«Die Bevölkerung soll informiert sein»

«Die Bevölkerung soll informiert sein»

Rund vier Jahre nach der Sanierung der Schulanlage Bundsacker klopfte Schwarzenburg an und machte das Angebot, sämtliche Oberstufenschüler aus Rüschegg bei sich aufzunehmen. Der Gemeinderat entschied sich dagegen. Zahlreiche Bürger sind mit dem Vorgehen nicht einverstanden. Die Gruppe «Projekt Oberstufe» lanciert nun erneut die Diskussion.

An der Gemeindeversammlung von Mitte Juni gehen die Wogen hoch. 170 Bürgerinnen und Bürger sind erschienen; das sind knapp 13 % der Stimmberechtigten. Zum Vergleich: Im Dezember 2022 waren es 56 Einwohner (4,25 %), im Juni davor 40 (3 %). Anwesende monieren, dass der Gemeinderat seinen Entscheid fällte, ohne die Bevölkerung miteinzubeziehen. Das ist grundsätzlich nicht falsch, denn dieser Entscheid liegt in der Kompetenz des Gemeinderats. Bei einem Teil der Bevölkerung bestand aber trotzdem dieses Bedürfnis.

Die Anfrage Schwarzenburgs

«Wir hatten eher rückläufige Schülerzahlen», schaut die Schwarzenburger Gemeinderätin Barbara Mischler zurück. Damit die Gemeinde ihr Schulmodell beibehalten kann, braucht sie ab dem Sommer 2022 mehr Kinder im Oberstufenzentrum. Rüschegg schickt bereits seit jeher die Sekundarschüler dorthin. Somit liegt es für die Verantwortlichen um Mischler im Herbst 2021 auf der Hand, die dortigen Realschulkinder ebenfalls einzuladen. Der Rüschegger Gemeinderat gibt die Anfrage in die Schulkommission weiter, welche nach einer Analyse mit drei zu zwei Stimmen empfielt, den Antrag der Nachbargemeinde anzunehmen und die eigene Oberstufe zu schliessen. «Wir entschieden uns aber, unsere Oberstufe beizubehalten. Die Zusammenlegung der Schulen Hirschhorn und Bundsacker sowie die anschliessende Modernisierung im Bundsacker waren teuer und erst gerade fertig geworden, als die Anfrage kam», begründet Gemeindepräsident Markus Hirschi den Entscheid. Schwarzenburg löst sein Klassenproblem daraufhin mit dem Wechsel des  Schulmodells.

Der Wunsch nach Mitsprache

«Viele Eltern reagierten irritiert, als sie erfuhren, dass solch ein wegweisender Entscheid nicht öffentlich kommuniziert wurde», erinnern sich die Initiantinnen vom «Projekt Oberstufe Rüschegg»,  Sonja Wyss, Melanie Binggeli, Bea Etter und Linda Zwahlen.  Sie verweisen auf Artikel 64 des Organisationsreglements, gemäss dessen die Gemeinde «rasch, umfassend, sachgerecht und klar» informieren muss, wenn etwas von allgemeinem Interesse ist. «Das wäre sicher hilfreich gewesen», sagen sie übereinstimmend. An der Juni-Gemeindeversammlung stimmt denn auch eine grosse Mehrheit für den Antrag, im Dezember über einen Wechsel nach Schwarzenburg abzustimmen. Auch der Infoanlass am 8. November zeugt vom grossen Interesse in der Bevölkerung. Ins Leben gerufen hat ihn die Projektgruppe. «Wir verstehen uns als Vertretung vieler Eltern, aber auch von anderen Bürgern, die sich mehr Transparenz wünschen. Die Bevölkerung soll die verschiedenen Schulmodelle kennen, darüber diskutieren und schlussendlich auch abstimmen können», sagen sie an diesem Abend. Es gehe ihnen einzig ums Informieren und nicht um eine Infragestellung der Qualität der Oberstufe Rüschegg, betonen sie. Denn sie hätten gemerkt, dass noch offene Fragen bestehen und Fehlinformationen kursieren. Umso kompetenter sind die Gäste am Anlass: Markus Heinzer, Fachexperte im Bereich Bildung, erläutert die fünf Schulmodelle. Beide betroffenen Schulleitungen stellen ihre Schule vor und Schulinspektor Luca Aebersold ergänzt mit Überlegungen aus der Sicht des Kantons. Er rät, sich in der Entscheidungsfindung hauptsächlich daran zu orientieren, was aus pädagogischer Sicht das Beste wäre. Doch auch die Kosten müssen miteinbezogen werden: «Nehmt euch Zeit, prüft alles sorgfältig.»

Das Vorgehen

Das tut der Gemeinderat und verschob deshalb das Traktandum in den Juni 2024. Die Abklärungen und Berechnungen brauchen Zeit, bestätigt Gemeinderat Gottfried Fankhauser. Er selbst möchte die Oberstufe im Dorf behalten: «Man hat auch mit einem Abschluss hier gute Chancen.» Zudem hätten manche Bürger Angst, dass mit dem Oberstufenverlust auch eine Gemeindefusion näherrückt. «Wir wollen die Gemeinde voranbringen und sind stolz, dass wir so vieles noch selbst machen können», sagt er. Andere Stimmen   liebäugeln nun sogar mit dem Modell 4, bei dem die Sekschüler in Rüschegg bleiben könnten. Klar ist, dass viele Faktoren zu berücksichtigen sind: pädagogische, finanzielle, emotionale und wohl auch pragmatische. Denn am Schluss wird sich die Stimmbevölkerung nur für einen Weg entscheiden können. 

***

Fünf Schulmodelle im Kanton

Modell 1: Rüschegg ist eine von noch sieben Schulen mit diesem undurchlässigen Modell; ab nächstem Sommer werden es gar nur noch vier sein. Die Real- und Sekundarschulklassen sind in getrennten Schulhäusern; die Klassengrösse variiert je nach Geburtenzahlen.

Modell 2: Es ist mit acht solchen Schulen ebenfalls undurchlässig, mit niveaugetrennten Klassen in gemeinsamer Schulanlage.

Modelle 3a und 3b: Fast 90 % der Gemeinden haben sich für eines der drei durchlässigen Modelle entschieden. Die Mehrheit von ihnen fürs 3a, auch Riggisberg oder Rüeggisberg. Knapp ein Drittel der Schulen wählen wie Schwarzenburg das Modell 3b: Die Klassen sind gemischt, nur die Hauptfächer Deutsch, Französisch und Mathematik sind niveaugetrennt. Dabei können die Schüler je nach ihren Stärken auch nur ein Fach auf Sek-
niveau besuchen; ab zweien gilt man als Sekundarschülerin oder -schüler. Geht einem Realschulkind «der Knopf auf», kann es auch nach der 7. Klasse noch das Niveau wechseln.

Modell 4: Es ermöglicht Mischklassen für alle Fächer. Eine Niveau-Differenzierung findet innerhalb des gemeinsamen Unterrichts statt. Gut 10 % und immer mehr der Schulen wählen dieses Modell – viele davon in kleineren Gemeinden, weil die Klassenbildung so einfacher ist.

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