Ihr Traum wurde Wirklichkeit

Ihr Traum wurde Wirklichkeit

Am Eidgenössischen Frauen- und Meitlischwingfest vom 2. September auf der Hannig- alp auf über 2100 m. ü. M. oberhalb von Grächen (VS) war Angela Riesen die Böseste von allen und hat sich mit dem goldenen Kranz zur neuen Schwingerkönigin gekrönt. Damit ist für sie schon früh in ihrer Karriere ein grosser Traum Wirklichkeit geworden

Riesen stieg mit grosser Nervosität in den Wettkampf. «Am Morgen habe ich nicht geglaubt, dass es klappen könnte, denn ich hatte Versagensängste, war sehr nervös und ich habe geheult wie ein Schlosshund. Ich war erstaunt, dass es am Schluss dann doch geklappt hat», berichtete die erst 20-jährige Siegerin nach dem Wettkampf. Zum Abbau ihrer Nervosität beigetragen hat sicher auch der mentale Aufbau zwischen den einzelnen Gängen durch eine Bekannte der Familie Riesen. So kam Riesen mit der Situation Gang um Gang besser zurecht.

Starke Bernerinnen

Am Mittag drängten sich an der Ranglistenspitze noch zehn Schwingerinnen mit je zwei Siegen. Ganz vorne lag Melissa Klossner (Bernerinnen) mit zwei Siegen und einem Gestellten und 29 Punkten, gefolgt von Angela Riesen (Bernerinnen) und Isabel Egli (Frauenschwingklub Steinhuserberg) mit ebenfalls einem Gestellten und 28.50 Punkten. Nach fünf Gängen waren die Namen ganz vorne immer noch dieselben und der Schlussgang zwischen den beiden Bernerinnen klar. Riesen verdiente sich den Einzug in den Schlussgang mit Siegen im vierten und fünften Gang gegen Vroni Brun und Isabel Egli und hatte 48.50 Punkte. Klossner, mit einem Sieg im vierten und einem Gestellten im fünften Gang lag einen Punkt dahinter auf Rang zwei. Mit Franziska Ruch und Deborah Beer folgten auf dem dritten Rang ebenfalls Bernerinnen. Im Schlussgang gegen ihre Klubkollegin Melissa Klossner reichte Riesen ein Gestellter. Riesen ging gegen ihre starke Teamkollegin Klossner keine Risiken ein. Klossner ihrerseits fand keine Mittel, den Gang zu ihren Gunsten zu entscheiden. Riesen brachte den Sieg über die Zeit und liess sich als Schwingerkönigin feiern. Mit dem Siegerpreis, dem Eringerrind «Canaille» stellte sie sich den Fotografen.

In Schwarzenburg begonnen

Die 20-jährige Schwingerkönigin Angela Riesen ist gelernte Detailhandelsfachfrau, arbeitet bei der Landi in Rüeggisberg und wohnt in Helgisried. Sie schwingt seit zehn Jahren und hat vor dem Königinnentitel 13 Kränze gewonnen und viermal bei den Aktiven als Festsiegerin gejubelt. In der bisherigen Saison hat sie fünfmal den Kranz gewonnen, der goldene war ihr sechster. Mit Schwingen begonnen hat sie beim Schwingklub Schwarzenburg, wechselte dann zu den Bernerinnen und trainiert in Thun.

Geburtstagsgeschenk 

Das Märchen wird perfekt! Denn Angela Riesen erringt ihren ersten Königinnentitel ausgerechnet am Geburtstag ihrer Mutter Ruth. «Ein schöneres Geschenk hätte uns Angela nicht machen können», sagt die überglückliche Mutter. Und Vater Markus, der früher auch geschwungen hat, hatte eine Riesenfreude und Tränen der Rührung in den Augen. Seit ihre Tochter schwingt, fahren sie mit ihr an jedes Schwingfest und betreuen sie. «Einen schöneren Dank hätte Angela uns nicht erweisen können», so Ruth Riesen.

Angela die «Chrampferin»

Angela Riesen gilt als «Chrampferin». Im Beruf, im Schwingsport wie auch in ihrer Freizeit, wo sie ihrem Onkel regelmässig auf seinem Bauernhof aushilft und auch ihre bislang gewonnenen Lebendpreise pflegt. Dann geniesst die passionierte Reiterin auch den Ritt auf ihrem Pferd. Riesen ist zielstrebig, hat ein gesundes Ego und nennt die Dinge beim Namen, ist also direkt. Sie verstellt sich nicht, setzt keine gute Miene auf, wenn etwas Negatives ansteht. Angela Riesen steckt sich hohe Ziele. «Läuft es nicht nach meinen Vorstellungen, kann ich durchaus ‹grantig› werden.» 

«Als Schwingerkönigin möchte ich möglichst viel zur Popularität des Frauenschwingsportes beitragen. Und dann befinde ich mich in der nächsten Schwingsaison erstmals in der Rolle der ‹Gejagten›. Ziel ist, meinen Titel zu verteidigen und dabei meine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen», sagt sie voller Selbstvertrauen.

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Erstmals an einem Tag

Dieses Jahr wurde zum ersten Mal an nur einem Tag um den Titel Schwingerkönigin gekämpft. Bisher wurde bei den Frauen Königin, wer über die ganze Saison die konstanteste Schwingerin war. Der Eidgenössische Frauenschwingverband (EFSV) erhofft sich dadurch, dem Frauenschwingsport zu grösserer Attraktivität und zu mehr Zuschauerresonanz zu verhelfen.

www.efsv.ch

Resultate Aktive

1. Riesen Angela, Helgisried, Bernerinnen 57.25, Schwingerkönigin

2a. Rickenbacher Fränzi, Zunzgen, Steinhuserberg, 56.50, Kranz

2b. Kempf-Brunner Michelle, Benken, Linth, 56.50, Kranz

3. Klossner Melissa, Horboden; Bernerinnen, 56.25, Kranz

4a Ruch Franziska, Eriz, Bernerinnen, 55.75

4b Egli Isabel, Menzberg, Steinhuserberg, 55.75, 

4c Beer Deborah, Eggiwil, Bernerinnen, 55.75

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Empfang in Rüeggisberg

Alphornklänge, TV-Kameras, Sportclub, Männerchor, Jungtreichler,  Landi-Mitarbeitende, der Gemeinderat – und generell das halbe Dorf: Jung und Alt säumten die Dorfstrasse in Rüeggisberg, um ihre Schwingerkönigin würdig zu empfangen. An diesem Montagabend, am 

11. September, sass die junge Athletin in Berner Sonntagstracht auf einer Kutsche, wurde bejubelt und winkte immer wieder ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu. Bei der Schulanlage Ziegelacker angekommen, zeigte sich der Publikumsaufmarsch erst richtig – die Turnhalle war bis zu den hintersten Plätzen gut gefüllt. Gemeindepräsidentin Therese Ryser schaute «überwältigt» und «sprachlos» in die Runde ob dem Interesse der Rüeggisberger. Doch dann führte sie mit spürbarem Stolz durch den reichhaltig gestalteten Abend. Die Musikgesellschaft Rüeggisberg spielte auf, ebenso ihre Tambouren «Mountain Drummers». Auch das gemischte Jodeldoppelquartett «Echo vor Giebelegg» bewies sein Können – und überraschte mit einem Lied übers Herzklopfen, als Referenz an die Nervosität, die Angela Riesen gemäss eigener Aussage vor dem Eidgenössischen verspürt habe. Überraschungsgast Matthias Sempach, Schwingerkönig 2013, gratulierte Riesen per Videonachricht. 

«Nach dem Frauenschwingfest ändern Kritiker ihre Meinung»

Franziska Ruch, Präsidentin des Eidgenössischen Frauenschwingverbands EFSV, erwähnte in ihrer Ansprache auch nachdenklich Machendes. Angela Riesen habe nicht nur im Sägemehl gegen Schwingerinnen kämpfen müssen, sondern auch ausserhalb davon gegen negative Sprüche und Bemerkungen: «Sie musste sich beweisen.» Im anschliessenden Gespräch bestätigte sie, dass nach wie vor viele Schwingfans − auch Aktive, gar Schwingerkönige − den Sport als nicht für Frauen geeignet erachten. Doch: «Wer das sagt, war noch nie an einem Frauenschwingfest!» So oft habe sie schon erlebt, wie Kritiker nach dem Besuch eines solchen die Meinung wechselten. Der neue Modus − ein auf vorerst drei Jahre ausgelegtes Pilotprojekt − bringe positive und negative Aspekte mit sich, sagt Ruch in einer vorsichtigen Zwischenbilanz: «Diese Saison hatten wir dank der Änderung viel mehr mögliche Schwingerkönigin-Anwärterinnen als in den Vorjahren − früher war die Saison manchmal schon zwei Schwingfeste vor Ende entschieden.» Hingegen sei es natürlich schade, wenn die Leistung über die Saison hinweg weniger honoriert wird. «Aber manchmal muss man etwas Neues ausprobieren.» Sie ist gespannt auf die Zeit in drei bis vier Jahren, wenn eine grössere Zahl an starken Jungschwingerinnen zu den Aktiven wechseln wird. Den «Boom», den der Schwingsport allenthalben erlebt, schlage sich nämlich auch bei den «Meitli» nieder.

«Das Training in diesem Team macht einen Unterschied»

Einer, der dies stark mitbekommt, ist Richard Tschanz. Seit 2010 trainiert er die «Bernerinnen», damals waren es erst drei Aktive. Inzwischen reisen jeweils am Montagabend aus dem ganzen Kanton Schwingerinnen nach Thun oder Zäziwil. Von den aktuell 10 Aktiven und rund 20 Jungschwingerinnen gehören mehrere zu den Favoritinnen an den Schwingfesten. «Zehn Mal qualifizierte sich bei den Aktiven eine Schwingerin aus unserem Team für den Schlussgang. Bei acht Kranzfesten gab es folglich auch mehrmals Direktduelle», stellte er an seiner Ansprache stolz fest. Im Interview erklärte er: «Es macht einen Unterschied, dass sie in so einem guten Team trainieren können.» Angela Riesen ist seit ihren zwei letzten Meitli-Jahren in Thun dabei. An diesem Eidgenössischen fiel Tschanz schon im ersten Gang auf, wie «richtig geladen» sie gegen die schwierige Gegnerin gestartet war. «Ich dachte, es könnte gut kommen für sie.» 

Und die Geehrte? Sie schwinge seit zehn Jahren, erzählte sie, davon die ersten vier bei den Buben. Davon habe sie profitiert, denn gerade die Älteren hätten viel Kraft: «Eigentlich das Beste, was einem passieren kann.» Auf ihre Vorbildfunktion in der Region angesprochen, ermutigte sie alle motivierten Neuschwingerinnen, sich nicht von den bubendominierten Klubs abschrecken zu lassen: «Dort kann jedes Meitschi lernen; es kann nur gut kommen.» 

Salome Guida

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