Sauvage im Altersheim

Sauvage im Altersheim

Noch ist es nicht so weit, dass ich in den Augen meiner Kinder veraltet bin. Noch kenne ich die neuesten Trends vor ihnen, bin up-to-date, wenigstens so halb und immer etwa zwei Wochen, nachdem es auf TikTok viral ging. Und doch wundere ich mich schon jetzt ab und zu über die Songs, die ihnen gefallen, zum Beispiel Gangnam Style in einer Heavy Metal-Version oder solche, die vor Autotune nur so triefen.

Aber wie wird es sein, wenn sie 20 sind? Oder wie, wenn ich im hohen Alter bin? Besuche ich dann Drum’n’Bass-Tanznachmittage? Feiere ich Rap-Battles auf dem Seniorenausflug, eine Sauvage im Altersheimgarten? Spielen an 90. Geburtstagen gealterte Punkbands als Unterhaltungsband auf? Kommt die Aktivierungstherapeutin im Jahr 2065 mit Spraydosen daher, um uns in der HipHop-Szene Aufgewachsenen Kartonzüge mit Graffiti verschönern zu lassen?

Vermutlich werde ich diejenige sein, die Hilfe bei den neuesten Technologien braucht. Meine Enkel erklären mir dann geduldig, wie die holografische VR-Brille oder die Buchung des Air-Taxis funktioniert. Ich hoffe, dass ich in solchen Momenten akzeptieren kann, dass sich die Welt weiterdreht, auch wenn ich selbst langsamer geworden bin. Klar versuche ich schon jetzt, Neuigkeiten möglichst aufgeschlossen zu begegnen. Gleichzeitig sehe ich es entspannt, nicht über jeden Trend Bescheid wissen zu müssen. Die Welt wird anno 2070 wohl um einiges anders aussehen, als ich es mir jetzt auszumalen versuche. Bis dahin arbeite ich daran, dass nicht grad alles bachab geht. Und feiere zwischendurch meine kleine Sauvage zwischen Abwasch und Windelwechseln. 

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