Gewinneinbruch bei Familie Schweizer

Gewinneinbruch bei Familie Schweizer

Firmen werden nur noch nach Umsatz und Gewinn beurteilt

Traurige Wirklichkeit, aber Zeichen unserer Zeit: Unternehmen – vorab jene, die an der Börse kotiert sind – werden von den Wirtschaftsjournalisten nur noch nach Zahlen beurteilt. Das Schlimmste: Stehen Entlassungen im grösseren Stil an, steigen in den meisten Fällen die Aktienkurse. Ich könnte manchmal schreiiiiiiiiien.

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Wäre ich zu Berufszeiten CEO einer grossen Schweizer Firma gewesen, ich hätte zum Schluss einer Jahres-Bilanzkonferenz Folgendes gesagt: «Meine Damen und Herren, sicher werden einige unter Ihnen schreiben, dass unser Gewinn im Vergleich zum Vorjahr dramatisch eingebrochen ist, auch wenn er noch immer gegen eine halbe Milliarde Franken beträgt. Das ist – entre nous und en passant gesagt – übrigens weit mehr als der Umsatz der meisten Schweizer Verlagshäuser. Was ich sagen will: Unser Unternehmen verabschiedet sich hiermit vom reinen Zahlendenken, schreiben Sie in der Zukunft darüber, wie es Ihnen gefällt. Wir werden hingegen die inneren Werte unseres Unternehmens im Auge behalten, ohne dabei die Zahlen zu vernachlässigen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.» Stimmt, die Bude hätte sich nach meinem Auftritt auf die Suche nach einem neuen CEO machen können.

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Nur… Verhält es sich bei Familie Schweizer – Vater und Mutter, Tochter 21, Sohnemann 16 – wirklich anders? Ein Bekannter, der bei einer Bank arbeitet, berichtete kürzlich, dass es unglaublich sei, wie viele Leute am 3. Januar jeweils vor den Schaltern stünden, um den Ausdruck ihrer Konten per Jahresende zu verlangen. Und dies, obwohl die Dokumente um den 10. Januar herum ohnehin jenen Kunden per Post zugestellt würden, die kein E-Banking betreiben. Dieser Umstand lässt jeden Satiriker und Realsatiriker aufhorchen und… fantasieren, wie es denn in den ersten Januartagen 2023 bei Familie Schweizer am Mittagstisch zu- und hergegangen ist.

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«Ig chönnt mi chläpfe!», ist vom Familienoberhaupt zu hören. «Weshalb denn das?», will die – frei nach Kishon – beste Ehefrau von allen wissen. «Wieso haben wir uns letztes Jahr von der Bank bloss dazu überreden lassen, 20’000 Franken in einen Fonds einzubezahlen?» – «Pa, wir? Nein, du. Und überhaupt: Nicht bloss Insider wissen, dass die Banken keine sozial tätigen Institutionen sind. Bei den Fonds verdienen sie mehr, als wenn du das Geld einfach auf dem Privatkonto liegen hast, denen ist unser Wohlbefinden doch wurscht.» – «Heisst das jetzt, dass wir Geld verloren haben?», will Töchterli wissen. «Ja, 15 %, 3000 Stutz!», doppelt Junior nach, wobei das Geld nicht wirklich verloren sei, moniert der Vater richtigerweise, es wäre im Moment einfach nicht flüssig, das komme aber «scho guet». Dummerweise erkundigt sich besagte Ehefrau just in diesem ungünstigstenen aller Momente nach den CS-Aktien, die ihr Ehemann in einem Anflug von (Selbsteinschätzung) «Genialität» letztes Jahr zum Börsenkurs von 5 Franken pro Stück gekauft hat, «weil der Kurs nur noch obsi gehen kann». Irren ist bekanntlich menschlich.

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Seiner bereits erwähnten Genialität wegen schwenkt Papa zackig auf Kryptowährungen um, dass er immer gesagt habe, dass das ein Hirngespinst sei, zudem lobt er seine eigene Weitsicht, den neuen Vertrag für den Hypothekar-
zins bereits Anfang 2022 bis 2028 abgeschlossen zu haben, «Unter einem Prozent», was logischerweise zu den Budgetplanungen der nächsten Jahre von Familie Schweizer führt. Und die könnten besser nicht sein.

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«Du», sagt der Vater mit Blick zur Tochter, «willst ja demnächst mit deinem Freund zusammenziehen, ich kann das bloss befürworten, obschon ich ihn nicht mag. Immerhin wird das unser Budget 2023 stark entlasten, ab Mitte Jahr.» (Dem Schreibenden ist nicht klar, aus welchem Grund Nora Messer und Gabel in den Teller schmeisst und den Tisch wortlos verlässt. Unausgesprochen bleibt zum Glück die Frage des Vaters, ob Nora ein biologisches Zwischentief habe?) Frau Schweizer schaut verärgert zu ihrem Gatten, ahnt aber bereits, dass er Malheur Nummer 2 bereits auf den Lippen hat. Und siehe da: «Noah, du beginnst dieses Jahr deine Ausbildung. Hast du dir schon überlegt, was du Ma als Kostgeld abgeben willst?» Es wiederholt sich deshalb jene Szene, die sich noch nicht einmal eine Minute zuvor abgespielt hat, womit nur noch das Ehepaar Schweizer zu Tische sitzt. Und selbst das stimmt nicht wirklich: Augenblicke später steht nämlich die Hausfrau und Mutter auf, um das Geschirr abzuräumen.

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«Hast du wieder prima hingekriegt!», sagt sie laut in der Küche stehend. Für einmal hat Herr Schweizer das letzte Wort: «Wieso sollte es bei uns bei der Budgetdebatte anders zu- und hergehen als in Grossfirmen oder dem Parlament?»

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