Ein Kulturerbe namens Platzgen

Ein Kulturerbe namens Platzgen

Je nach Gegend trug oder trägt dieser Zielwurf verschiedene Namen: Blättlen, Stöcklen, Tötzlen. Im Bernbiet ist er vor allem als Platzgen bekannt. Bekannt? Nein, das ist er nicht wirklich. Doch ganz in Vergessenheit geraten auch nicht – im Gegenteil. Allseits beliebt ist aber das Probewerfen für jedermann.

Sprüche und Kommentare, frisch von der Platzgerseele weg, gibts für meisterhaft gelungene sowie andere Würfe. Das sorgt für Stimmung. Von manchen Nichtspielern wird das Platzgen hingegen unterschätzt oder gar ignoriert, weil sie sich kaum vorstellen können, dass Platzger auch ambitionierte Sportler sind. Während all die coolen Trendsportarten wahrscheinlich nie ins Verzeichnis «Die lebendigen Traditionen der Schweiz» aufgenommen werden, ist es schier eine Selbstverständlichkeit, dass der Zielwurf-Platzgen längst als «immaterielles Kulturerbe» dazugehört. Geführt wird dieses Werk von der Sektion «Kultur und Gesellschaft» des Bundesamtes für Kultur. Den Chroniken zufolge wurde das Platzgen schon im Mittelalter fast überall im Land betrieben, sei es zum Gaudi oder wettkampfmässig. Heute wird dem Platzgen hauptsächlich im Bernbiet gefrönt. So auch vom Platzgerclub (PC) Heimberg-Dornhalde, der von Michel Bieri präsidiert wird. Dieser Club durfte unlängst beim PC Rüschegg in Wislisau ein Wochenende lang Gastrecht geniessen; tatkräftige Mithilfe leistete bei der Durchführung des «Frühlingsfestes» der Fussballclub Rüschegg. Teilnehmerzahl: über 100.

Nur «Lätt» in Topzustand
Die Platzgen bestehen aus gehärtetem Stahl und haben einen Durchmesser von 18cm. Gebräuchlich sind 1 bis 3kg schwere, handförmige, gezackte Platzgen. «Jeder Spieler tritt mit seinen eigenen, gut in der Hand liegenden Wurfkörper zum Training oder Wettkampf an», so Heinz Burri, Präsident des PC Rüschegg. Auf ballistisch ausgeklügelter Flugbahn wird das stählerne «Ahornblatt» in Richtung Ries geworfen. Der Platzger legt dabei eine Konzentration an den Tag, wie man sie beispielsweise auch bei Pétanque-Spielern beobachten kann. Das 17m entfernte Ziel ist ein mit Lehm gefüllter Stahlring, der hinten etwas erhöht ist. Durchmesser: 140cm. Insider legen Wert darauf, dass der «Lätt» nicht zu feucht, aber auch nicht zu trocken ist. In der Ries-Mitte steckt ein eiserner Stock, der etwa 40cm herausragt und leicht vornüber geneigt ist. Berührt der Wurfkörper den «Schwirren», gibt es 100 Punkte. Je weiter entfernt die Platzge landet, desto tiefer die Punktzahl.
Früher ein Arme-Leute-Sport
«Was ambitionierte Platzger an Trainingsaufwand und Engagement, inklusive Trainingslager etwa in Spanien, investieren ist unvergleichbar mehr, als der Laie gemeinhin annimmt», so Verbandspräsident Thomas Lutstorf (Laupen). Früher war Platzgen eher ein Arme-Leute-Sport, heute stammen die mitmachenden Männer und Frauen aus allen Schichten. Lutstorf nennt einen aktuellen Bestand von 360 aktiven Platzgern in 43 aktiven Vereinen. Bezüglich Neumitgliedern ist er zuversichtlich: «In den letzten sechs Jahren haben sich über 100 neue und vor allem jüngere Leute angemeldet, was den Altersdurchschnitt zu senken vermochte. Wir sind auf dem richtigen Weg.» Er hofft, dass Platzger aus dieser neuen Generation in absehbarer Zeit auch Verbandsaufgaben übernehmen, so dass vermehrt auch jüngeres Gedankengut diesen Sport mitprägen kann. Lutstorf resümiert: «Auch eine sehr alte Sportart darf sich der veränderten Gesellschaft und Technik nicht verwehren.»

Probewerfen für Zaungäste
Jeweils von April bis Oktober werden Wettspielmeisterschaften in vier Stärkeklassen sowie Vereins- und Einzelcups ausgetragen. Für gute Resultate im Einzel- und Vereinswettkampf gibts begehrte Auszeichnungen und Ehrengaben. Gut besucht sind publikumsorientierte Events: Am 3./4. September findet auf dem Bramberg (Gemeinde Neuenegg) das grösste Platzgerfest des Jahres mit integrierter Schweizermeisterschaft statt. Zaungäste und Interessierte dürfen dort selber Platzger-Sterne werfen. Auch die Präsenz am «10. Öpfu- u Härdöpfumärit» vom 14./15. Oktober auf dem Berner Wankdorf-Center-Areal soll sich positiv auf Bekanntheitsgrad und Mitgliederbestand auswirken.

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