«Dr Tiifel hets gseh – Obwaldner Sagen»

«Dr Tiifel hets gseh – Obwaldner Sagen»

Beat von Wyl, ein weitgereister Mann, Gärtner und Arbeitsagoge, erzählt Sagen und Geschichten in Obwaldner Mundart auf Weihnachts- und Mittelaltermärkten, in Erzählnächten und als Einstieg für Stadtrundgänge.

«Noch heute wollen Sagen von vielen Menschen gehört werden», begrüsst mich Beat von Wyl lachend im «Bärtschihaus» in Gümligen inmitten von Vorbereitungen für eine lange Erzählnacht, die er mit 2 anderen Märchenerzählenden organisiert. Wir sitzen im Saal, während Helfer und der Sohn seiner Partnerin alle möglichen Utensilien hereinschleppen. Felle zum Drauffläzen, Holzhocker, eine Kristallkugel, einen Totenkopf, eine Schatztruhe, einen langen knorrigen Wanderstab, Filzzwerge und vieles mehr. Der karge Saal wird in eine Sagen- und Märchenwelt verwandelt, die einen gelüstet, sich hinzusetzen und stundenlang den Geschichten zu lauschen, die einen in Staunen und in eine andere Welt versetzen.

«Beatus der Sagenhafte»
«Meine Grossmutter erzählte keine Märchen, aber wahre Geistergeschichten», sagt Beat von Wyl überzeugt. «Sie übergab mir vor ihrem Tod all diese Geschichten. Es war meine Aufgabe, diese zu bewahren, das wusste ich schon als Junge. So bin ich ‹Beatus, der Sagenhafte›, eben einer, der Sagen weitererzählt, geworden. Die Sagen hatten immer einen Bezug zu Naturereignissen, zu Menschen, mit denen ich verbunden war. Menschen aus der gleichen Gegend, Urahnen, Menschen von den Alpen, die man kannte…» Dies sei der Unterschied zu Märchen. Sagen wurden selten aufgeschrieben, sie wurden mündlich überliefert (viele Menschen konnten früher auch gar nicht schreiben und lesen). Es sei wie beim «Telefonspiel», der eine dichtet etwas zur Sage hinzu, die andere nimmt etwas davon weg. «Für mich ist eine Sage wie ein schroffer Stein, der sich im Bach dreht und dreht, bis er ganz glatt und handlich ist. Über 100 Jahre dreht und dreht sich die Geschichte, das ist eine Sage. Man findet Sagen, und wenn sie nicht kommen, macht man welche», sagt Beat von Wyl fröhlich.
Früher dienten die Sagen der Information, der Erklärung und der Unterhaltung. Wie war es früher? Was ist im Dorf oder auf der Alp den Sommer durch geschehen? Wovor hatten die Menschen Angst? Wo waren sie mutig? Sagen sind Erklärungen zu Naturereignissen, zu guten und bösen Menschen, zu schlauen und dummen, zu geldgierigen und genügsamen. «Das ‹Alte Manndli› ist eine meiner Lieblingsfiguren, mystisch, wandelbar, ein guter Geist, wenn Menschen seinen Rat befolgen», erzählt von Wyl.

Religion
Sagen sind auch nah bei den Religionen anzusiedeln. Gut, böse und göttlich, Attribute der Bibel finden sich in Sagen wieder. «Auch die Bibel war ursprünglich eine Sage», erklärt der Gärtner. Es gibt viele parallele Erzählstränge in Sagen und in Religionsgeschichten. Beat von Wyl ist katholisch aufgewachsen und da hiess es bei ihm in der Jugend: «Es steht in der Bibel, darum ist es so!» Diesen Kraftsatz hat er für seine Sagen übernommen: «Man erzählt es sich so, dann muss es wirklich so gewesen sein!» Es sind alte Überlieferungen: «Je älter Sagen sind, desto unglaubwürdiger, grösser, kann man sie erzählen! Früher war das so», sagt Beat von Wyl mit einem verschmitzten Lächeln im bärtigen Gesicht und schiebt nach: «Nimm nie alles, dann hast du genug!»
Da Sagen oft kein Happy-End haben, was wiederum ein Unterschied zu den Märchen ist, übermittelten sie auch gewisse Moralvorstellungen, daher könnten sie gerade für Kinder verstörend sein. Da müsse man sie behutsamer erzählen als bei Erwachsenen, meint Beat von Wyl. Heute seien sie ein Kulturgut, das droht verloren zu gehen in der digitalen Welt. Die spannendsten Sagen hört Beat von Wyl von anderen Leuten, auf Sagenveranstaltungen, von denen es noch viele im Wallis und in SAC-Hütten unter Bergsteigern gibt. Selten holt er sich eine Information im Internet. Beat von Wyls Sagen beginnen in der Natur und enden mit dem Satz: «Die Geschichte habe ich nicht selbst erlebt, aber mit eigenen Ohren gehört, wirklich!» So bringt Beat von Wyl die Sage in eine heutige Realität, die «gwundrig» macht.

Vor einem Jahr lernte er Silvio Beltrametti, den Inhaber eines Verlages, kennen. Seither nehmen sie an einigen Veranstaltungen teil oder organisieren diese gemeinsam. Beltrametti ist ebenfalls ein Märchenerzähler, Musiker und auf Mittelaltermärkten zu hören. In seinem Verlag erschien nun Beat von Wyls CD «Dr Tiifel hets gseh – Obwaldner Sagen». Darauf sind in Mundart die Sagen «Dr Stey», «Dr Hensli Müller» und «Dr Lehnzins» zu hören.

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