Drei Generationen im Klassenzimmer

Drei Generationen im Klassenzimmer

Senioren, die nochmals «zur Schule gehen»? Möglich macht das ein Generationenangebot von Pro Senectute. Es soll den Unterricht bereichern. Ein Augenschein in der 1. Klasse von Marianne Stettler in der Schulanlage Stucki in Thörishaus.

Die Kinder sitzen im Kreis um ihre Lehrerin Marianne Stettler und sagen artig im Chor auf Hochdeutsch «Guten Tag». Nach dem Gruss gehts gleich an die Arbeit: Auf dem grossen Tisch liegen auf weissem, geschwungenem Halbkarton gedruckte Zahlen zwischen 1 bis 10. Wenn man die einzelnen Zahlen richtig zusammenfügt, müssen sie in Form eines Herzens die Endziffer 10 ergeben. Die Schülerinnen haben keine Mühe damit, flink fügen die kleinen Hände die Zahlen zum korrekten Resultat zusammen. Sie mögen das Spiel mit den «verliebten Zahlen», wie sie sie liebevoll nennen.

«Spiel mit dem Feuer»

An diesem Vormittag beschäftigt sich die Klasse im Rahmen des Faches «Natur, Mensch, Gesellschaft (NMG)» mit dem Grundelement Feuer. In einer kurzen Paararbeit lässt Lehrerin Marianne Stettler die Kinder das Gute, aber auch das Gefährliche des Feuers besprechen. Danach sprudelts aus den Kehlen der Siebenjährigen: «Feuer ist gut zum Kochen und Grillieren, es gibt Licht und Wärme.» Ein Dreikäsehoch präzisiert: «Damit Feuer entsteht, braucht es Sauerstoff, brennbares Material und Entzündungstemperatur»; ein aufmerksames Kerlchen. Aber auch die Gefährlichkeit des Feuers wird den Erstklässlern bewusst gemacht: «Das Feuer kann ein Haus zerstören; wenn der Wald brennt, sterben Tiere und Pflanzen und man kann sich die Finger verbrennen.» Auch hier ergänzt ein besonders kluger Knabe: «Wenn das Feuer mit Gas in Verbindung kommt, gibts eine Riesenexplosion.»

Keine Hemmschwelle

Auf Arbeitsblättern ergänzen die Kids entsprechende Sätze zum Feuer und komplettieren diese mit Zeichnungen ihrer Wahl und Priorität. Bei diesen Arbeiten kommt Senior Markus Stöckli zum Einsatz. Er eilt zu Hilfe, gibt aber nicht die fixfertige Lösung, sondern zeigt den Kindern den Weg zum richtigen Resultat. «Hilfe zur Selbsthilfe», ergänzt er schmunzelnd. Seit 2016 ist der eidgenössisch diplomierte Exportleiter pensioniert; die letzten zwölf Jahre arbeitete er als Supply Chain Manager bei CSL Behring AG in Bern. Was befriedigt ihn in seiner neuen, ganz anderen Tätigkeit? «Zu spüren und zu beobachten, wie die Kinder an eine Aufgabe herangehen und zu einer Lösung gelangen. Es kommt viel Dankbarkeit und Freude zurück.» Markus Stöckli wird von den Kindern geduzt, er will es so. «Das schafft Nähe, Vertrauen und Unbeschwertheit, die Hemmschwelle fällt weg, der Respekt ist aber trotzdem vorhanden», fasst er zusammen. Lehrerin Marianne Stettler bekräftigt: «Markus ist unser Klassen-Opa. Er kommt aus dem praktischen Leben ins Klassenzimmer, erhebt keinerlei Ansprüche an die Kinder, sie müssen bei ihm nichts beweisen.» Sie möchte seine Unterstützung nicht mehr missen, betont sie. Auf seine Assistenz darf sie seit 2017 zählen.

«Markus schimpft nie»

Markus Stöckli – selbst dreifacher Vater heute erwachsener Kinder – findet den Zugang zu den Kids mühelos. Seine ruhige, ausgeglichene Art wird von diesen geschätzt. «Ich freue mich immer mega auf den Dienstagvormittag», strahlt Leo, und seine Kameradin Laura unterstützt ihn in seiner Begeisterung: «Markus ist immer so nett und hilfsbereit.» Möchte sie einmal in seine Fussstapfen treten, wenn sie selbst Seniorin ist? Laura schüttelt energisch den Kopf: «Nein, das gibt zu viel Arbeit. Aber ganz sicher bin ich nicht.» Nun, sie hat ja noch etwas Zeit zum Überlegen… Omran könnte es sich hingegen vorstellen, sich in etwa 60 Jahren bei den Erstklässlern einzusetzen; für Nachwuchs ist also bereits gesorgt. «Markus schimpft nie, wenn ich etwas nicht weiss», ergänzt er. Und selbstkritsch gesteht der Schüler etwas Mühe mit dem «Buchstabenheft» zu haben, «im Rechnen bin ich besser».

Das Generationenangebot von Pro Senectute stösst auch bei Schulleiter Moritz Künzi auf Begeisterung, er kannte es bislang nicht. «Ich habe an meiner Schule mehrere Lehrpersonen, die einen Senior oder eine Seniorin in ihrer Klasse als Unterstützung brauchen könnten.» So dürften wohl in naher Zukunft des Öfteren auch «reifere Semester» im Schulhaus Stucki ein- und ausgehen.

Nach den «Feuerübungen» bereitet sich die Klasse für den Waldspaziergang vor, um die Bäume und Pflanzen im Sommerkleid zu «schauen, hören, riechen und geniessen», wie Marianne Stettler die Exkursion schmackhaft macht.

Drei Generationen im Klassenzimmer – Spiegelbild unserer Gesellschaft.

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