Einfach mal nichts tun ist bei ihr selten

Einfach mal nichts tun ist bei ihr selten

Ultimate Frisbee ist eine besondere Sportart: Die Spielerinnen und Spieler müssen nebst Kraft, Ausdauer und Wurffertigkeiten auch kommunikative Fähigkeiten mitbringen, denn: Gespielt wird ohne Schiedsrichter. Was als Foul gilt, entscheiden die Akteure auf dem Feld. EM-Gewinnerin Ramona Rindlisbacher gibt einen Einblick in «ihren» Sport.

Sie ist unkompliziert, leicht verständlich und wird vorzugsweise in Parks oder am Strand gespielt: die Freizeitbeschäftigung «Frisbee», bei der sich zwei oder mehrere Spieler eine dünne, runde Scheibe zuwerfen, die es in fast allen erdenklichen Farben gibt. Mit diesem Spiel hat Ultimate Frisbee aber nicht viel mehr gemeinsam als dessen Spielgerät. 

Fairplay ohne Schiedsrichter

Bei Frisbee Ultimate als Leistungssport stehen sich zwei Teams aus je sieben Spielern auf einem rund 100 Meter langen Feld gegenüber, was etwa der Grösse eines Fussballfelds entspricht. Das Ziel: die Scheibe lediglich mittels Passspiels in die Endzone des Gegners zu bringen. Körperkontakte sollen vermieden werden, aber welche Aktionen als Foul gelten, wird im Zweifelsfalle von den Akteuren besprochen und entschieden. Einen Schiedsrichter gibt es nicht, weder auf Klubebene noch bei Weltmeisterschaften. Festgehalten ist diese im Teamsport aussergewöhnliche Regel im «Spirit of the Game» der World Flying Disc Federation, in welchem definiert wird, dass «Spiele heiss umkämpft sein sollen, aber nie auf Kosten der Einhaltung der Regeln, des gegenseitigen Respekts oder des Spasses am Spiel».

Doppelter Erfolg 

Eine, die sich mit dieser Sportart auskennt, ist Ramona Rindlisbacher. Sie bestätigt, dass Fairness einen sehr hohen Stellenwert hat. «Klar, ich will immer gewinnen, aber wie der Sieg zustande kommt, ist fast genauso bedeutend.» Die Schliernerin spielt seit 2017 Ultimate Frisbee und das sehr erfolgreich: Nach dem Gewinn der Schweizer Meisterschaften in diesem Jahr mit dem Damenteam «Fabulous» ihres Vereins «Flying Angels Bern» und dem 2. Platz an den U20-Weltmeisterschaften vor einem Jahr darf sie sich nun auch Europameisterin nennen. 

An der EM vom 5. bis 12. August im italienischen Padua hat die 18-Jährige mit dem U20-Nationalteam in der Mixed Division (Männer und Frauen spielen gemeinsam) die gesamte Konkurrenz hinter sich gelassen und gleichzeitig den 2. Rang in der Fairplay-Wertung erzielt. 

Wohlverdiente Auszeit

Welche Stärken zählen in einem Sport, der ohne Schiedsrichter auskommt? Ramona Rindlisbacher überlegt nicht lange: «Teamfähig und mental bereit zu sein, Vertrauen in sich und die Gegner sowie gegenseitigen Respekt zu haben», nennt sie als wichtigste Eigenschaften. «Und natürlich körperliche Fitness», ergänzt sie. Denn obschon es sich bei Ultimate Frisbee um eine Randsportart handelt, bei der die Konkurrenz verständlicherweise deutlich kleiner ist als beispielsweise im Fussball, gilt auch hier die Devise: Mit Fairness allein werden keine Spiele gewonnen. Rindlisbacher, die im dritten Lehrjahr zur Medizinischen Praxisassistentin ist, trainiert fast täglich: unter der Woche zweimal bei den Flying Angels und in den Tagen dazwischen Kraft und Ausdauer. 

Es liegt in der Familie

Zwischen Frühling und Herbst finden an den meisten Wochenenden Turniere statt, die sie bis ins Ausland führen; in diesem Jahr nebst Padua beispielsweise nach Rimini oder nach Bologna. Im Winter hingegen bleibe an den Wochenenden Zeit, um Skifahren zu gehen oder mal nichts zu tun, wobei letzteres bei ihr selten vorkäme. «Ich bin ein Bewegungsmensch», sagt sie mit einem Schmunzeln. Das zeigt sich in ihrer Biografie – während Jahren betrieb sie Kunstturnen im Leistungsbereich – und bei ihrer Familie, die zuhause einen kleinen Kraftraum eingerichtet hat und mit der sie die Frisbee-Leidenschaft teilt: Die Schwester spiele im U24-Team, der Vater sei ein erfolgreicher Spieler und ihr ehemaliger Trainer gewesen und die Mutter habe ebenfalls im Verein trainiert, jedoch nur zum Spass, erzählt Rindlisbacher lachend. Selbstverständlich habe Freude für sie ebenfalls einen hohen Stellenwert. «Doch ich bin auch ehrgeizig.» Im nächsten Sommer will sie mit ihrem Team wiederum möglichst gut an der Weltmeisterschaft in Birmingham abschneiden.

Nach einer langen und erfolgreichen Saison warten jetzt aber erstmal Ferien in Barcelona auf sie, die Ramona Rindlisbacher gemeinsam mit einer Freundin aus der Berufsschule verbringen wird (der Text wurde Mitte September verfasst). In Spanien würde das Spiel mit der flachen Scheibe nicht im Mittelpunkt stehen, aber: «Wenigstens ein Frisbee wird im Gepäck sicherlich mitreisen.»

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