«Lieben und Leiden im Schwarzenburgerland» – der Titel des Buches verrät, womit sich die Autorin auskennt. Nicht nur ist sie selbst in Obereichi aufgewachsen, hat 14 Jahre in Albligen gewohnt und dort ihre fünf Kinder grossgezogen, auch vertiefte sie sich unzählige Stunden in historische Dokumente. Die Autorin studierte Unterlagen aus Kirchen- und Gemeindearchiven, glich ihre Funde mit solchen aus dem Staatsarchiv in Bern ab. Sie merkte: Was hier vor 300 Jahren geschah, ist gar nicht so weit weg.
Mehr Verständnis für andere
«Der Gegenwartsbezug ist mir wichtig», betont Susanna Grogg-Roggli. «Unsere Vorfahren lebten teilweise in ‹himmeltraurigen› Umständen. Ich erhoffe mir, dass ich mit dem Buch historisches Bewusstsein vermitteln kann – sodass die Leute etwas mehr Verständnis für Probleme in anderen Gesellschaften oder Ländern haben.» Ein Beispiel ist die Migration. Sie sagt dazu: «Die wird heute oft in Misskredit gebracht. Doch auch die Schwarzenburger wanderten damals nicht aus Freude aus», weiss sie.
Die geschichtlichen Hintergründe, wie die damals herrschende Ständegesellschaft, die politischen Machtkämpfe oder die Aufklärungsgedanken, bilden die Kulisse für Erzählungen, die hauptsächlich in und um die Höfe in Obereichi spielen. Die Dialoge sind erfunden, «und auch ab und zu eine Person», gibt sie einen Einblick in ihre Arbeitsweise. Die Geschichten, die im 18. und frühen
19. Jahrhundert spielen, sind aber zu mindestens drei Vierteln historisch belegt.
Wegen Gasel nah am Krieg
Die Vernissage des Buches fand im Wappensaal von Schloss Schwarzenburg statt. «Dies war früher der Gerichtssaal. Für unsere Vorfahren war es nicht so lustig, wenn sie dort erscheinen mussten», spannt sie einen Bogen in die Vergangenheit. Von klein auf war ihr bewusst, dass es ein «früher» gibt. Ihre Mutter war die dritte Ehefrau ihres Vaters, der die erste vermutlich an Tuberkulose, die zweite nach einer Geburt verloren hatte: «Ich realisierte, dass, was für uns selbstverständlich ist, vor noch gar nicht allzu langer Zeit ganz anders war.» Die Historikerin erzählt: «Ich grübelte oft herum, wie die Leute wohl früher gelebt haben.» Zudem hatte sie deutlich ältere Halbgeschwister und konnte ihre Grosseltern nicht mehr kennenlernen. «Was war vorher?» lautete eine Frage, die sie von klein auf beschäftigte. Die 1932 Geborene war sich zudem durch den 2. Weltkrieg der internationalen Beziehungen bewusst – wenn auch teilweise aufgrund eines Missverständnisses. «Ich verwechselte Gasel mit Basel und meinte deshalb, wir wohnten nah der Grenze», schmunzelt sie rückblickend.
Aktiv in Politik und als Autorin
Im Elternhaus wurde viel politisiert; ihr Vater war einer der Mitgründer der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei BGB, der Vorläuferin der SVP. Dass sie als politisch stark interessierte junge Frau nicht wählen und abstimmen durfte, schärfte ihren Gerechtigkeitssinn. Grogg-Roggli gründete eine kirchliche Jugendgruppe, die auch politische Fragen diskutierte. Nach der Einführung des Frauenstimmrechts trat sie zum Entsetzen der Bekannten ihres Vaters als erste Frau in Albligen der SP bei. Ihr Leben lang und bis heute setzte sie sich für «Anliegen der dritten Welt» ein.
Eigentlich wollte sie Latein studieren. Doch damals gab der Lehrer die Richtung vor. «Es Meetschi schickt me i Semer», hiess es. So wurde sie zuerst Lehrerin, bevor sie später Deutsch und Geschichte studierte. Ihr Mann war Pfarrer in Mühleberg, später zog die Familie nach Albligen. Als das jüngste der Kinder in die Schule kam, stieg sie als Lehrerin im Gymnasium Lerbermatt wieder ein. Daneben verfasste sie historische Publikationen, war Co-Autorin des Buches «Albligen» und engagierte sich in der Arbeitsgruppe zum Spycherweg im Naturpark Gantrisch.
Seit knapp dreissig Jahren wohnt die heute 90-Jährige in der Berner Länggasse. Noch immer besitzt ihre Familie ein Stück Land samt Gartenhaus in Obereichi, was dazu beitrug, über die «Hofgeschichten» zu recherchieren. Besonders die Roggli-Höfe und das Schulhaus – die erste Landschule ausserhalb des Dorfes Schwarzenburg – boten viel historischen Stoff. «Das Buch ist auch für Nicht-Schwarzenburger und historisch weniger Interessierte spannend», findet sie. Denn die Erzählungen drehen sich um Themen, die alle berühren.