Jubiläum zum Ende einer Tradition

Jubiläum zum Ende einer Tradition

Um zwei Jahre musste das 50. Bauernpferderennen wegen Corona verschoben werden. Nun ist das grosse Jubiläum Geschichte. Für immer. Trotz Beliebtheit, trotz Tradition. Es fehlt an jüngeren OK-Mitgliedern.

9. Oktober 2022 in Häusern. Kurz nach sieben Uhr morgens ertönen Jodelklänge aus den Lautsprechern. Das Wetter ist diesig, das Terrain vom Regen des Vortages noch ein wenig feucht, aber bereit für die Pferde, welche in 24 Kategorien über die Bahn preschen werden. Im Festzelt dampfen die ersten Kaffees in den Bechern. Der Grossteil der Arena steht seit einer Woche bereit, hier wird noch eine Absperrlatte mit der Säge gekürzt, dort noch ein Kabel verlegt.

1968 hatte der Reitverein Schwarzenburg, im Rahmen eines Umzuges zum Tag des Pferdes, in der Dorfmatte einige Rennen durchgeführt. Dass daraus eine Tradition werden könnte, ahnte niemand. Armin Glaus Senior war im neu gegründeten Organisationskomittee des Bauernpferderennens. Bereits die vierte Austragung fand auf seinem Land neben den Gleisen kurz vor Schwarzenburg statt. Fünf Mal konnte das Rennen seither nicht durchgeführt werden: Zweimal spielte das Wetter nicht mit (einmal kam es sogar zu einem frühen Wintereinbruch), zweimal machte Corona einen Strich durch die Rechnung und nach 25 Events hatte Glaus Senior genug, der Rennplatz war gefährdet. Ein Jahr darauf, 1995, übernahm sein Sohn, Armin Glaus Jr., das Land und 2001 den Vorsitz des OK.

Der Anlass hat sich über die Jahre weiterentwickelt, blieb ein Pu-
blikumsmagnet. Neue Kategorien kamen dazu, beispielsweise die Römerwagen, die Staffel mit den Bikern oder das Offroad-Kjöring auf umgebauten Inlineskates. Mitte der 80er Jahre berichtete die Presse von mehr als 10’000 Zuschauerinnen und Zuschauern. Ganz an diese Zahlen kam man in den vergangenen Jahren nicht mehr heran. Armin Glaus Jr. ist mit dem Auflauf zum letzten Ereignis sehr zufrieden und spricht von rund 7000 bis 8000 Personen. Auch das Feld wurde über die Jahre etwas kleiner. Nahmen 1984 noch über 200 Pferde teil, waren dieses Jahr laut Programm noch 142 gemeldet.

Die neun Mitglieder des OK sind in den letzten 25 Jahren mehrheitlich die gleichen geblieben, weshalb wenige Sitzungen genügten, um den Anlass auf die Beine zu stellen. Die Schattenseite: Diverse Mitglieder sind müde und der Nachwuchs fehlt. «Helfer haben wir genug», sagt Glaus, «aber Leute, die bereit sind, den Karren zu ziehen, haben wir keine gefunden.» Letztes Ziel war deshalb, den 50. Anlass durchführen zu können, zumal die Preise schon vor der Corona-Pause gefertig wurden und bereitlagen.

Immer wieder gibt es an diesem Tag amüsante Szenen, wenn beispielsweise die Maultiere sich weigern, einen Huf vor den anderen zu setzen, wenn ein Teilnehmer mit Rollschuhen kurz vor dem Ziel sich lieber über den Acker schleifen lässt, als den Traum vom Sieg aufzugeben, oder wenn ein Fahrer zeigt, dass echte Römer unter ihrer Tunika keine Unterwäsche tragen. Und auf die Idee, dass ein Gummiboot sich als Verkleidung im Kostümrennen eignen könnte, muss man auch erst einmal kommen. Tradition sind auch die Paraden mit Gästen aus der nationalen Pferdeszene. Diesmal erfreut um die Mittagszeit der Verein «Cadre Noir et Blanc» aus Freiburg das Publikum. Um 13.30 Uhr trifft die Alpabfahrt ein, bestehend aus einer Hundertschaft Ziegen und 160 geschmückten Kühen, die mit ihren mächtigen Treicheln die Rennbahn erzittern lassen.

Speaker Fritz Trachsel mahnt die Reitenden vor jedem Rennen zur Vorsicht, bittet die Hundehalter, ihre Tiere an die Leine zu nehmen, und das Publikum, die Bahn während der Rennen nicht zu betreten. Die Angst, dass ein Unfall einen Schatten über den letzten Anlass werfen könnte, ist gross. Und trotz aller Vorsicht geschieht es. Nach der Preisverleihung zu einem Flachrennen begibt sich das Feld auf die Ehrenrunde. Eines der Pferde macht einen Misstritt und knickt ein. «Das war unglücklich, hätte aber bei jedem Ausritt passieren können», erzählt Armin Glaus jr.
in der Nachbesprechung des Anlasses. Das Pferd wird mit Blachen abgedeckt, von einem Tierarzt betreut, in einem Transportwagen weggeführt und muss wenig später trotzdem eingeschläfert werden. «Presseberichte hatten wir meist, wenn ein Unfall passiert ist», sagt Glaus. Zuletzt war dies 2014, als die Rega eingeschaltet werden musste und die Skandalpresse sich kurz darauf für Stellungnahmen bei ihm meldete.

Nach diesem Zwischenfall scheint die Stimmung ein wenig gedrückt. Es folgen die Einlagen der Kavallerie Bereitermusik Bern und eines Freiberger Hengstgespanns des «Schweizerischen Nationalgestüts Avenches». Noch einmal hält das Publikum die Luft an, als ein Mädchen während der Staffel mit Läufern vom Pferd fällt. Nach kurzer Betreuung durch die Sanität steht es aber bei der Siegerehrung bereits wieder vor der Jury, etwas gezeichnet, aber wohlauf.

Auch das Organisationskomitee begibt sich in einem Wagen auf zwei Ehrenrunden, nimmt den Applaus des Publikums entgegen. Schliesslich donnern die Römerwagen ein letztes Mal über die Naturarena, ein letztes Mal beschliesst das Brückenwagenrennen den Anlass. Und pünktlich zum finalen Rennen lassen die Wolken einige Tränen fallen. Mit der letzten Ausgabe des Bauernpferderennens verabschiedet sich eine faszinierende Tradition aus dem Jahreskalender der Pferdefans, der Dorfbevölkerung und der ganzen Region.

 

Armin Glaus Jr., OK-Präsident, 57 Jahre

«Ich bin mit dem Rennen aufgewachsen. Bei der ersten Austragung war ich 3 Jahre alt. Mit etwa 20 Jahren habe ich auch aktiv teilgenommen. Nach der Übernahme des Betriebs von meinem Vater gründeten wir ein neues Organisationskomitee.

Die Vorbereitungen begannen für mich jeweils im Februar, mit der Reservation der WC- und Lautsprecheranlagen. Weil wir ein eingespieltes Team hatten, war der Anlass mit drei Sitzungen organisiert. Jeder hatte sein Pflichtenheft und wusste, was zu tun ist. Wir wollten den Anlass in jüngere Hände übergeben, fanden aber niemand, der die Verantwortung übernehmen wollte. Ich selbst hätte noch weitergemacht, aber einige Mitglieder des OK waren nach mehr als 20 Jahren müde. Dass man Mühe hat, Nachwuchs zu finden, ist eine Zeiterscheinung. Das sieht man auch in anderen Vereinen. 

Für mich war der Anlass immer ein Erfolg, wenn alle Teilnehmer und Zuschauer gesund und zufrieden nach Hause gingen. Mit den Medien hatte ich ein wenig Mühe, weil sie immer angerannt kamen, wenn es einen Unfall gab. Aber über die Jahre hatten wir relativ wenige Zwischenfälle.

Fritz Trachsel, Speaker, 67 Jahre

«Ich war 1991 Speaker beim Freundschaftshindernisfahren in Rüeggisberg. Danach bin ich von Armin Glaus Senior und Paul Siffert angefragt worden, ob ich das auch beim Bauernpferderennen machen könnte. So bin ich seit der 26. Austragung im Jahr 1995 dabei. Der Anlass und die Zuschauer haben sich über die Jahre verändert, aber wir leben in einer Zeit der Veränderung. Der Gedanke, dass der Anlass nun eingestellt wird, macht mich traurig. Weshalb man keine Nachfolger finden kann, kann ich nicht beantworten, aber ich finde es schade und nochmals schade!»

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