Lernen in Freiheit und Selbstverantwortung

Lernen in Freiheit und Selbstverantwortung

Die Tagesschule Sesam in Düdingen und Ulmiz ist eine etwas andere, 20 Jahre alte, öffentlich anerkannte Privatschule. 30 Betreuende begleiten ca. 120 Kinder im Alter zwischen vier und sechzehn Jahren (in Ulmiz Kindergarten bis 6. Klasse). Ein Erlebnisbericht der Autorin Henriette Brun-Schmid.

Ich betrete die Schule kurz vor Weihnachten. Zwei Engel, Glasperlen, Fotos mit den Vornamen der Betreuenden und hell, sehr hell ist dieser Schuleingang. Kissen zum Ausruhen. Es riecht nach frischem Holz. Stimmengewirr von Kindern, ein Hobelgeräusch und Lego-Geklakker. An der Wand eine «Regel»: «Begegne mir mit demselben Respekt, mit dem ich dir begegne.» Und eine Textbildzeichnung, auf welcher zum Beispiel steht: «Ich bin gut und richtig, genauso, wie ich bin; ich finde eine Lösung; ich bin freundlich zu mir…» Es gibt einen Gemeinschaftsraum, kein Lehrerzimmer, die Türe steht offen, ein junger Lehrer schaut auf «Waffen» und Roboter, welche Kinder mit Lego zusammenbauen. In ruhiger, freundschaftlicher Atmosphäre. Hier haben die Kinder zwei Stunden Zeit, ihren Bauplan zu verwirklichen, es gibt keine Einzellektionen, nur Blockzeiten à zwei Stunden. Ab der Mittelstufe gibt es einen Wochenplan, bei welchem sich die Lernenden selbst verbindlich für die ganze Woche eintragen. Neben Deutsch, Sprachen, Mathematik, Sport stehen hier zum Beispiel Fächer wie Kochen, Medien, Tanz, Kunst, Theater und Wald. Die Betreuenden und die Lernenden essen zusammen in der Schule, so wie sie auch zusammen beim Gongschlag um 11.45 Uhr Ämtli, wie Putzen und Aufräumen, erledigen. Die Handys werden am Morgen eingezogen und in der Oberstufe am Mittag für eine halbe Stunde herausgegeben. Es gibt wenige für alle gültige, nicht verhandelbare Regeln und viele in individuellen Gesprächen gemeinsam gefundene Ansichten.

Wertschätzung
Das Schulteam legt sehr viel Wert auf das Miteinander, auf gegenseitige Achtung und Wertschätzung und den respektvollen Umgang mit Umwelt und Material. Es geht darum, Verantwortung an die Lernenden abzugeben: «Dort wo du bist, ist es gut für einen nächsten Schritt.»

Damit es uns gut geht, brauchen wir laut Schulleiterin Judith Meuwly Correll Autonomie und Kompetenzerfahrung in möglichst vielen Lebensbereichen. Weiter müssen die Lernenden nicht an einem allgemein bestimmten Punkt sein; jede und jeder ist da, wo sie / er gerade steht und bereit ist für Neues. Eine grosse Rolle spielen auch soziale Beziehungen. Es gibt keinen gewohnten Unterricht, die Betreuungsperson coacht, wo nötig und die Lernenden arbeiten an ihren individuellen Zielen und Möglichkeiten. Das Erreichen derselben wird wöchentlich mit dem Coach besprochen.

Die Schule
Im Kinderhaus (4-6-Jährige) wird spielerisch Wert auf sensomotorische Fertigkeiten gelegt. In der Primarstufe gilt es, die Welt mit allen Sinnen zu entdecken.In der Oberstufe (13-16-Jährige) wird vor allem die Individuation gefördert. Die Aktivierung und Erforschung der eigenen Ressourcen braucht eine grosse Gesprächsbereitschaft von erwachsenen Personen (Coach), welche auch die Zukunftsgestaltung begleiten. Die Schule wird vom Verein Tagesschule Sesam geführt, das Haus gehört der Stiftung St.Wolfgang. Das Schulgeld beträgt zwischen 1200 und 1500 Franken pro Schüler. Die Schule orientiert sich auch am Lehrplan 21 und die Lernenden lernen, sich selbst zu organisieren, Abmachungen einzuhalten und Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen. Ich begegne vielen nicht stumpfen, nicht aggressiven, dafür aber fröhlich und intensiv arbeitenden Kindern und Jugendlichen und einem äusserst engagierten Lehrkörper in einer wohltuenden Atmosphäre.

Das Theater
Ein Theaterstück wird mit einer Theatergruppe aus der Oberstufe einstudiert. Das letztjährige, sehr erfolgreiche Stück über den Bahnhof von Canfranc und das diesjährige Stück über die Bergsteigerin Nicole Niquille, die erste Bergführerin in der Schweiz mit einem Bergführerdiplom, wurden vom Lehrer Felix Brun selbst geschrieben und konzipiert, Bühnenbild, Kostüme und Musik werden selbst hergestellt. Brun hat absichtlich eine weibliche Protagonistin, welche noch lebt, gewählt. Die Theaterklasse hat Nicole Niquille besucht und ihr interessante Fragen gestellt. Brun spricht vom «Bergsteigen» als dankbares Thema: Da gibt es Seilschaften, Auf und Ab, Mut und Gefahr –alles eigentlich auch Lebensthemen. Der Name des Stücks ist: «Die Sonne ist da, das ist für mich Glück!». Die Theaterband «The St. Wolfgangs» wird das Stück musikalisch umrahmen.

Jeder Körperausdruck, jede Sprachnuance ist wichtig. Alles wird sehr detailreich von Joséphine Ruedin, der Theaterpädagogin der Sesamschule und von Felix Brun hinterfragt und erarbeitet. Niquille unterstützt im Andenken an die erste Nepalesin, Pasang Lhamu Sherpa, die den Mount Everest bestiegen hat, ein Spital in Lukla – und so wird auch gleich die Sozialgeschichte der Frau in Nepal aufgerollt. Nicole Niquille sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl, doch es geht im Stück nie um diese Behinderung, sondern um eine ausserordentliche Frau und die Stärke, die es braucht, um ein solches Leben zu meistern. Mein Fazit: Ich begegne äusserst motivierten, mitfühlenden Spielenden mit vielen eigenen Ideen und grosser Spielfreude.

 

Theater «Die Sonne ist da, das ist für mich Glück!»

Aufführungen: 28.2. / 29.2. / 1.3. jeweils um 19.30 Uhr. Theater Le Bilboquet, Rte de la Fonderie 8b, 1700 Fribourg

Spenden Nepal: www.hopital-lukla.ch/soutenir-lhopital-de-lukla

Teilen Sie diesen Bereich

Beitrag:
«Lernen in Freiheit und Selbstverantwortung»

Die meistgelesenen Artikel

Kontakt

Datenupload

Der einfachste Weg uns Ihre Daten zu senden!

Werbeberatung

Schritt 1 von 2