertpianist wohnt, der bereits mehrere grosse Preise gewonnen hat, würde kaum jemand vermuten. Im Inneren des Hauses hingegen wird es offensichtlich. Der schwarzglänzende Flügel dominiert den Wohnraum.
Ein Reisemuffel
Mazurkiewicz ist nicht der erste, den die Gegend des Naturparks Gantrisch verzaubert hat. Aber er ist vielleicht der erste, der mitten in der Natur ein Zentrum für Musik auf höchstem Niveau gegründet hat. Seine Motivation, der Gegend etwas Gutes zu tun, umschreibt er aber auch mit einer Prise Humor: «Ich will dort, wo ich lebe, Kultur machen. Ich reise nämlich gar nicht so gerne.» Das überrascht ein wenig, denn der Warschauer Pianist hat eine beeindruckende Biographie mit Auftritten in Japan, den USA und quer durch Europa. «Ein Phänomen, ein geschlossenes Meisterwerk, glänzende Brillanz», die Kritiker feierten den mehrfachen Preisträger nach seinen Auftritten jeweils frenetisch.
Taten statt Worte
Es ging nicht lange, ehe ein Pianist seines Formats Schülerinnen und Schüler erhielt. Jeweils im Sommer kommen diese im Rahmen der internationalen Sommermusikakademie zusammen. Meisterkurse mit verschiedenen Lehrern, deren Kursende jeweils in einem Konzert gipfelt. Die Coronakrise hat dieser Serie ein jähes Ende bereitet. «Einige Schüler fragten mich daraufhin, ob man nicht etwas in kleinem Rahmen bei mir machen könne», lächelt Mazurkiewicz. Anfänglich dachte man wirklich an einen intimen Kreis in seinem Haus. Der Zufall half ihm, dass es anders kam. Früher als gedacht wurde er im ehemaligen Hotel Eywald fündig. «Dieser alte Saal eignet sich hervorragend für meine Ideen». In Windeseile hat der umtriebige Mann den Saal hergerichtet und das «Zentrum für Musik Eywald» gegründet. Bereits jetzt liegen die Flyer unweit vom Flügel im Haus verteilt und zeugen davon, dass er nicht lange fackelt, sondern gleich loslegt.
Zwei Konzertreihen
Einerseits starten in diesen Tagen die Kurse mit den anschliessenden Konzerten im Hotel Eywald in Rüschegg, anderseits in der Johanniskirche in Bern. Zum anderen hat es der Musiker geschafft, Künstlerinnen und Künstler auf Weltniveau für sein erstes «Summer Music Festival» zu verpflichten. Die Konzertreihe beginnt bereits am 25. Juli und dauert noch bis am 15. August. «Alles beginnt einmal klein, ich hoffe dennoch, dass einige Interessierte den Weg nach Rüschegg finden», ist er selber ein wenig gespannt, wie die ersten Veranstaltungen im neuen Zentrum besucht sein werden. Mazurkiewicz ist aber nicht nur ein klassischer Pianist, «ich stehe auch mit einem halben Fuss im Jazz», verrät er eine weitere Passion. Er arrangiert leidenschaftlich den fliessenden Übergang von Klassik Richtung Jazz und plant deshalb nicht nur zufällig einige «Saturday Evening Jazz»-Konzerte in seinem neuen Zentrum.
Regionale Verknüpfung
«Es ist wichtig, dass klassisch Musizierende improvisieren und schliesslich auch komponieren können. Das ist leider noch etwas selten, das möchte ich gerne zu ändern helfen», sagt er in seiner gewohnt höflichen und bescheidenen Art. Da schlägt er eine Brücke zu den regionalen Musikerinnen und Musikern. Für diese erste Serie verliess sich der Rüschegger noch auf seine internationalen Kontakte. «Nach und nach möchte ich aber die Künstler aus der Gegend einbinden, das gehört für mich zu einem solchen Zentrum dazu», sagt er und kann eine gewisse Vorfreude nicht verbergen.
Pawel Mazurkiewicz steht inzwischen wieder bei seinem grossen Flügel im kleinen Haus. «Ja, im Moment bin ich gefordert, all das zu organisieren, und sitze ein bisschen weniger oft hier, aber das lohnt sich», bemerkt er und schickt seinen Worten ein Lächeln hinterher, dass selbst diesen verregneten Tag zu erhellen vermag. Der Pianist ist ein Geschenk für die Gegend und die Musik gleichermassen. Ein klasse Klassiker mitten in der wilden Natur des Gantrischgebiets.
